Justiz "Assistenz-Staatsanwälte" dürfen Strafbefehle aussprechen

SDA

18.9.2018 - 16:49

Im Kanton St. Gallen sind auch "Assistenz-Staatsanwälte" ohne juristische Ausbildung befugt, Strafbefehle oder Freiheitsstrafen von bis zu sechs Monaten auszusprechen. Das hat die Anklagekammer entschieden.

Auslöser war ein Strafbefehl wegen Beschimpfung, Drohung sowie Tätlichkeiten vom August 2017, ausgesprochen von einem Sachbearbeiter mit staatsanwaltschaftlichen Befugnissen (SmsB).

Der Beschuldigte machte im Berufungsverfahren vor Kreisgericht die formelle Ungültigkeit des Strafbefehls respektive der Anklageschrift geltend, da sie von einem SmsB erlassen worden war. Die Anklage durch den SmsB wurde vom Einzelrichter "zur Ergänzung respektive zur Berichtigung an die Staatsanwaltschaft" zurückgewiesen.

Das St. Galler Kantonsgericht stützte den Entscheid im November 2017: "SmsB dürfen bloss in Übertretungsstrafverfahren Untersuchungen führen." Sei seien nicht befugt, einen Strafbefehl zu erlassen oder Anklage zu erheben, wenn Verbrechen oder Vergehen Gegenstand der Anklage seien.

Auch Staatsanwälte ohne Jus-Studium

Aufgrund des revidierten Artikel 13 im Einführungsgesetzes zur Strafprozessordnung (StPO), die seit 30. Januar 2018 in Kraft ist, erhob im Februar 2018 erneut ein SmsB beim Kreisgericht Anklage. Der Sachbearbeiter erlitt erneut Schiffbruch und erhob Beschwerde bei der St. Galler Anklagekammer.

Diese schützte im April 2018 die Beschwerde des SmsB. Gemäss StPO bestimmten Bund und Kantone ihre Strafbehörden und deren Bezeichnung. Der Kanton St. Gallen habe in seiner Einführungsgesetzgebung zum StPO festgehalten, dass der Staatsanwaltschaft auch SmsB angehörten.

Diese hätten die Funktion von "Assistenz-Staatsanwälten" und sollen Verfahren selbstständig führen und Abschlussverfügungen erlassen können. Zudem schrieben weder die StPO noch das Einführungsgesetz vor, welche fachlichen Voraussetzungen eine Person zu erfüllen hat, um in der Funktion "Staatsanwalt" tätig sein zu können.

Nichtjuristen als Staatsanwälte sind in der Schweiz keine Seltenheit, wie ein aktueller Bericht der Fachzeitschrift "Plädoyer" zeigt. Im Kanton St. Gallen sind neben 32 SmsB auch noch fünf Staatsanwälte ohne abgeschlossenes Jus-Studium im Amt.

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