Chaos beim FC Chelsea Wie Todd Boehly einen Fussballklub ins Elend führt

Sandro Zappella

18.4.2023

Todd Boehly ist noch nicht mal ein Jahr im Amt – hat bei Chelsea aber schon für viel Chaos gesorgt.
Todd Boehly ist noch nicht mal ein Jahr im Amt – hat bei Chelsea aber schon für viel Chaos gesorgt.
imago

Seit Mai 2022 ist Todd Boehly Besitzer des FC Chelsea. In seiner Ära hat er schon einige hundert Millionen verpulvert und mehrere Trainer verbraten. Doch der Aktionismus deckt sich nicht wie gewünscht mit Erfolg – dieser ist weit, weit weg. 

Sandro Zappella

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Todd Boehly ist seit rund einem Jahr Besitzer des FC Chelsea und hat in seiner Funktion schon für viel Chaos gesorgt.
  • Im Herbst entliess Chelsea Erfolgstrainer Thomas Tuchel und verpflichtete Graham Potter, dem sieben Monate später ebenfalls gekündigt wurde.
  • In der aktuellen Saison investierte Chelsea über 600 Millionen Euro für neue Spieler – der Erfolg bleibt dennoch aus. Die letzte Chance auf einen Titel haben die Blues in der Champions League. Das Viertelfinal-Hinspiel gegen Real Madrid ging aber mit 0:2 verloren.

Am 29. Mai 2021 ist der FC Chelsea ganz oben angekommen. Im Champions-League-Finale hat man das favorisierte Manchester City mit 1:0 geschlagen. Thomas Tuchel, der die Mannschaft fünf Monate zuvor übernommen hat, führt die Blues damit in Kürze auf den europäischen Fussball-Thron.

Der Deutsche, der taktisch als einer der besten Trainer der Gegenwart gilt, arbeitet in der Saison 2021/22 weiter an seinem FC Chelsea – formt die Mannschaft so, wie er es sich vorstellt. Tuchel wird zum Welttrainer 2021 gewählt, gewinnt mit Chelsea den UEFA-Supercup, erreicht im englischen Liga-Pokal und im FA Cup das Finale, in der Premier League klassiert sich Chelsea auf Rang 3 und in der Champions League scheitern sie im Viertelfinale am späteren Turniersieger Real Madrid.

Zum Ende der Saison erhält der FC Chelsea dann neue Besitzer. Ein Konsortium um die Milliardäre Todd Boehly aus den USA und Hansjörg Wyss aus der Schweiz kaufen den Fussballclub für umgerechnet über fünf Milliarden Franken. Boehly fungiert seit Ende Mai 2022 als Vorsitzender. Und mit ihm beginnt der beispiellose Absturz des Londoner Fussballklubs. 

Eine erste Transferoffensive

Im Sommer 2022 folgt ein erster Umbruch. Die glücklosen Stürmer Timo Werner und Romelu Lukaku werden verabschiedet, dafür wird das Kader für insgesamt 300 Millionen Euro verstärkt. Unter anderem lotsen die Blues Raheem Sterling, Kalidou Koulibaly, Marc Cucurella, Denis Zakaria und Wesley Fofana an die Stamford Bridge. Kein Verein gibt in der Sommer-Transferperiode mehr Geld aus als die Blues.

Der Schweizer Denis Zakaria wechselte leihweise von Juventus zum FC Chelsea, kam bisher aber bloss zu sieben Einsätzen in der Premier League.
Der Schweizer Denis Zakaria wechselte leihweise von Juventus zum FC Chelsea, kam bisher aber bloss zu sieben Einsätzen in der Premier League.
imago

Die Entlassung Tuchels

Chelsea verliert das erste Gruppenspiel der diesjährigen Champions-League-Kampagne mit 0:1 gegen Dinamo Zagreb. Die Niederlage kostet Thomas Tuchel den Job. «100 Tage sind vergangen, seit die neue Eigentümergruppe den Klub übernommen hat», heisst es in einer kurzen Mitteilung auf der Chelsea-Website. «Die neuen Inhaber arbeiten weiter hart, um den Verein voranzubringen, und glauben, dass es der richtige Zeitpunkt für diesen Wechsel ist.»

Tuchel ist nach der Entlassung «am Boden zerstört», Fussball-Experten sind fassungslos und es wird spekuliert, dass nicht die ausbleibenden Resultate, sondern das angespannte Verhältnis zu Boehly ausschlaggebend war.

Das «Langzeitprojekt» 

Die Ära nach Tuchel soll geprägt werden von Graham Potter. Der Engländer leistete bei Brighton & Hove Albion hervorragende Arbeit und soll dies nun auch bei Chelsea tun. Satte 23 Millionen Euro zahlen die Londoner, um Potter zu verpflichten. Weil es sich dabei um ein «Langzeitprojekt» handeln soll, erhält der Trainer einen Vertrag bis 2027.

Neues Spielzeug für Potter

Der Start von Potter verläuft vielversprechend. In den ersten neun Spielen gibt es sechs Siege und drei Remis. Die erste Niederlage kassiert Potter ausgerechnet gegen Ex-Verein Brighton (1:4). Ab diesem Zeitpunkt geht es bergab. Von den verbleibenden vier Spielen vor der WM verliert Chelsea drei. Im Winter ist deshalb klar: Potter braucht neues Spielzeug. Das erhält er. Erneut werden über 300 Millionen Euro in neue Spieler investiert. Unter anderem kommen Weltmeister Enzo Fernández (121 Mio. Euro), Mykhaylo Mudryk (70 Mio. Euro) und João Félix (11 Mio. Leihgebühr). 

Stephan Schäuble: «Chelsea-Transfers – eine Verzweiflungstat»

Stephan Schäuble: «Chelsea-Transfers – eine Verzweiflungstat»

Nachdem das internationale Transferfenster geschlossen ist, zieht blue-Fussballexperte Stephan Schäuble Bilanz.

31.01.2023

Der Zauber von Potter ist schnell verflogen

Doch auch mit den vielen neuen Spielern läuft es Chelsea einfach nicht. In der Champions League setzt man sich zwar im Achtelfinale gegen Dortmund durch, aber in der Premier League gibt es einen Rückschlag nach dem anderen. 

Nach der 0:2-Niederlage gegen Aston Villa am 1. April hat Boehly dann schliesslich auch genug von Graham Potter. Chelsea liegt in der Premier League nur auf Rang 11, die Chance, sich noch für die Champions League zu qualifizieren, sind nur noch theoretischer Natur. Das «Langzeitprojekt» Potter wird nach nicht mal sieben Monaten beendet. Es übernimmt für ein Spiel der vorherige Assistenztrainer Bruno Saltor, dann präsentiert Chelsea den dritten Trainer in der laufenden Saison: Es ist Frank Lampard. Die Vereinslegende, die das Amt schon von Juli 2019 bis Januar 2021 innehatte, übernimmt bis Ende Saison.

Ein Tiefpunkt jagt den nächsten

Die einzige Chance, sich noch für die Champions League 2023/24 zu qualifizieren, ist es, die diesjährige Ausgabe zu gewinnen. Aber im Viertelfinal wartet Vorjahressieger Real Madrid. Das Hinspiel in Spanien gewinnt Real locker mit 2:0. Für Lampard ist es nach dem 0:1 gegen Wolverhampton die zweite Niederlage zum Beginn seiner Amtszeit.

Am vergangenen Wochenende folgt der nächste Rückschlag. Chelsea verliert zuhause mit 1:2 gegen Brighton. Und kommt damit noch sehr gut weg – die Niederlage hätte viel höher ausfallen müssen. Lampard steht nach drei Spielen damit bei drei Niederlagen und 1:5 Toren. Die Bilanz von Chelsea ist mit zwölf Saison-Niederlagen miserabel. Der Abstand zu den internationalen Plätzen (14 Punkte) ist grösser als derjenige zu den Abstiegsplätzen (12 Punkte).

Während der Partie gegen Brighton richtete sich die Wut der Fans aber vor allem gegen Eigentümer Todd Boehly. Bilder gingen um die Welt, in denen verärgerte Fans auf der Tribüne mit dem Amerikaner diskutieren.

Die Fans haben Diskussionsbedarf mit Chelsea-Besitzer Todd Boehly.
Die Fans haben Diskussionsbedarf mit Chelsea-Besitzer Todd Boehly.
imago

Boehly ergriff nach dem Spiel selbst die Initiative. Er ging zur Mannschaft in die Kabine und rüffelte die Millionäre, die er grösstenteils selbst verpflichtete und sprach davon, dass sich Chelsea «peinlich» präsentiere.

Nagelsmann soll der Nächste sein

Am Dienstagabend hat Chelsea die Chance, gegen Real Madrid das 0:2 aus dem Hinspiel noch zu wenden. Sollte das nicht gelingen, werden sich die Gemüter weiter erhitzen.


Bei der vierten Niederlage in Serie unter Lampard könnte Chelsea den Engländer ja entlassen. Das können sie mittlerweile ganz gut – Trainerentlassungen sind schliesslich fast schon die einzige Konstante in der Saison 2022/23.

Und im Sommer soll dann sowieso ein Neuer kommen. Favorit auf den Job ist Julian Nagelsmann. Der Mann, der kürzlich bei Bayern entlassen und durch Thomas Tuchel ersetzt wurde. Übernimmt Nagelsmann bei Chelsea, würde sich immerhin ein Kreis schliessen.