Gelson Fernandes ist im Nationalteam meist nur Ersatz. Diese Rolle akzeptiert er und sagt: «Ich kann auch so helfen.» In Russland steigt er in seine fünfte WM- oder EM-Endrunde.
Keiner verkörpert die Sprachenvielfalt des Schweizer Nationalteams besser als der 31-jährige Gelson Fernandes. Innerhalb von wenigen Sekunden wechselt er beim Termin mit den Medien zwischen Deutsch, Französisch und Italienisch. Dem Reporter des brasilianischen Senders «O Globo» gibt er auf Portugiesisch Antwort. Spanisch und Englisch hätte Fernandes auch noch im Angebot.
Fernandes kam mit fünf Jahren mit seiner Mutter von den Kapverden nach Sitten, wo sein Vater als Platzwart des Stade de Tourbillon bereits Arbeit gefunden hatte. Rund 15 Jahre später verliess Fernandes das Wallis wieder. Nach dem FC Sion folgten Stationen in England, Italien, Deutschland und Portugal. Fernandes ist der bislang einzige Schweizer Fussballer, der in vier der fünf Top-Ligen mindestens ein Tor erzielt hat.
Guter Rat ist teuer
Das alles macht ihn zum wichtigen Spieler im Nationalteam. Zum Führungsspieler mit Erfahrung. Seit elf Jahren gehört er zur SFV-Auswahl. Unter Köbi Kuhn war er Stammspieler. Ottmar Hitzfeld und seit 2014 Vladimir Petkovic verzichten zumindest nicht auf ihn als Ersatzspieler. «Erfahrene Spieler sind auch neben dem Platz wichtig. Ich kann viele Tipps geben», sagt der Mittelfeldspieler des deutschen Cupsiegers Eintracht Frankfurt.
Fernandes spricht davon, wie sich das soziale Leben im Team innerhalb des letzten Jahrzehnts verändert hat. «Heute schauen die Spieler oft ins Handy. Instagram, Twitter, Facebook. Es ist verrückt. Vielleicht müssten alle eine App herunterladen, welche das Handy von Zeit zu Zeit in den Schlafmodus bringt», schlägt er vor.
Auf dem Platz ist der Einfluss von Fernandes geringer geworden. Man könnte sagen: Er ist zwar dabei, aber nicht mehr mittendrin. In der WM-Qualifikation gehörte er in zehn von zwölf Spielen zum Kader (zweimal war er verletzt), doch gespielt hat er bei vier Teileinsätzen insgesamt nur 141 Minuten. «Ich kann nicht sagen, dass ich stolz darauf bin, nur Ersatz zu sein. Aber ich würde der Nationalmannschaft deshalb nie den Rücken kehren. Ich bin glücklich als Fussballer, und ich bin glücklich beim Nationalteam.»
Als Joker gegen Brasilien?
Auch am Sonntag beim WM-Startspiel gegen Brasilien wird Fernandes zumindest am Anfang nicht dabei sein. «Das ist ein Fakt. Das wissen wir alle», sagt er, und dabei blitzt wieder der Schalk in seinen Augen auf. «Aber deswegen bereite ich mich trotzdem ganz normal auf die Spiele vor. Man weiss nie, was passiert. Vielleicht verletzt sich jemand. Oder ich komme am Ende noch rein, wenn wir führen. Bist du dann nicht bereit, machst du alles kaputt: das Spiel, die Mannschaft, das ganze Land.»
Und was erwartet er von den Schweizer Auftritten an der WM? «Dass wir alles geben und bereit sind, auch über die Grenzen hinauszugehen!» Selber ist er gespannt darauf zu sehen, «ob das Team gelernt hat zu leiden». In der Qualifikation seien ihnen die meisten Siege leicht gefallen. Gegen den einzigen wirklich starken Gegner Portugal aber waren die Schweizer chancenlos. «Deshalb haben wir vor ein paar Tagen einen Test gegen Spanien gemacht. Um zu sehen, was mit uns passiert, wenn wir in Schwierigkeiten sind.»
Aber Fernandes wäre nicht Fernandes, würde er dem Spiel gegen den grossen Favoriten Brasilien nicht optimistisch entgegen blicken. «Wir haben ein ambitioniertes Team, das viel Talent hat und das reif geworden ist.» Wie es mit der Ehrfurcht vor den vielen grossen Namen im Team von Brasilien aussieht, will der Reporter von «O Globo» noch wissen. «Wir haben keine Angst. Unsere Spieler kommen aus den grossen Ligen, da begegnen sie den Weltstars jedes Wochenende.»
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