Kampf gegen Rassismus Boateng: «Wir kämpfen mehr gegen Pyrotechnik als gegen Rassismus»

tbz

9.11.2018

Kevin-Prince Boateng verlangt mehr im Kampf gegen den Rassimus, von der Fifa, den Verbänden und auch von den Medien.
Kevin-Prince Boateng verlangt mehr im Kampf gegen den Rassimus, von der Fifa, den Verbänden und auch von den Medien.
Bild: Getty

Affengeräusche im Stadion, rassistische Beleidigungen auf dem Platz und sogar Scouting-Systeme, die sich an der Hautfarbe orientieren – der Rassismus ist im Fussball noch lange nicht vom Tisch. Die Gebrüder Jerome und Kevin-Prince Boateng sind zwei, die sich sehr aktiv gegen den Rassismus auf und neben dem Platz einsetzen.

2013 wird Kevin-Prince Boateng in einem Freundschaftsspiel mit der AC Milan gegen das unterklassige Pro Patria von den Fans rassistisch beleidigt und marschiert vom Platz. Aus Solidarität folgen ihm seine Mitspieler und das Spiel muss abgebrochen werden. Das war vor fünf Jahren. Der Nationalspieler Ghanas mit deutscher Verwurzelung schaffte damit, was zuvor jahrelang niemand zustande gebracht hatte: Er setzte ein klares Zeichen gegen den Rassismus im Fussball.

Viel hat sich nicht verändert

Die Fifa und die nationalen Verbände setzen sich zwar schon seit Jahren gegen Rassismus im Fussball ein, sie erreichen aber laut Kevin-Prince viel zu wenig. «Anderst ist heute einzig, dass der Rassismus ein bisschen versteckter ist. Es gibt keine rassistischen Gesänge mehr, aber er ist immer noch da. Und das ist alarmierend, denn in den letzten fünf Jahren hat sich nichts verändert

Kurz nachdem er damals vom Platz marschierte, wurde Kevin-Prince Boateng von der Fifa in eine Task-Force gegen Rassismus und Diskrimination eingeladen, allerdings fühlt er sich von der Fifa im Stich gelassen, wie er gegenüber ESPN verrät: «Ich habe schon lange, lange nicht mehr mit der Fifa geredet. Ich hatte damals drei oder vier Ideen, die ich der Fifa vorgeschlagen habe. Aber am Ende des Tages ist nichts passiert, nichts hat sich verändert. Es ist nur die Champions League mit ihrem ‹say no to racism› und das war’s.»

«Dann tun einfach alle so, als würden sie es nicht hören»

Kevin-Prince sieht den Fehler aber nicht nur bei der Fifa, sondern auch bei den Verbänden und Vereinen und macht einen Vergleich, der sitzt: «Es fühlt sich so an, als würde mehr gegen Pyrotechnik unternommen werden, als gegen Rassismus. Wenn im Stadion einer Feuerwerk zündet, dann meldet sich sofort der Stadionsprecher und sagt ‹bitte hören Sie auf› und es gibt 20’000 Euro Busse, aber wenn rassistische Geräusche oder Gesänge aufkommen, dann tun alle einfach so, als würden sie es nicht hören.»

Ähnlich sieht es sein Bruder, Jerome Boateng. Der Verteidiger des FC Bayern München wurde schon in der Kindheit mit dem Problem konfrontiert und schreibt in seinem eigenen Magazin «Boa», dass er als Junior einst dermassen beleidigt wurde, dass er anfing zu weinen. Er erkennt das Problem aber nicht nur im Fussball, sondern macht sich generell Sorgen um die deutsche Gesellschaft. «Wenn rechte Parolen bis in die Mitte der Gesellschaft vordringen, sollte jeder aufstehen und Stellung beziehen.» In gewisse Stadtteile Berlins getraue er sich mittlerweile schon gar nicht mehr mit seinen Kindern hinzugehen, weil man dort als Dunkelhäutiger «immer etwas zu befürchten hat».

Jerome Boateng getraut sich mit seinen Kindern nicht überall hinzugehen.
Jerome Boateng getraut sich mit seinen Kindern nicht überall hinzugehen.
Bild: Getty

Die Medien machen zu wenig

Für Kevin-Prince sind an dem Problem auch teils die Medien schuld, so äusserte er sich 2017 gegenüber der süddeutschen Zeitung kritisch zur Berichterstattung rund um AfD-Politiker Alexander Gauland, der damals über seinen Bruder Jerome behauptete, dass er in Deutschland als Fussballer zwar geschätzt werde, die Menschen ihn aber nicht als Nachbar wollten. «Das Problem ist, dass dieser Mann immer noch eine Stimme hat. Er kann immer noch reden. Sobald er etwas sagt ist er im Fernsehen. Das ist doch beschämend. So jemandem darf man keine Bildfläche mehr geben

Dem Rassismus im Fussball sollte man jedoch Bildfläche geben und nicht versuchen, ihn unter den Tisch zu kehren. Für die Spieler selbst ist dies eine gewagte Aufgabe, das ist am Beispiel des amerikanischen Football-Spielers Colin Kaepernick zu sehen. Der 31-jährige Quarterback protestierte jeweils vor den Spielen gegen rassistische Diskriminierung und Polizeigewalt in den USA, indem er während der amerikanischen Nationalhymne auf ein Knie sank. Er wurde seither von keinem amerikanischen Football-Team mehr verpflichtet und ist ohne Verein.

Colin Kaepernick (mitte) findet seit seinen Protesten keine Anstellung mehr. Könnte das im Fussball auch passieren?
Colin Kaepernick (mitte) findet seit seinen Protesten keine Anstellung mehr. Könnte das im Fussball auch passieren?
Bild: Getty
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