In den 1970er- und 1980er-Jahren sorgte die Brutalität englischer Fussball-Hooligans europaweit für Schlagzeilen. Seit damals scheint vieles unter Kontrolle gebracht worden zu sein. Doch es droht eine neue Problematik.
Vor rund 30 Jahren galt England europaweit als Hochburg für Fussball-Hooligans. Vor der Jahrtausendwende machten gewaltbereite Fan-Gruppierungen wie die «Millwall Bushwackers», die «Chelsea Headhunters» oder die «Gremlins» aus Newcastle die englischen Stadien unsicher und sorgten im Wochentakt für Ausschreitungen und Gewaltexzesse. Im Zusammenhang mit Europacup-Spielen oder internationalen Partien der englischen Nationalmannschaft schwappte diese Gewalt auch auf das restliche Europa über.
Im Jahr 2000 wurde es dann schlagartig ruhiger um englische Fussball-Hooligans. Nach gewalttätigen Ausschreitungen in Charleroi und Brüssel während der UEFA Euro 2000, bei denen mehr als 5'000 englische Fans ohne Eintrittskarten nach Belgien gereist waren, beschloss die britische Regierung den «Football Disorder Act». Dieser erleichterte die Aussprache von Stadionverboten und erlaubte es der Polizei, den verurteilten Personen vor einem internationalen Fussballspiel den Reisepass abzunehmen.
Neue Probleme seit der EM 2016
Mit einem Schlag konnten über 3'000 gewaltbereite England-Fans nicht mehr an internationale Spiele reisen. Die Situation beruhigte sich. Aber nicht ganz zwanzig Jahre später droht den Engländern nun die nächste Welle der Fangewalt.
Seit den Ausschreitungen an der Europameisterschaft 2016 in Frankreich, wo es zwischen englischen und russischen Fans täglich zu Strassenschlachten in verschiedenen französischen Städten kam, wird fast jedes Auswärtsspiel der englischen Nationalmannschaft von Gewalt begleitet.
Zuletzt bekamen das auch Schweizer Fans zu spüren, die die Schweizer Nati an die Nations League nach Portugal begleiteten. Über 20'000 Briten sollen nämlich für das viertägige Turnier die Reise nach Portugal angetreten haben. Die 160'000-Einwohner-Stadt Guimaraes, in der das Halbfinalspiel England – Holland stattfand, liess an diesem Tag aus Angst vor Ausschreitungen sogar die Schulen schliessen.
Fast keine Verhaftungen
Trotz mehreren gewalttätigen Auseinandersetzungen mit der Polizei wurden nur wenige Personen verhaftet. Dasselbe geschah am letzten Freitag in Prag, als die tschechische Polizei vor dem EM-Quali-Spiel von englischen Fans angegriffen wurde und lediglich 18 Personen inhaftierte.
Das erschwert es der englischen Polizei, solche Personen zu identifizieren und mit einem Reiseverbot zu belegen. Hinzu kommt, dass es sich bei den Gewalttätern meist um Fans von kleineren englischen Vereinen handelt und nicht um Mitglieder der grossen und polizeilich bekannten Hooligan-Gruppierungen.
Die Aggressoren treten in der lokalen Umgebung eher selten in derartiger Weise auf, verwandeln sich im Ausland aber in «eine Art Soldaten», so Mark Roberts, leitender Ermittler der Polizei für Fussball in England gegenüber «ESPN». «Sie glauben, dass sie ihr Land vertreten. Wir hören viele Lieder über die Taliban oder die IRA. Und das, obwohl viele von ihnen damals noch gar nicht auf der Welt waren. Aber sie singen darüber, weil sie glauben, die Nation England auf ihren Reisen zu repräsentieren. Diese Leute fühlen sich plötzlich fast wie Soldaten.»
Bestätigung für diese These findet sich in zahlreichen Flaggen und Bannern, die oft militärische Symbole oder gar Logos von gewissen Regimentern zieren.
Ein Problemfan braucht kein Ticket
Eine weitere Problematik im Kampf gegen die Fangewalt sind die Anhänger, die den Weg ins Stadion gar nicht erst suchen. Viele Problemfans reisen ohne Ticket an und schauen das Spiel einfach in einer lokalen Bar oder in speziell eingerichteten Fan-Zonen.
Am Montagabend kommt es in Bulgarien zum nächsten Auswärtsspiel der Engländer. Viele der mitgereisten Fans dürften bereits am Freitag in Prag vor Ort gewesen sein, als es im Stadtzentrum vor dem Spiel zu schweren Auseinandersetzungen mit der Polizei kam. Es mussten Betäubungsgranaten eingesetzt werden. Zudem berichtet der «Mirror» von einem englischen Anhänger, der in «einem hilflosen Zustand» gefunden und ins Spital gebracht wurde. Wegen aggressiven Verhaltens dem Personal gegenüber sollte er dann in eine Polizeistation gebracht werden – und sei auf dem Weg dorthin verstorben.
Noch scheint die englische Polizei keine Lösung für dieses Problem gefunden zu haben und so wäre alles andere als weitere Ausschreitungen in Sofia eine faustdicke Überraschung.