2014 führte Jogi Löw Deutschland zum WM-Titel und erreichte so den Fussball-Olymp. Seine Stimmung war trotz des Erfolgs aber nicht auf dem Höhepunkt – ganz im Gegenteil, wie er nun verrät.
Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen
- Zehn Jahre nach dem WM-Titel gewährt Jogi Löw einen Einblick in sein damaliges Seelenleben und überrascht mit seinen Aussagen.
- «Ich war verwirrt über meine Gefühle und Emotionen», sagt der 64-Jährige. Grosses Glücksgefühl sei nicht aufgekommen.
- Auch ein Rückzug nach Sardinien haben nicht geholfen. Löw begann trotz WM-Titel zu zweifeln, ob er noch der richtige Trainer sei. Er blieb dann aber doch bis 2021 beim DFB.
24 Jahre nach dem Triumph in Italien gewann Deutschland 2014 seinen vierten WM-Titel. Der Baumeister des Erfolgs: Jogi Löw. Acht Jahre nach seinem Amtsantritt als Bundestrainer war die Mission geschafft. Löw wurde zu einem Nationalhelden und zum vielleicht gefragtesten Trainer der Welt.
Und auch zum glücklichsten Mensch der Welt? Mitnichten. Im ARD-Podcast «Wir Weltmeister. Auf der Suche nach 2014» berichtet Löw von den Momenten nach dem Finalsieg gegen Argentinien: «Es ist schwer zu beschreiben, aber ich wollte alleine sein und ich habe mich auf einer Toilette eingeschlossen, weil in der Kabine waren auch überall Leute, aber ich wollte fühlen: Ist das wirklich alles so passiert oder ist das nur ein Traum?»
«Ich war verwirrt über meine Gefühle und Emotionen»
Das erwartete Glücksgefühl trat bei Löw nicht richtig ein. Auch Tage und Wochen nach dem grossen Erfolg nicht. «Ich war verwirrt über meine Gefühle und Emotionen», sagt der 64-Jährige. Er hätte gedacht, als Weltmeister wäre er jahrelang der glücklichste und zufriedenste Mensch der Welt und er würde in Euphorie durch den Alltag schweben. «Doch das war nicht so. Ich habe eine Zeit lang gebraucht, bis ich alles einordnen konnte.»
Die Verarbeitung bereitete ihm Probleme. «Körperlich, psychisch, seelisch, gedanklich. Es brauchte Zeit, alle diese Gefühle zuzulassen», so Löw. «Ich wollte irgendwie alleine sein, aber mit dem Alleinsein habe ich mich logischerweise auch schwergetan. Meine Stimmung war nicht so auf dem Höhepunkt, wie ich es vorher gedacht hätte, wenn du die WM gewinnst. Das hätte ich so nie erwartet.»
Selbstzweifel trotz WM-Sieg
Er zog sich nach Sardinien zurück. Dort kämpfte er mit weiteren Problemen: «Nachts bin ich häufig aufgewacht. Situationen gingen mir durch den Kopf. Ich habe schlecht geschlafen und von innen heraus kam diese Müdigkeit und Schwere», erklärt Löw. «Es kam alles zusammen und es war – muss ich ganz ehrlich sagen – nach ein paar Tagen keine so ganz einfache Zeit für mich.»
Er sei nicht weit weg von einer depressiven Stimmung gewesen und nicht sicher gewesen, ob er Bundestrainer bleiben soll. «Was soll ich jetzt tun? Was sind jetzt noch die Ziele? Ich begann zu zweifeln, ob ich noch in der Lage bin, neue Dinge und Impulse in die Mannschaft einzubringen.»
Seinen Vertrag hatte er aber schon vor der WM bis 2016 verlängert. So biss sich Löw durch, führte Deutschland an der EM 2016 in den Halbfinal und verlängerte nochmals bis zur EM 2020. Mit dem Aus in der Gruppenphase an der WM 2018 kam der sportliche Tiefpunkt seiner Amtszeit, die 2021 mit dem Achtelfinal-Aus an der EM gegen England endete.