Hintergründe zur Nati-Trainer-Wahl Hintergründe zur Nati-Trainer-Wahl: Yakin setzte sich knapp durch, Tami wollte aber einen anderen

Redaktion blue

9.8.2021

Murat Yakin hat am Montagmorgen seinen Vertrag beim SFV unterschrieben.
Murat Yakin hat am Montagmorgen seinen Vertrag beim SFV unterschrieben.
Bild: SFV

Murat Yakin wird der neue Nati-Trainer. Ein mutiger und interessanter Entscheid, wenn man die Hintergründe kennt. Würde nur der Moment in Betracht gezogen werden, wäre ein anderer Kandidat wohl die logische und auch weniger umstrittene Wahl gewesen.

Redaktion blue

9.8.2021

Wie diversen Medienberichten zu entnehmen war, hat der eine oder andere Trainerkandidat, der durchaus das Format als Schweizer Nationaltrainer mitgebracht hätte, dem Verband eine Absage erteilt. Die Rede ist von Lucien Favre, Urs Fischer, Ottmar Hitzfeld, Arsène Wenger oder Raphael Wicky. Vielleicht auch von Martin Schmidt, sofern allen Gerüchten Glauben geschenkt werden soll.

Marcel Koller wurde nicht einmal angefragt, ob er ein Interesse an diesem Amt hätte. Es ist davon auszugehen, dass Nati-Direktor Pierluigi Tami auch den Spielerrat der Schweizer Auswahl mit in die Trainerdiskussionen einbezogen hat. Dort dürfte dieser Name nicht auf ein grosses, positives Echo gestossen sein.

Bestimmt nicht abgesagt, auch wenn insbesondere vom «Blick» suggeriert, hat Bernard Challandes, der dieses Amt wohl nur zu gerne übernommen hätte. Logischerweise konnte er sich zu den Mutmassungen nie äussern. Hätte er sein Interesse publik gemacht, wäre er wohl beim Präsidenten seines jetzigen Arbeitgebers, des kosovarischen Fussballverbands, umgehend in Ungnade gefallen.



Challandes wäre die logische Wahl gewesen

Er wäre jedoch die logische, zum jetzigen Zeitpunkt wohl richtige Wahl gewesen. Challandes hat eine ähnliche Fussballphilosophie wie Vladimir Petkovic. Den Verband, den Schweizer Fussball kennt er in- und auswendig. Der frühere U21-Nati-Coach ist ein grosser Motivator, ein akribischer Arbeiter mit grossen sozialen Kompetenzen.

Der Nationalmannschaft stehen zwischen dem 5. September und dem 15. November sechs schwierige Pflichtspiele bevor. Die vom ganzen Land erwartete Qualifikation für die WM 2022 in Katar wird alles andere als ein Selbstläufer sein. Angesichts dieser Ausgangslage wäre es wohl ein Vorteil gewesen, auf die Dienste von Challandes zu setzen. Es hätte keine grossen Veränderungen und Konflikte gegeben. Challandes und Tami kennen sich gut aus ihrer gemeinsamen Zeit beim Verband.



Wohl wegen seines Alters und eines überraschenden, umstrittenen Zufallsentscheids ist die Wahl jedoch nicht auf den 70-Jährigen gefallen. Bei den Entscheidungsträgern rund um Verbandspräsident Dominique Blanc, Liga-Boss Heinrich Schifferle, Pierluigi Tami und den Ausbildungschef Patrick Bruggmann herrschte Uneinigkeit.


Richtigstellung

  • In einer älteren Version dieses Artikels folgte an dieser Stelle folgender Abschnitt:

    «Bewusst war allen vier Herren, dass ein Bruno Berner, Fabio Celestini, Alex Frei, Mauro Lustrinelli, René Weiler oder Peter Zeidler zum Wohle der Nati nicht zur Diskussion stehen können und dürfen. Genauso wenig wie die irrwitzigen Ideen rund um die deutschen Trainer Florian Kohfeldt, Jürgen Klinsmann und Jogi Löw.»

    Diese Aussage kann so interpretiert werden, als würden die genannten Trainer aus diversen Gründen nicht dem Amt genügen. Für diese Unterstellung entschuldigen wir uns.

Hatte das SFL-Komitee entscheidenden Einfluss?

Nachdem mit mehreren Kandidaten Gespräche geführt wurden, ging es schlussendlich nur noch um Bernard Challandes oder Murat Yakin. Auf der einen Seite das Bekenntnis zur jetzigen Nationalmannschaft und um die Risikominimierung in Bezug auf die bevorstehende heisse Phase in der WM-Quali in der Person von Challandes. Auf der anderen Seite um einen Neuanfang, eine Lösung für eine längere Zukunft in der Person von einem unbestrittenen Fussballfachmann, den in seiner positiven Schlitzohrigkeit oftmals unterschätzten, 24 Jahre jüngeren Yakin, der seine Arbeit jeweils mit gutem Bauchgefühl und grossem Verstand verrichtet.

Dem Vernehmen nach hat sich Pierluigi Tami Bernard Challandes als neuen Nati-Trainer gewünscht. Rund um das Haus des Fussballs in Bern wird auch behauptet, Swiss-Football-League-Präsident Heinrich Schifferle habe sich für den Jurassier eingesetzt. Blanc und Bruggmann waren wohl für Yakin. 

Dies würde bedeuten, dass eine Patt-Situation entstanden ist. Gemäss blue-Informationen spielte das SFL-Komitee eine entscheidende Rolle im Entscheidungsprozess. Denn gemäss Statuten steht dem Komitee ein Vorschlagsrecht bei der Wahl des Nationaltrainers zu. Hatten also die aktuellen Präsidenten der Super-League-Vereine entscheidenden Einfluss auf die Wahl? Jedenfalls fiel diese letztlich überraschend auf Yakin.

Zufallsentscheid als grosser Glücksgriff?

Überraschend hin oder her. Yakin ist eine gute, interessante Wahl. Sie ist aber mit Risiko verbunden. Insbesondere was die nahe Zukunft und die bevorstehenden Partien betreffen. Am 1. September testet die Nati gegen Griechenland. Vier Tage später steht in Basel der Quali-Knüller gegen Italien an. Und am 8. September geht es zum schwierigen Auswärtsspiel nach Nordirland.

In der Öffentlichkeit wird die Wahl von Yakin durch seine oftmals uninspirierte, nonchalante Art nicht nur bejubelt werden. Trotzdem: Der 46-Jährige besitzt über wohl ebenso grosse Trainerqualitäten, wie er sie bereits als Spieler besass. Manch einer hat nie richtig verstanden, dass er mit seinem Talent, welches so sehr auch an Ronald Koeman erinnerte, als Fussballspieler nicht eine noch grössere Karriere, eine Weltkarriere, machte.

Diese traut man ihm in Fachkreisen noch immer auch als Trainer zu – wenn er denn will und sich dessen auch bewusst ist. So gesehen könnte ein umstrittener Zufallsentscheid dem Schweizer Fussball zum grössten Glücksgriff aller Zeiten verhelfen. Und auch Pierluigi Tami wäre wieder glücklich mit der Wahl von seinem ab sofort wichtigsten Mitarbeiter.



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