2020 wird als ganz schwacher Jahrgang in die Schweizer Rennsportgeschichte eingehen. Für nächstes Jahr hofft Moto2-Fahrer Tom Lüthi auf einen Befreiungsschlag.
Vor neun Monaten war die Welt von Tom Lüthi noch in Ordnung – und in einer Woche ist sie es vielleicht wieder. Der 34-jährige Berner startete nach starken Tests im Februar in Jerez mit grossen Ambitionen in die Saison und wurde bitter enttäuscht. Ohne ein Wunder im letzten Rennen am Sonntag in Portimão an der Algarve-Küste wird der 125er-Weltmeister von 2005 erstmals in zehn Jahren in der Moto2 ohne Podestplatz bleiben. Doch die Hoffnung auf Besserung lebt.
«Es war eine extrem schwierige Saison», spricht Lüthi gegenüber der Nachrichtenagentur Keystone-SDA Klartext. «Wir haben unsere Ziele überhaupt nicht erreicht. In allen Belangen.» Lüthi spricht von «wir» und meint damit sich und sein Team. Der Absturz mit zwei 5. Plätzen als besten Resultaten und zuletzt drei Nullern in Folge kommt überraschend. Das letzte Jahr hatte er im IntactGP-Team mit vier Podestplätzen in Folge beendet und den WM-Titel als Dritter nur um zwölf Punkte verpasst. Nun gelang es der gleichen Crew aber nie, sich auf neue Reifen einzustellen, die vom Lieferanten Dunlop auf dieses Jahr bereitgestellt wurden.
«Die Tests in Jerez waren sehr gut, doch schon beim Saisonstart in Katar, noch vor der Coronapause, waren wir nicht da, wo wir es uns vorgestellt hatten», bilanziert Lüthi. Mit jedem unbefriedigenden Resultat, jeder Entwicklung, die nicht in die gewünschte Richtung führte, schwand das Vertrauen in das Motorrad – und damit auch in das Team. «Die Zusammenarbeit ist immer schwieriger geworden, auch die Kommunikation hat gelitten», stellt der sensible Schweizer fest. Die ursprünglich schon fast geregelte Vertragsverlängerung war so im Sommer kein Thema mehr, der Wechsel des Teams soll nun zu einem Befreiungsschlag werden.
Diese – hoffentlich erfreulichere – Zukunft beginnt bereits eine Woche nach Portimão, wenn Lüthi erste Testfahrten mit seinem neuen Team Stop & Go absolviert. Zum alten Eisen zählt sich der Emmentaler nämlich noch nicht. «Ich bin sehr motiviert», betont er. «Das zeigt mir, dass das Feuer noch brennt. Der Hunger ist da, um mich wieder nach vorne zu kämpfen.» Die Harmonie im Team und das volle gegenseitige Vertrauen waren in Lüthis Karriere immer ein entscheidender Faktor für seine Erfolge. «Es ist immer sehr spannend, mit frischem Wind an die Arbeit zu gehen», sagt er jetzt. «Das habe ich gebraucht.» Was er ebenfalls braucht, sind schnelle Erfolge. Denn klar ist trotz Zweijahres-Vertrag beim neuen spanischen Team auch: Nochmals eine derart verkorkste Saison mag es für den Berner nicht leiden. In seinem Alter wird er bei aller Liebe zum Sport kaum auf Dauer seine Gesundheit riskieren, um im Mittelfeld um ein paar wenige Punkte zu kämpfen.
Aegerters «fast perfekte Lösung»
Auch die übrigen Schweizer in der Motorsport-Welt blicken auf ein schwieriges Jahr zurück. Am besten lief es noch Dominique Aegerter. Der 30-jährige Oberaargauer verarbeitete die Enttäuschung, keinen Vertrag in der Moto2 mehr erhalten zu haben, sehr gut und fuhr in der Elektro-Serie MotoE gleich um den Weltcup-Gesamtsieg mit. «Es war eine Supersaison», meint er zufrieden zu seinem Debüt. Den Titel vergab Aegerter nicht durch eigenes Verschulden, sondern weil er als Weltcup-Leader gleich zweimal in Folge zu Fall gebracht wurde.
In Portugal kommt der zweite Schweizer Veteran zum vierten Mal als Ersatzfahrer des NTS-Teams in der geliebten Moto2 zum Einsatz. Einen festen Platz wird er aber auch 2021 nicht erhalten. «Als Schweizer und ohne Geld-Mitgift hatte ich keine Chance.» Noch sind die Verträge nicht unterschrieben, doch Aegerter dürfte in der kommenden Saison wiederum in der MotoE (7 Rennen) und dazu neu für Yamaha in der Supersport-Serie (13 Rennen) fahren. Das sei für ihn eine «ziemlich perfekte Lösung».
Ganz schwierig wird es für Jesko Raffin nach einem Seuchenjahr. Der 24-jährige Zürcher erkrankte nach zwei Rennen ausserhalb der Top 20 an einem rätselhaften Virus und konnte so im NTS-Team nie zeigen, was in ihm steckt. Seine Zukunft sieht wenig rosig aus.
Hartes Brot für Nachwuchs
Und wie sieht es beim Nachwuchs aus, um an goldene Schweizer Zeiten anzuknüpfen? Der Neuling Jason Dupasquier blieb in der Moto3 in den ersten 14 Rennen ohne Punkt. «Natürlich hätte ich gerne den einen oder anderen Zähler geholt», gibt der 19-jährige Freiburger zu. «Aber ich mache mir deshalb keinen Kopf. «Mir fehlt noch die Erfahrung im Feld, das habe ich erwartet. Doch ich mache Fortschritte.» Sein Vertrag im deutschen Prüstel-Team läuft ein weiteres Jahr.
Das vielleicht grösste Talent ist der 15-jährige Baselbieter Noah Dettwiler. Er belegte im Red Bull Rookies Cup den 17. Gesamtrang – unter anderem hinter zehn Spaniern. Folgerichtig zog er mit seiner Familie ins gelobte Motorrad-Land um. Am Einsatz fehlt es definitiv nicht.
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