Formel 1 Von der Traumehe zum Scherbenhaufen: Vettels letztes Mal im Ferrari

dpa/jar

10.12.2020

Sebastian Vettel wird am Wochenende zum letzten Mal für Ferrari fahren.
Sebastian Vettel wird am Wochenende zum letzten Mal für Ferrari fahren.
Bild: Getty

Ex-Weltmeister Sebastian Vettel steigt in Abu Dhabi zum letzten Mal in einen Ferrari. Nach sechs Jahren endet das, was als Traumehe begann, in einem Scherbenhaufen. An die Rückkehr zu alten Erfolgen in der Formel 1 glaubt der Deutsche trotzdem. Bei seinem neuen Arbeitgeber.

Sebastian Vettel reichen schon drei Worte für ein Fazit nach sechs Jahren bei Ferrari. «Wir wollten mehr», sagt der viermalige Formel-1-Weltmeister vor seinem letzten Auftritt in rot. Der 33-Jährige wird die Scuderia unvollendet in Richtung Aston Martin verlassen, wenn er am Sonntag nach dem Saisonfinale in Abu Dhabi aus seinem Auto steigt. Ohne den ersehnten Titel, ohne es wie sein Idol Michael Schumacher geschafft zu haben, die Italiener wieder ganz nach vorn zu führen. «Wir waren zweimal nah am Titel, aber es sollte einfach nicht sein», resümiert Vettel.

Vettel und Ferrari – das war vor allem im letzten Jahr mehr Qual als Grande Amore. Der Heppenheimer wird die Saison so schlecht beenden wie nie zuvor, seit er 2008 Stammfahrer wurde. Auf Platz 13 liegt er kurz vor Ende der Corona-Notsaison, selbst der zwölfte Rang ist ausser Reichweite. Eigentlich indiskutabel für Vettel, der im Red Bull von 2010 bis 2013 dominierte. «Die Jahre mit der Scuderia Ferrari waren eine grossartige Reise, auf der wir so viel gelernt haben», sagt Vettel. Lernen musste er aber vor allem auch das Verlieren.

Erst gegen die übermächtigen Silberpfeile um Dauersieger Lewis Hamilton, dann auch noch gegen den widerspenstigen Teamkollegen Charles Leclerc. Der Monegasse stieg im Vorjahr zur Nummer eins im Team auf, die Italiener sehen ihre Zukunft in dem 23-Jährigen. Vettel muss nun für den Spanier Carlos Sainz (26) weichen, der von McLaren kommt. Mitgeteilt wurde ihm der Rauswurf im Frühjahr. «Der Anruf war sehr hart, weil Seb es nicht erwartet hat», erinnert sich Teamchef Mattia Binotto in dieser Woche im Formel-1-Podcast und ergänzt trotzdem: «Ich bin froh, dass er weiter in der Formel 1 bleibt.»



«Nur Schumi und Lauda waren besser»

Und warum klappte es in der langen gemeinsamen Zeit nicht, dass Ferrari wieder Weltmeister wurde? «Darauf gibt es keine leichte Antwort», sagt Binotto. Nur an Vettel selbst habe es aber sicher nicht gelegen. «In den vergangenen sechs Jahren gab es viele Veränderungen auf wichtigen Posten bei Ferrari, es hat im Konzern an Stabilität gefehlt. Das hat unserem Projekt nicht geholfen. Das ist vielleicht der Hauptgrund», so der viel kritisierte Ferrari-Teamchef.

Auf 14 Siege, 55 Podestplätze, zwölf Pole Positions und insgesamt 1400 WM-Punkte bringt es Vettel bei der Scuderia. «Nur Michael Schumacher und Niki Lauda waren besser als er. Das allein zeigt die riesigen Fussstapfen, die er bei uns hinterlassen hat», sagt Binotto der «Sport Bild». In Abu Dhabi dürfte es noch mal emotional werden. Vettel will sich mit einem speziellen Helm bei den Tifosi und den Mitarbeitern bedanken. «Der Fakt, dass ich nächstes Jahr andere Farben tragen werde, wird nicht verhindern, dass ich weiter in Kontakt mit meinen Freunden bei Ferrari bleiben will», sagt er.

Eine Tür geht zu, eine andere auf

2021 soll dann nach quälenden Monaten voller Rückschläge alles besser werden. Das neue Werksteam von Aston Martin, der Nachfolger von Racing Point, will sich mit Vettel in der Spitze festsetzen. Der Sieg des Mexikaners Sergio Perez, der für Vettel weichen muss, am vergangenen Sonntag in Bahrain zeigt, was möglich ist. Von Titeln will Vettel nicht reden, dafür ist Mercedes noch viel zu dominant. Doch eine Rückkehr als Dauergast aufs Podium wäre nach dem Geschmack des 53-maligen Grand-Prix-Siegers, der unbedingt wieder glänzen will.



Seine aktuelle Situation sieht noch ganz anders aus. «Im Moment ist es sehr schwer, überhaupt auf einen grünen Zweig zu kommen. Ich kämpfe mich da durch», sagt Vettel vor dem 118. Grand Prix mit der Scuderia. Trotzdem habe er «eine wichtige Rolle in Ferraris Geschichte gespielt», so Stallrivale Leclerc, der vom «Ende einer Ära» spricht und ergänzt: «Es wäre fantastisch, wenn wir noch mal ein grossartiges Rennen haben könnten. Das hat er sich verdient.»

Vettel wird weiter genau beobachten, was bei Ferrari passiert – auch wegen Mick Schumacher. Schon am Freitag steigt der Sohn von Formel-1-Rekordchampion Michael Schumacher im Freien Training erstmals in den Wagen des US-Rennstalls Haas, den er ab 2021 als Stammfahrer steuern wird. Als Mitglied der Nachwuchsakademie von Ferrari kann sich der 21-Jährige in den kommenden Jahren für ein Cockpit bei der Scuderia empfehlen. «Ich freue mich für ihn», sagt Vettel. «Mick ist einer, der immer lernt und sich immer weiterentwickeln kann, wo viele vielleicht stehen bleiben.»


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