Reggae-Vibes im EiskanalDie heimlichen Stars an Olympia: Jamaikas Bobfahrerinnen
sda
16.2.2018 - 15:33
Kaum ein Team erhielt in Pyeongchang im Vorfeld so viel Aufmerksamkeit wie Jamaikas Bobfahrerinnen. Die Insel-Girls wissen sich als Nachfolger von «Cool Runnings» bestens zu inszenieren.
Ein banaler Interviewraum konnte es nicht sein für das jamaikanische Bobteam. Vielmehr wurde die Weltpresse in ein perfekt herausgeputztes Haus ausserhalb des Olympiageländes geladen. Und über ein Dutzend TV-Kameras folgten dem Ruf, zu gut ist die Story von den Underdogs von der Karibikinsel.
Als letztes Team sicherten sich Pilotin Jazmine Fenlator-Victorian und Anschieberin Carrie Russell das Ticket für Pyeongchang. Sie wandeln damit in den Spuren von Dudley Stokes und seinem jamaikanischen Männerteam, das vor exakt 30 Jahren in Calgary für Furore sorgte. Die Geschichte der fröhlichen Männer mit dem Reggae im Blut wurde als «Cool Runnings» sogar verfilmt – inklusive Seitenhieb auf die verbissenen Schweizer mit ihrem komischen Dialekt.
«Viele Leute kennen den Bobsport nur dank dieser Männer und des Films», sagt die 32-jährige Fenlator, die mit einem amerikanischen Bob-Anschieber verheiratet ist. «Wir fühlen uns geehrt, dass wir mit ihnen verglichen werden.» Ihren Schlitten haben sie «Cool Bolt» genannt – in Anlehnung an den Film und den jamaikanischen Wundersprinter Usain Bolt.
Ein geschickter Etikettenschwindel
Der Vergleich mit den Männern aus «Cool Runnings» ist allerdings ein Etikettenschwindel. Während Stokes und Co. völlige Bob-Anfänger waren, lediglich ein halbes Jahr vor den Olympischen Spielen in Calgary mit dem Training begonnen hatten und eine Einladung des IOC brauchten, um teilnehmen zu dürfen, ist Fenlator eine gestandene Fahrerin mit beachtlichen Meriten.
Sie ist in den USA geboren und startete bis 2016 auch für ihr Heimatland. Erst dann entschied sich die Tochter eines jamaikanischen Vaters zum Nationenwechsel. Für die USA hatte sie an den Winterspielen 2014 in Sotschi teilgenommen und den 11. Platz erreicht, ein Jahr später war sie an der WM sogar Sechste. Dennoch war die Qualifikation als Jamaikanerin einfacher und besser zu vermarkten. Nicht umsonst besitzt Fenlator einen Master-Abschluss in Marketing. Auch Anschieberin Carrie Russell ist kein unbeschriebenes Blatt. Sie gewann an der Leichtathletik-WM 2013 mit der jamaikanischen Sprintstaffel die Goldmedaille. Im Weltcup fuhren die beiden im Dezember in Winterberg auf den 7. Platz. Selbstredend die beste Platzierung eines Bobteams aus der Karibik.
Zwei Frauen mit einer Mission
Fenlator und Russell gehen das Projekt Olympia, das nächste Woche seinen Höhepunkt finden soll, akribisch an. Sie wollen aber auch die karibischen Vibes ins olympische Dorf bringen. «Bereits am frühen Morgen hören wir Musik und tanzen», erzählt Fenlator. Im Training und in den Wettkämpfen seien sie aber topseriös.
Den amerikanischen Hang zum Pathos haben sie völlig verinnerlicht. «Es ist uns wichtig zu zeigen, dass Frauen gefährlichen, schnellen, starken und schnellen Sport betreiben können», betont Fenlator bei jeder Gelegenheit. «Und es ist uns wichtig zu zeigen, dass Jamaika es tun kann.» Wer eine so weltbewegende Mission verfolgt, hat natürlich auch die Aufmerksamkeit all der TV-Kameras verdient.