Vor genau 40 Jahren triumphiert Yannick Noah beim Heimturnier in Paris. Es ist ein ikonischer Moment geblieben – auch, weil seither kein Franzose mehr gewonnen hat.
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- Yannick Noah gewann am 5. Juni 1983 die French Open – zeitgleich war Noah auch der letzte Franzose, der einen Grand-Slam-Titel holen konnte.
5. Juni 1983, 6:3 im Tiebreak des dritten Satzes, Aufschlag Yannick Noah. Der Franzose stürmt Richtung Netz, der Return von Mats Wilander segelt weit ins Aus. Es ist ein Datum, an dem fast jeder etwas ältere Franzose weiss, wo er war, Bilder, die sich ins kollektive Sportgedächtnis der «Grande Nation» eingebrannt haben.
Der dunkelhäutige Spieler mit den Dreadlocks, Vater Zacharie ein ehemaliger Fussballer aus Kamerun, Mutter Marie-Claire Lehrerin aus Sedan im Norden Frankreichs, mit dem Schweissband in den kamerunischen Farben Grün, Gelb und Rot sowie dem Shirt der französischen Kleidermarke mit dem Hahn, wie sich Vater und Sohn schon gleich nach dem Matchball auf dem Platz in den Armen liegen, wie die gerührte Mutter in der ersten Reihe zuschaut, wie Noah als erster Franzose nach 37 Jahre die Coupe des Mousquetaires in den leicht wolkenverhangenen Pariser Himmel reckt.
Ein Sieg für die Familie
Die Siegerehrung läuft noch wesentlich chaotischer ab als heute. Noah muss geradezu mit Sprechchören zu einer Rede gedrängt werden. «Ich habe diesen Sieg nicht alleine errungen», ringt dieser Modellathlet mit zittriger Stimme um Worte. «Ich habe für meine Familie, die ganze Tennisfamilie, den Verband und vor allem für euch, das Publikum, gewonnen.» Der kurz zuvor 23-jährig gewordene Noah ist sich wohl bewusst, dass er etwas Ausserordentliches geschafft hat, dass er bis heute der letzte französische Grand-Slam-Sieger bleiben würde, hätte er aber kaum geglaubt.
«Es ist meine Sternstunde, es war bei mir, überall im Stadion waren meine Kumpel, meine Freunde», erinnert sich Noah kürzlich in einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur AFP. «Als ich 16, 17 Jahre alt war, habe ich sogar ein Jahr lang hier geschlafen.» Er habe von diesem Ort geträumt, von diesem Match. «Alles war angerichtet, und ich habe gewonnen. Es war einfach perfekt.»
Ein perfektes Turnier
Tatsächlich spielte der als Nummer 6 gesetzte Noah ein perfektes Turnier. Den einzigen Satz gab er im Viertelfinal gegen den Weltranglisten-Dritten Ivan Lendl ab – nachdem er bereits zwei Matchbälle gehabt hatte. Dafür gewann er dann den vierten 6:0. Im Halbfinal deklassierte Noah seinen Landsmann Christophe Roger-Vasselin 6:3, 6:0, 6:0, im Final behielt er gegen den Titelverteidiger Wilander in den entscheidenden Momenten die Nerven und setzte sich 6:2, 7:5, 7:6 durch.
«Yannick war der einzige farbige Spieler», erinnert sich sein damaliger Trainer Patrice Hagelauer. «Mit seinen Dreadlocks und seiner Persönlichkeit, es gab wahnsinnig viele Anfragen und ein riesiges Interesse.» Man habe sich deshalb entschieden, ausserhalb von Paris zu trainieren und so wenig Zeit auf der Anlage wie möglich zu verbringen. Sie hätten grossen Wert auf die physische Vorbereitung gelegt. «Er war der beste Athlet des Tenniszirkus, das wollten wir bestmöglich nutzen.»
Grosses Engagement für Kinder
Es war auch deshalb Noahs Sternstunde, weil er in seiner Karriere trotz allem Talent und insgesamt 23 Turniersiegen keinen weiteren grossen Titel mehr gewann. Eine ikonische Figur ist der Franzose, der seine Jugendjahre nach einer Verletzung seines Vaters und dem Umzug der Familie in Kamerun verbrachte, dennoch geblieben. Er führte das französische Davis-Cup-Team als Captain zu drei Triumphen, das Frauenteam im Fedcup zum ersten Frankreichs überhaupt.
Noah gelang die Kombination seiner europäischen und afrikanischen Seite. Er nutzte seine Persönlichkeit, mit der er die Menschen zu begeistern vermag und die ihn schon auf dem Tennisplatz zu einem Publikumsliebling gemacht hatte, zu einer schönen Karriere als Sänger ("Saga Africa"). Er engagierte sich aber auch für viele gemeinnützige Institutionen, vor allem in der von seiner Mutter gegründeten Stiftung «Enfants de la Terre». Die Mehrheit seiner Projekte richteten sich an benachteiligte Kinder, in Frankreich und Afrika. Selber hat er von drei verschiedenen Frauen insgesamt fünf Kinder, der älteste Sohn, Joakim, machte in der NBA als Basketballer eine schöne Karriere.
«Ich hoffe, mein Sieg gibt den Jungen eine grosse Ambition und die Gewissheit: Auch wir können gewinnen und Grosses erreichen», sagte Noah nach seinem Triumph. Sein Wunsch wurde nur teilweise erhört. Bei den Frauen gab es in den letzten 40 Jahren dank Mary Pierce (2), Amélie Mauresmo (2) und Marion Bartoli immerhin fünf französische Grand-Slam-Siegerinnen. Bei den Männern einige grossartige Spieler, aber keinen Erfolg bei einem Major, weder in Paris noch in Australien, Wimbledon oder New York.