Coronavirus Die düsteren Sport-Szenarien für die kommenden Wochen

René Weder

1.3.2020

Eishockey ohne Zuschauer: Schon am Freitag und Samstag in der Schweiz Realität. Wie geht es weiter?
Eishockey ohne Zuschauer: Schon am Freitag und Samstag in der Schweiz Realität. Wie geht es weiter?
Bild: Keystone

Üblicherweise jagt am Wochenende ein Sport-Highlight das nächste. Heute ist alles anders: Spielabsagen, Ungewissheit und Sport vor leeren Rängen prägen das Geschehen. Wir fassen die dringlichsten Fragen und Antworten für die kommenden Wochen zusammen.

Hockey-Playoffs: Der Start dürfte verschoben werden

Die ZSC Lions sind Qualifikationssieger. Der SCB muss in die Platzierungsrunde. Das ist seit Samstagabend zumindest tabellarisch klar. Wie es weitergeht, ist indessen völlig offen. Folgende Szenarien stehen im Raum:

- Die Playoffs beginnen verspätet (ab 17. März) und werden verkürzt. Sie könnten in einem Best-of-3 oder Best-of-5 statt Best-of-7-Modus ausgetragen werden. Wahrscheinlichkeit: 50 Prozent

- Keiner will Geisterspiele in der entscheidenden Phase der Saison. Abbruch der Meisterschaft. Die Playoffs entfallen, gewertet wird die Tabelle nach der Qualifikation. Der ZSC ist Meister. Wahrscheinlichkeit: 20 Prozent

- Bis 15. März gibt es Geisterspiele, danach, sollte sich die Situation beruhigen, wieder mit Publikum. Wahrscheinlichkeit: 20 Prozent

- Es geht am 7. März weiter wie geplant, bis auf weiteres einfach ohne Publikum. Wahrscheinlichkeit 10 Prozent

Am Montag will die Liga das weitere Vorgehen präsentieren. Selbst danach geht es ungewiss weiter. Sollten sich Spieler, Betreuer oder etwa auch Mitarbeiter von TV-Produktionsfirmen mit dem Coronavirus infizieren, würde es wohl unweigerlich zum Abbruch der Saison kommen, da das direkte Umfeld ebenfalls unter Quarantäne gestellt werden müsste. Dasselbe gilt für die Fussball-Meisterschaft. Wie sich die Entwicklungen auf die Hockey-WM im Mai in der Schweiz auswirken, ist ungewiss.

Fussball Schweiz: Kein Verband greift härter durch

Der Ball ruht an diesem Wochenende: Die Liga sagte bereits am Freitag alle Spiele ab. Insgesamt handelt es sich dabei um 1’500 Partien, da nicht nur die obersten Spielklassen von der Absage betroffen sind, sondern alle Partien, bis runter zu den Junioren. Auch der Schweizer Cup ist betroffen. Die für kommende Woche geplanten Viertelfinals wurden abgesagt. Am Montag trifft sich der Verband mit Vertretern der Vereine. Folgende Szenarien stehen im Raum:

- Geisterspiele bis 15. März. Laufende Neubeurteilung. Wahrscheinlichkeit: 60 Prozent.

- Die Liga macht bis 15. März Pause, danach geht es mit bis zu drei Spielen pro Woche weiter. Wahrscheinlichkeit: 30 Prozent.

- Abbruch der Meisterschaft (s. Anmerkungen zum Eishockey oben). Wahrscheinlichkeit: 10 Prozent.

Fussball International: Geld regiert – noch

Italien: Zahlreiche Spiele der Serie A, darunter der Klassiker zwischen Juventus und Inter am Sonntagabend, wurden erst unter grossem Druck abgesagt. Wie es kommende Woche weitergeht, ist offen.

England: Die Premier League läuft (noch), als ob nichts wäre. Die Liga macht sich, zumindest öffentlich, derzeit keine Sorgen. Klar ist: Es geht um ganz viel Geld.

Deutschland: Der Spieltag am Wochenende geht weiter planmässig über die Bühne – so auch am Sonntag. Einige Vereine stellen Desinfektionsmittel in den Stadien zur Verfügung. Andere untersagen den Spielern, für Selfies zu posieren oder Autogramme zu geben. Es würde überraschen, sollte in den kommenden Wochen am geplanten Spielbetrieb festgehalten werden.

Spanien: Der Clásico am Sonntagabend soll wie geplant über die Bühne gehen. Auch die Meisterschaft ist bisher nicht tangiert. Wie in allen anderen Top-Ligen Europas, geht es auch in Spanien um ganz viel Geld: Die Liga kassiert vom Verkauf der TV-Rechte über eine Milliarde Euro im Jahr.

Frankreich: PSG spielte am Samstag noch gegen Dijon und gewann 4:0. Gleichentags wurden in Frankreich aber Grossveranstaltungen mit mehr als 5’000 Zuschauern verboten. Es ist davon auszugehen, dass der Ball kommende Woche ruht – oder die Spiele ohne Zuschauer ausgetragen werden.

Champions und Europa League: Die Wettbewerbe sind abhängig von den Entwicklungen in den Top-Ligen. Die Achtelfinal-Rückspiele in der Königsklasse stehen ab 10. März auf dem Programm. Weil sich die Lage täglich ändert, ist eine Einschätzung unmöglich.

EURO 2020: Die Fussball-EM macht den Veranstaltern und Fans grosse Sorgen. Die Europameisterschaft, die in zwölf verschiedenen Ländern ausgetragen werden soll, und deshalb auch Mega-EM genannt wird, könnte dem Virus zum Opfer fallen. Spieler, Fans und Betreuer aller teilnehmenden Länder würden quer durch Europa an die Spiele reisen. Ein Horrorszenario in Anbetracht der aktuellen Bemühungen, das Virus eindämmen zu wollen. Am 12. Juni soll die EM in Rom eröffnet werden. 

Olympia: Auf der Kippe

Die Olympischen Sommerspiele in Tokio (24. Juli bis 9. August) scheinen noch weit weg. Und dennoch stehen sie auf der Kippe. 170 Menschen sollen sich bisher in Japan mit dem Coronavirus infiziert haben. Am Freitag wurden Schulen und Universitäten bis Anfang April geschlossen. Die für das Land so wichtige Baseball-Meisterschaft findet ohne Zuschauer statt.

Das internationale Olympische Komitee ist bemüht, nicht in Panik zu verfallen. Aber wie soll im Sommer die Sicherheit für 11’000 Sportlerinnen und Sportler und deren BetreuerInnen gewährleistet werden? Und was ist mit den geschätzt zehn Millionen Besuchern?

Zudem: Wie qualifizieren sich die Sportler überhaupt für die Spiele, sollten in den kommenden Monaten rund um den Globus nicht wie geplant Wettkämpfe stattfinden können? Ralph Stöckli, Delegationsleiter von Swiss Olympic sagt zur «SonntagsZeitung»: «Es ist wichtig, Panik zu vermeiden. Auf unsere Vorbereitung darf eine mögliche Absage keinen Einfluss haben. Sie liegt sowieso ausserhalb unserer Macht.»

Weitere Sportarten

Ob Ski, Handball, Langlauf, Basketball, Schwimmen, Motorsport oder Tennis: Das Sportgeschehen rund um den Globus wird in den kommenden Wochen nicht seinen normalen Lauf nehmen können. Nationale und internationale Verbände unterliegen den Wegweisungen der Behörden. In der Schweiz ist die Regelung derzeit so, dass keine Veranstaltungen mit mehr als 1000 Zuschauern stattfinden dürfen. «Was heute gilt, ist morgen vielleicht schon veraltet», sagt aber Bundesrat Alain Berset am Sonntag.

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