Internet-Zensur greift nicht mehrChinesisches Regime unterdrückt Proteste mit Pornos
Von Dirk Jacquemien
28.11.2022
Um Bilder und Videos der Massenproteste untergehen zu lassen, flutet die chinesische Propaganda-Maschine die entsprechenden Hashtags auf Twitter mit pornografischen Inhalten.
Von Dirk Jacquemien
28.11.2022, 15:05
Dirk Jacquemien
In China kommt es derzeit zu seit Jahrzehnten nicht mehr gesehenen Protesten. In allen grossen Städten demonstrieren Bürger*innen vor allem gegen die Corona-Politik, zunehmend aber auch gegen die Staats- und Parteiführung selbst.
In den staatlich kontrollierten sozialen Medien kommen diese Proteste allerdings nicht vor, dafür aber umso mehr auf Plattformen, die nicht der Kontrolle der chinesischen Zensur unterliegen, etwa Twitter. Fotos und Videos von Aufmärschen und Auseinandersetzungen mit der Polizei sind dort zu sehen, meistens mit dem Namen der jeweiligen Stadt als Hashtag versehen.
Die gezielte Suche nach diesen Hashtags sollte daher eigentlich schnell zu den entsprechenden Aufnahmen führen. Doch eine mutmasslich vom chinesischen Zensurapparat kontrollierte Bot-Armee flutet die Hashtags mit pornografischen Inhalten.
Am Sonntag zeigten unzählige teils jahrelang inaktive Accounts wieder Leben. Meistens twitterten sie Werbeanzeigen für vermeintliche Escort-Dienstleistungen, mit entsprechend expliziten Bildern angehängt. Versehen wurden die Tweets dann mit den Hashtags der Städte, in denen es zu Protesten gekommen war und von denen bereits Aufnahmen auf Twitter zirkulierten.
search the name of any major 🇨🇳city in Chinese: 北京 上海 南京 郑州 兰州 etc and you’ll see thousands of nsfw escort ads. While similar ads exist for years, they weren’t being shared with the same frequency as seen in the last 24h since mass protests broke out. see also: https://t.co/xJzYEO1jHf
Das Ergebnis war dann, dass bei einer Suche nach Bildmaterial zu den Protesten interessierte Nutzer*innen vor allem Porno-Inhalte zu sehen bekamen. Diese Taktik ist nicht neu, das Fluten von unliebigen Hashtags mit Spam-artigen Inhalten gehört zum Standard-Repertoire von Propaganda-Netzwerken, die eine Bot-Armee zu Verfügung haben.
Doch verschärft wurde das Problem dadurch, dass der neue Twitter-Eigentümer Elon Musk die zur Bekämpfung von Propaganda vorgesehenen Mitarbeiter*innen fast alle entlassen hatte. Erst am späten Sonntag konnte die Porno-Flut ein wenig eingedämmt werden, unter den entsprechenden Hashtags fanden sich dann nur noch «50 Prozent Pornos, 50 Prozent Proteste», so ein Experte zur «Washington Post».
Die Übernahme von Twitter durch Musk wird auch im Kontext mit China kritisch gesehen. Denn das Land ist der zweitgrösste Absatzmarkt von Musks Haupt-Unternehmen Tesla, auch eine grosse Fabrik befindet sich dort. Um in China Geschäfte zu machen, sind gute Beziehungen zu Staat und Partei unabdingbar. Daher befürchten Beobachter, China könnte Musk zur Zensur auf Twitter nötigen.