Aus für Cookies Lässt uns Google schon bald unbehelligt im Internet surfen?

Von Dirk Jacquemien

6.3.2021

Third-Party-Cookies sind wohl bald nur noch Brösmeli.
Third-Party-Cookies sind wohl bald nur noch Brösmeli.
Getty Images

Die Zeit der Tracking-Cookies ist schon bald vorbei. Tech-Giganten wie Google haben allerdings noch genug andere Mittel, Werbung zielgenau an die Nutzer*innen zu bringen.

Von Dirk Jacquemien

6.3.2021

Cookies sind fast so alt wie das World Wide Web selbst. Letzteres entstand 1991, Cookies kamen bereits 1994 hinzu. In ihrer ursprünglichen Form waren Cookies kleine Textdateien, die von einer Website beim Besuch auf dem Rechner der Nutzer*innen platziert wurden.

In diesen Dateien waren Informationen über einzelne Besucher*innen gespeichert, etwa ihr Login-Status auf der Seite. So musste man beim nächsten Besuch derselben Website nicht wieder manuell Nutzername und Passwort eingeben — alles also sehr praktisch und nützlich.

Doch schon seit geraumer Zeit löst das Wort «Cookie» eher negative Assoziationen bei den Durchschnittsnutzer*innen aus. Damit verfolgen mich doch diese Datenkraken beim Surfen im Netz, um mich dann mit aufdringlicher und viel zu persönlicher Werbung zu bombardieren, denkt man sich. Schuld an diesem Eindruck sind Tracking- oder Third-Party-Cookies.

Cookies machten Verfolgung möglich

Diese Third-Party-Cookies werden nicht von den Website-Betreibern beim Besuch auf den Computern und Smartphones der Nutzer*innen deponiert, sondern von grossen Werbenetzwerken wie beispielsweise Google. Die einzigartigen Cookies erlauben dann die Nachverfolgung individueller Nutzer*innen.

Die Werbenetzwerke wissen dadurch dann, dass die Sneaker-Fanatikerin aus Appenzell-Innerrhoden bald nach London reisen wird. Denn nachdem sie sich in einem Online-Store zum zweiten Mal in diesem Monat die neusten Schuhe bestellt hat, hat sie auf einer anderen Website ein Hotel in der englischen Hauptstadt gebucht. Diese Nutzerin wird also vermutlich bald sehr viel Online-Werbung für Sneaker-Läden in der Oxford Street zu sehen bekommen.

Apple und Mozilla schritten voran

Das Gefühl, auf Schritt und Tritt beim Surfen verfolgt zu werden, löst verständlicherweise bei vielen Nutzer*innen Unbehagen aus. Die zahlreichen Datenschutz-Skandale in der jüngsten Zeit trugen ihr Übriges dazu bei, dass die gegenwärtige Geschäftspraxis der Online-Werbung in Verruf geriet.

Das Ende der Third-Party-Cookies bahnte sich daher schon seit einigen Jahren an. Vor allem Apple und Firefox-Macherin Mozilla machten mehr als deutlich, dass sie deren Werbeverfolgung unterbinden wollen. 2020 kündigte dann auch Google, gleichzeitig Macher des weltweit populärsten Browsers und der führende Anbieter von Online-Werbediensten, an, die Unterstützung von Third-Party-Cookies in Chrome spätestens 2022 einzustellen.



Individuelle Verfolgung ist am Ende

Am vergangenen Mittwoch kündigte Google dann den nächsten grossen Schritt an. Man werde auch keine Alternativen zu Third-Party-Cookies unterstützen, die denselben Zweck — die Verfolgung individueller Nutzer*innen — mit anderen technischen Mittel erfüllen.

Für die Verfolgung ohne Cookies gibt es schon einige Lösungen, beispielsweise Zählpixel, aber etwa Apple und Mozilla haben bereits angekündigt, dass sie energisch gegen solche Ausweich-Methoden vorgehen werden. Nachdem sich nun auch Google dazu bekannt hat, ist eher unwahrscheinlich, dass es künftig noch eine zuverlässige Art geben wird, individuelle Nutzer*innen beim Surfen in Netz zu verfolgen — selbst wenn sich dies manche Werbetreibende wünschen.

Kohorten sollen Cookies ersetzen

Bedeutet das nun das Ende der personalisierten Werbung im Netz? Bekommt die um die Welt reisende Sneaker-Fanatikerin nun Werbung für Treppenlifte angezeigt? Zumindest Google scheint sich ziemlich sicher zu sein, mit seiner Werbung auch künftig ähnlich zielgerichtet arbeiten zu können. Online-Werbung ist für mehr als 80 Prozent des Google-Umsatzes verantwortlich, das Unternehmen wird sich diesen Schritt also sehr gut überlegt haben.

Google setzt nun auf «Federated Learning of Cohorts». Hierbei wird man für Werbezwecke Teil einer Kohorte, die Google als eine Gruppe von mehreren Tausenden Menschen definiert, so dass kein Rückschluss auf individuelle Nutzer*innen möglich wäre. Zu welchen Kohorten man gehört, wird lokal auf den Geräten der einzelnen Nutzer*innen bestimmt, ohne dass der Browserverlauf an Werbenetzwerke geschickt wird.

In unserem Beispiel würde Chrome dann beispielsweise die Nutzerin aus Appenzell-Innerrhoden der Kohorte «Sneaker-Fans wohnhaft in der Schweiz» zuordnen — eine Gruppe, die zweifellos mehrere tausend Mitglieder haben wird. Chrome würde dann beim Besuch einer Website dieser mitteilen, dass seine Nutzerin Teil diese Kohorte ist und passende Werbung würde erscheinen.

Vermutlich wenig Änderung in der Praxis

Bei der Art der ihnen angezeigten Werbung würde sich so für die meisten Nutzer*innen im Endeffekt wohl nicht viel ändern. Es ist allerdings unklar, ob andere Browser-Hersteller diesen Ansatz akzeptieren werden. Google hat aber auf jeden Fall noch eine Menge eigene Plattformen — YouTube, die Google-Suche, Google Maps, Gmail — auf denen es weiterhin persönliche Daten der eigenen Nutzer*innen sammeln kann. Es ist auf Third-Party-Cookies weit weniger angewiesen als kleinere Werbenetzwerke.

Diese beschweren sich nun, dass durch die Cookie-Eliminierung die Marktmacht von Google noch weiter gestärkt wird. «Google versucht unilateral die Privatsphäre-Standards im Netz zu definieren», sagte etwa der CEO der Werbefirma Flashtalking, John Nardone, zum «Wall Street Journal».

Google muss also aufpassen, dass eine scheinbar nutzerfreundliche Änderung nicht als eine weitere, wettbewerbsbeschränkende Massnahme des Tech-Giganten aufgefasst wird. Derzeit laufen gegen Google Kartellklagen unter anderem von US-Bundesstaaten und dem US-Justizministerium. Dabei geht es vor allem um Googles Dominanz des Online-Werbegeschäfts.