Athletendaten gefährdet Schwere Sicherheitslücken in chinesischer Olympia-App aufgedeckt

DPA/dj

20.1.2022 - 12:55

An Kontroversen mangelt es den Olympischen Winterspielen in Peking nicht. Nun ist die offizielle App in die Kritik geraten.
An Kontroversen mangelt es den Olympischen Winterspielen in Peking nicht. Nun ist die offizielle App in die Kritik geraten.
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Zum Kampf gegen die Pandemie sollen Teilnehmer der Winterspiele in Peking die App «My2022» auf ihr Handy laden. Erst gab es Sorge vor Spionage, jetzt zeigen sich Schlupflöcher in der Verschlüsselung. Auch gibt es eine deaktivierte Zensurliste. Was steckt dahinter?

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Kanadische Forscher haben Sicherheitsmängel in der chinesischen Olympia-App «My2022» kritisiert. Wegen einer «einfachen, aber verheerenden Schwachstelle» in der Verschlüsselungstechnik könnten persönliche Informationen bei der Übertragung abgefangen werden, warnten Forscher des renommierten Citizen Lab der kanadischen Universität von Toronto in einem Bericht. Athleten und andere Teilnehmer der Olympischen Winterspiele vom 4. bis 20. Februar in Peking müssen auf Geheiss der Organisatoren das Handy-Programm zur Vorbeugung gegen die Pandemie benutzen.

Darin werden Gesundheitsdaten wie Krankheitsgeschichte, Impfstatus, PCR-Testergebnisse, tägliche Temperaturmessungen in den 14 Tagen vor den Spielen, frühere Reisen sowie Passdetails eingegeben. Die App bietet auch Funktionen wie Text- und Audio-Chat, Medaillenspiegel, Nachrichten, Wetter und Datentransfer. Die Forscher fragten, «ob die Verschlüsselung für Überwachungszwecke absichtlich sabotiert wurde oder ob der Fehler aus Nachlässigkeit der Entwickler entstanden ist».

Zensurliste in App versteckt

Die Experten entdeckten auch für eine mögliche Zensur eine Liste mit 2422 heiklen Schlagwörtern, die aber nicht aktiviert worden sei. Es gehe unter anderem um Tibet, Xinjiang und mögliche Kritik an der Kommunistischen Partei. Die als «illegal» beschriebenen Wörter sind meist in Chinesisch, aber auch Uigurisch oder Tibetisch. Dazu zählten «Dalai Lama», «Tian'anmen», «Koran» oder «zwangsweiser Abriss».

Warum die Funktion nicht aktiviert ist, sei unklar. Doch könnte sie über ein Update zum Einsatz kommen, warnten die Forscher. Solche Listen seien häufig in chinesischen Apps eingebaut. «My2022» erlaube Nutzern auch, «politisch heikle» Inhalte zu melden.



Wurden Mängel absichtlich eingebaut?

Über die Ursachen der Verschlüsselungsmängel konnten die Forscher nur spekulieren. Da die meisten sensitiven Informationen in der App ohnehin an amtliche Stellen gingen, wäre es wenig hilfreich, wenn die Behörden «ihre eigenen Daten» abfangen würden. Die Forscher hielten eine «grosse amtliche Verschwörung» für wenig wahrscheinlich. Eine Hypothese sei, dass die Verschlüsselung bewusst eingeschränkt worden sei, damit die App auch über Chinas Netze funktioniere, die stärker als in anderen Ländern Überwachungstechnologie einsetzten.

Die Organisatoren der Spiele seien bereits am 3. Dezember informiert und gebeten worden, die Mängel innerhalb von 45 Tagen zu beheben. Bis Dienstag habe es keine Antwort gegeben. Auch seien die Probleme nicht beseitigt worden. Vielmehr sei noch die in China übliche und «ähnlich angreifbare» App «Green Health Code» ergänzt worden. So habe sich Citizen Lab zur Veröffentlichung ihrer Erkenntnisse entschieden.

Zertifikate werden nicht geprüft

Die Schwachstelle liegt nach Angaben der Forscher darin, dass das Programm nicht die Sicherheitszertifikate überprüft und somit nicht bestätigt, dass die Daten wirklich an den bestimmungsgemässen Server gehen. So könnte sich jemand zwischenschalten und den Absender täuschen, die Daten an einen anderen Server zu schicken, um sie abzufangen. Einige Daten werden nach Angaben der Experten auch ohne jede Verschlüsselung gesendet, was ein Ausspionieren schon bei ungesicherten Wlan-Netzen oder durch Internetanbieter ermögliche.

Das Handy-Programm wurde im Auftrag des Organisationskomitees von der staatlichen Beijing Financial Holdings Group gebaut. Es gibt selbst offen an, die Daten mit einer Reihe amtlicher Stellen wie den Organisatoren, Sicherheits- und Gesundheitsbehörden, dem Internationalen Olympischen Komitee (IOC) und anderen zu teilen, die an der Umsetzung der Massnahmen gegen Covid-19 beteiligt seien.



«Sauberes» Smartphone wird empfohlen

Aus Sorge um die privaten Daten stellen mehrere Länder ihren Athleten nach Presseberichten «saubere» Mobiltelefone zur Verfügung, um «My2022» darauf zu installieren. Auch Mitglieder des Schweizer Olympiateams bekommen auf Wunsch ein separates Smartphone für die Dauer der Spiele, finanziert von Sponsoren. Das sei aber auch schon bei vorherigen Spielen der Fall gewesen, heisst es bei Swiss Olympic.

Die chinesischen Organisatoren wiesen Spionagevorwürfe zurück. Sie hielten sich strikt an die Gesetze zum Schutz persönlicher Informationen. Citizen Lab hob aber hervor, dass die unsichere Datenübertragung nicht nur gegen Anforderungen der App-Stores von Google und Apple verstossen könnten, sondern auch gegen Chinas eigene Gesetze zum Schutz der Privatsphäre.