Games statt Geschichtsunterricht? «Ghost of Tsushima» im Faktencheck

Von Pascal Wengi

30.7.2020

«Ghost of Tsushima hält sich in vielen Bereichen an die tatsächlichen Ereignisse aus der Geschichte.
«Ghost of Tsushima hält sich in vielen Bereichen an die tatsächlichen Ereignisse aus der Geschichte.
Bild Socker Punch

«Ghost of Tsushima» ist nun seit zwei Wochen erhältlich und erfreut sich grosser Beliebtheit. Doch wie genau nimmt es «Ghost of Tsushima» mit historischen Fakten? Wir haben etwas recherchiert.

Geschichte

Zuallererst die geschichtliche Grundlage. Für alle die «Ghost of Tsushima» nicht gespielt haben, kurz zusammengefasst: Im Spiel wird die Insel Tsushima von einer mongolischen Invasion überrannt. Den 10'000 Invasoren stellen sich nur 80 Samurai entgegen. Nach der verlorenen ersten Schlacht und der Einnahme der Insel, stellt sich Held Jin Sakai den Mongolen alleine und versucht die Invasion des japanischen Festlandes zu verhindern.

Richtig:

Diese Invasion gab es wirklich als 1274 rund 40'000 Mongolen Segel setzten und den Einmarsch in Japan wagten. Wie im Spiel korrekt dargestellt, waren die Japaner fast chancenlos und Tsushima wurde überrannt. Ebenfalls richtig ist auch, dass sich den Mongolen nur 80 Samurai entgegenstellten.

Realität:

Anders als im Spiel bereitete die Insel Tsushima den Mongolen nur wenig Mühe. Ihre Invasion scheiterte jedoch bei der Überfahrt aufs Festland, als ein Sturm ihre Flotte versank. Dieser Sturm ging in die japanische Mythologie ein als «Heiliger Wind» oder «Kamikaze». Japanische Selbstmordflieger im zweiten Weltkrieg übernahmen diesen Namen dann als Metapher, um ihre Feinde vom Meer zu wehen.

Personen

Das Spiel erlebt man aus der Sicht des Samurai Jin Sakai, Erbe des Sakai Clans. Er stellt sich zusammen mit seinem Onkel Fürst Shimura und 80 Samurai der Mongolen-Invasion am Strand von Tsushima. Als ihr Gegenspieler dient der Invasionsführer der Mongolen Khotun Khan, Enkel des Dschingis Khan.



Richtig:

Die 80 Samurai, welche sich den zehntausenden Mongolen stellten und ihr Leben opferten gab es wirklich. Sie sind zwar nicht namentlich im Spiel erwähnt aber es gab sie.

Realität:

Game Held Jin Sakai ist frei erfunden. Zwar gab es den Sakai Samurai Clan wirklich aber nicht vor dem 14. Jahrhundert. Ausserdem gab es bei der Eroberung Tsushimas leider keinen heldenhaften Einzelkämpfer wie Jin, der den Mongolen das Leben schwer machte. Auch Jins Gegenspieler Khotun Khan ist frei erfunden. Die Invasion wurde von einem anderen Enkel Dschingis Khans angeführt, nämlich von Kublai Khan. Einen Fürst Shimura oder gar einen Shimura Clan gab es ebenfalls nie.

Waffen

Das Spiel fokussiert sich auf den Kampf als Samurai mit Katana und Bogen. Später erlernt Jin weitere Mittel im Kampf wie vergiftete Blasrohre oder Sprengbomben.

Richtig:

Der Bogen, den Jin im Spiel verwendet, war zum Ende des 13. Jahrhunderts wohl so in Japan verbreitet. Ebenso korrekt ist, dass zu dieser Zeit Waffen wie vergiftete Blasrohre oder Sprengbomben eingesetzt wurden. Zwar nicht von den Japanern, aber von den Mongolen. Da die Japaner durch die Invasion lernten, die Kriegskunst des Gegner zu adaptieren, ist es sogar historisch sehr genau, dass Jin diese Mittel der Mongolen studierte und kopierte.

Realität:

Samurai verwendeten Schwerter erst später als Hauptwaffe. Die Krieger verliessen sich eine lange Zeit auf den Bogen als Waffe ihrer Wahl. Ebenso die Mongolen, welche ihrerseits gefürchtete Bogenschützen waren und das Schiessen vom Pferd aus beherrschten.

Zwar gab es zur Zeit um die mongolische Invasion bereits Langschwerter aber nicht in Form eines Katanas wie im Spiel dargestellt. Die Entwicklung des Katanas beruht auf der Invasion der Mongolen, denn die Japaner hatten Problemen mit den dicken Lederrüstungen der Angreifer und so mussten sich Japans Schmiede etwas neues einfallen lassen. Woraus dann später die berühmte gebogene Klinge entstand.

Ein Katana, wie es Jin im Spiel schwingt, wurde in der Realität erst später entwickelt.
Ein Katana, wie es Jin im Spiel schwingt, wurde in der Realität erst später entwickelt.
Bild: Sucker Punch

Samurai Kodex

Im Game dreht sich viel um den Kodex der Samurai. Fürst Shimura brachte Jin schon von Kindesalter bei, dass nur der Kampf von Angesicht zu Angesicht ehrenvoll ist. Die Samurai werden als ehrenvolle Krieger und Beschützer des Volkes und Landes dargestellt.



Richtig:

Bis zur mongolischen Invasion wurden viele Auseinandersetzungen in Japan im Kampf Mann-gegen-Mann entschieden. Der direkte Kampf von Angesicht zu Angesicht galt als Teil der Kultur.

Realität:

Der Verhaltenskodex der Krieger, den wir als «Bushido» kennen wurde erst um das 16. Jahrhundert erstmals erwähnt. Viele Historiker glauben, dass dabei einiges romantisiert wurde. Es ist gut möglich, dass die Samurai auf Tsushima strikt nach einem Kodex lebten, aber sie waren auch nur Menschen und so wurde auch unter Samurai betrogen, gemeuchelt und hintergangen.

Die Samurai waren ein wichtiger und verehrter Teil der Gesellschaft im alten Japan. Um die Zeit der mongolischen Invasion waren es aber einfach die Soldaten der Fürstenfamilie und all ihre Tradition und Kultur entwickelte sich erst später.

Frauen

«Ghost of Tsushima» zeigt Frauen als Kämpferinnen und als Anführerinnen eines Samurai Clans.

Richtig:

Eine Frau, welche Jin in die Schlacht begleitet, wäre nicht undenkbar im alten Japan. Auch, dass eine Frau die Kampfkunst beherrscht, war keine Seltenheit.

Realität:

Im alten Japan waren die Rollen zwar klar verteilt, wenn es um den Krieg ging. Nur Männer konnten Samurai oder Oberhaupt eines Clans werden. Die Frauen waren dazu bestimmt sich um das Haus und die Familie zu kümmern. Es war aber einer Frau nicht grundsätzlich verboten, sich am Krieg zu beteiligen, nur halt nicht als Samurai. Weil die Frauen ihre Familie schützen mussten, wurden viele auch im Umgang mit Waffen trainiert und einige setzten sich mit ihrem Können und Wissen gar soweit durch, dass sie das Oberhaupt eines Clans wurden.

Frauen konnten sich schon im alten Japan im Krieg beteiligen.
Frauen konnten sich schon im alten Japan im Krieg beteiligen.
Bild: Sucker Punch

Haiku

Jin kann im Spiel besondere Orte aufsuchen und Haikus schreiben. Haikus sind eine japanische Form der Dichtkunst und bestehen aus drei Wortgruppen von 5 – 7 – 5 Moren (In etwa zu vergleichen mit einer Silbe).

Richtig:

Haikus gibt es und die im Spiel gezeigten sind sogar recht nett.

Realität:

Haikus, wie wir sie heute kennen, entstanden erst im 16. Jahrhundert. Jin hätte vielleicht etwas gedichtet aber nicht in 5-7-5 Form oder so tiefgründing. Hier lügt das Spiel wie gedruckt.

Fazit

Sucker Punch nimmt sich zwar einige kreative Freiheiten, vorallem was die Hauptpersonen angeht, bleibt aber an vielen Stellen der Geschichte treu. Die Wahl der Waffen ist hierbei eine der grösseren kreativen Freiheiten, denn die Samurai hätten nie so wie im Spiel mit Katanas gekämpft, sondern die Mongolen mit ihren Kurzbogen unter Beschuss genommen. Das Spiel wäre aber ein komplett anderes, wenn Jin nur mit einem Bogen über die Insel wandern würde und es sei dem Spiel absolut verziehen hier die Geschichte etwas umzugestalten.

Wenn wir an Samurai denken, dann haben wir ein klares Bild im Kopf und zu 99 Prozent hat das mit einem Katana zu tun. So wie jeder Cowboy einen Revolver und Sporen trägt und jeder Wikinger zwei Äxte schwingt und Hörner am Helm hat. Das stimmt vielleicht nicht immer mit der Realität überein, wäre oft aber auch langweiliger als die Fantasie.

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