Lockdown-Effekt Häufigere Suchanfragen zu häuslicher Gewalt lassen Schlimmes befürchten

Von Dirk Jacquemien

18.1.2022

Die meisten Fälle von häuslicher Gewalt bleiben verborgen.
Die meisten Fälle von häuslicher Gewalt bleiben verborgen.
Getty Images

Eine Studie kommt anhand von Google-Daten zu dem Schluss, dass der Corona-Lockdown zu deutlich mehr häuslicher Gewalt geführt hat, als dies Expert*innen ohnehin schon befürchtet hatten.

Von Dirk Jacquemien

18.1.2022

Schon mit dem ersten Corona-Lockdown kamen Sorgen auf, dass die Isolation und kontinuierliche räumliche Nähe zu mehr häuslicher Gewalt führen. Diesen Sorgen schienen bestätigt, als nach dem Lockdown-Ende die Belegungszahlen in den Frauenhäusern in die Höhe schossen.

In den harten Zahlen der Kriminalitätsstatistik war ein Anstieg aber kaum ersichtlich. Die erfassten Straftaten in diesem Bereich stiegen in der Schweiz 2020 im Vergleich zum Vorjahr nur sehr moderat an. Für diese scheinbare Dissonanz gibt es mehrere Erklärungsversuche, zuvorderst, dass es durch die reduzierten Kontakte in der Coronazeit weniger Möglichkeiten für Dritte, seien es Schule, Arbeitsplatz oder Freundeskreis, gäbe, häusliche Gewalt zu erkennen.



80 Prozent der Fälle bleiben unentdeckt

Schon vor Corona kam eine Studie des Bundesamtes für Justiz zu dem Schluss, dass nur 20 Prozent der Fälle von häuslicher Gewalt der Polizei gemeldet werden. Eine Studie des deutschen Ifo-Instituts, die Suchanfragen zum Thema häuslicher Gewalt bei Google mit gemeldeten Straftaten bei der Londoner Polizei verglich, suggeriert nun, dass die Pandemie diese Dunkelziffer nochmal deutlich erhöht haben könnte.

Die Forscher wählten London, weil es hier tagesgenaue Statistiken über Anzeigen von Straftaten gibt. Zunächst wurde der Vor-Coronazeitraum von 2015 bis 2019 betrachtet. Hierbei konnte eine Korrelation zwischen den Suchanfragen bei Google und den Anzeigen bei der Polizei beobachtet werden. Mehr Suchanfragen führten auch zu mehr Anzeigen. Die Korrelation blieb auch bei den bekannten Schwankungen häuslicher Gewalt stabil.

So hat etwa das Wetter eine starke Auswirkung auf die Häufigkeit von häuslicher Gewalt: Hitze macht viele Menschen aggressiver.

Tatsächlicher Anstieg um 40 Prozent

Doch der Corona-Lockdown führte zu einer Entkoppelung. Anstiege bei Google führten nun zu einem geringen Anstieg der Anzeigen. Aufgrund der Google-Daten gehen die Forscher daher von einem tatsächlichen Anstieg der häuslichen Gewalt um 40 Prozent aus, sieben- bis achtmal höher als in den offiziellen Statistiken.

Der Lockdown im Frühjahr 2020 war in Grossbritannien deutlich härter als in der Schweiz, so dass die Ergebnisse wohl nicht eins zu eins übertragbar sind. Dennoch zeigt die Studie, dass ein ausschliessliches Betrachten von Kriminalitätsstatistiken ein unvollständiges Bild über das Ausmass von häuslicher Gewalt liefert.