Hype um ChatGPT Google steht mit eigenem Chatbot in den Startlöchern

AP/toko

6.2.2023 - 00:00

Zoubin Ghahramani ist der Vizepräsident der Forschungsabteilung von Google. Der Druck auf den Internetriesen wächst.
Zoubin Ghahramani ist der Vizepräsident der Forschungsabteilung von Google. Der Druck auf den Internetriesen wächst.
AP Photo/John Minchillo (Archivbild)

Der neue KI-Textgenerator ChatGPT stösst auf riesiges Interesse. Der Google-Konzern will ebenfalls mitmischen, hält sich aber derzeit noch zurück – und lässt sein Modell zunächst von Schriftstellern testen.

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Vor der Vorstellung des Chatbots ChatGPT testete der Schriftsteller Robin Sloan einen ähnlichen KI-Schreibassistenten von Google. Schnell stellte der Autor des Bestsellers «Die sonderbare Buchhandlung des Mr. Penumbra» fest, dass er mit dem Textgenerator wenig anfangen konnte. «Die moderne Künstliche Intelligenz ist oft so beeindruckend und weckt hohe Erwartungen», sagt Sloan. «Aber dann enttäuscht sie dich in vielerlei Kleinigkeiten, und du merkst, dass sie keine Ahnung hat, was abgeht.»

Ein anderes Unternehmen hätte die Software möglicherweise trotzdem auf den Markt gebracht, so wie das Start-up OpenAI es Ende vergangenen Jahres mit ChatGPT getan hat. Doch der Internetgigant Google war vorsichtiger – trotz eines wachsenden Konkurrenzdrucks gegenüber dem Rivalen Microsoft, der Milliarden Dollar in den Partner OpenAI steckt und dessen KI-Technologie in die eigenen Produkte integriert.

Doch langsam beginnt dieser Druck seinen Tribut zu fordern. Laut einem internen Memo, über das jetzt der Sender CNBC berichtete, wies Google eines seiner KI-Teams an, «die Arbeit an einer Reaktion auf ChatGPT zu priorisieren». Dass ein öffentlicher Chatbot in Vorbereitung ist, wollte der Konzern zwar nicht bestätigten. Sprecherin Lily Lin sagte jedoch, Google arbeite weiter «an der internen Testung unserer KI-Technologie, um sicherzustellen, dass sie nützlich und sicher ist, und wir freuen uns darauf, weitere Erfahrungen bald extern zu teilen».

Millionen probieren ChatGPT

Einige der technischen Durchbrüche in der gehypten generativen KI, die ganze Absätze von lesbarem Text ebenso produzieren kann wie neue Bilder, Musik und Videos, stammen aus der riesigen Forschungsabteilung von Google. «Wir haben grosses Interesse an diesem Gebiet, aber wir haben auch grosses Interesse daran, nicht nur führend zu sein bei der Generierung neuer Inhalte, sondern auch bei der Qualität der Informationen», sagte Zoubin Ghahramani, Vizepräsident für Forschung bei Google, im November in einem AP-Interview. Das Unternehmen wolle auch daran gemessen werden, was es auf den Markt gebe und wie: «Wollen wir es so zugänglich machen, dass Leute unkontrolliert Zeug en masse produzieren können? Die Antwort ist nein, nicht in diesem Stadium. Es wäre nicht verantwortungsvoll von uns, das voranzutreiben.»

Und das tat Google auch nicht. Vier Wochen nach dem AP-Interview veröffentlichte OpenAI ChatGPT kostenlos für alle Internetnutzerinnen und -nutzer. Millionen Menschen weltweit haben den Generator inzwischen ausprobiert, an Schulen und in Büros entbrannten Diskussionen über die Folgen für Bildung und Arbeit.

Keine Chance gegen Menschen

Als Schreibassistent für literarische Texte kämen weder ChatGPT noch das Pendant von Google an die Fähigkeiten des Menschen heran, sagt Schriftsteller Sloan. Google hatte in fiktionalisierter Form eine tragende Rolle gespielt in Sloans 2012 erschienenem Roman über einen geheimnisvollen Buchladen in San Francisco. Das war vermutlich der Grund dafür, dass das Unternehmen den Autor zusammen mit mehreren weiteren Schriftstellern eingeladen hatte, sein experimentelles Tool Wordcraft Writers Workshop zu testen.

Der Google-Generator beruht auf dem KI-Sprachmodell LaMDA. Dieses kann ähnlich wie etwa die GPT-Linie von OpenAI überzeugende Textpassagen liefern und mit Menschen kommunizieren. Auch Amazon und die Facebook-Mutter Meta haben Modelle aufgebaut, die Sprachassistenten wie Alexa verbessern, den nächsten Satz einer E-Mail vorhersagen und Sprachen in Echtzeit übersetzen können. Als Google sein LaMDA-Modell 2021 erstmals vorstellte, betonte der Konzern dessen vielseitige Verwendbarkeit. Er wies aber auch auf das Risiko eines schädlichen Missbrauchs hin sowie auf die Möglichkeit, dass das Tool verzerrte, hasserfüllte und irreführende Informationen nachahmen und verstärken könnte.

Einige der Wordcraft-Tester bewerteten die Software als nützliches Recherchewerkzeug – ähnlich einer schnelleren und bestimmteren Version einer Google-Suche. Sie fragten etwa nach einer Liste von «Kaninchenrassen und ihren magischen Eigenschaften», nach einem «Verb für das, was Glühwürmchen tun» oder «Erzähl mir vom Venedig im Jahr 1700», wie aus einem Google-Papier über das Projekt hervorgeht. Als Schreiber erwies sich das Programm aber als weniger nützlich: Hier produzierte es langweilige Sätze voller Klischees und einiger geschlechtsspezifischer Vorurteile.

«Ich glaube ihnen, dass sie achtsam und vorsichtig sind», sagt Autor Sloan über Google. «Sie wollen diese Sache nicht einfach leichtsinnig und ohne Rücksicht möglichst schnell in die Welt bringen.»

Ganz ohne Schärfe verlief indes auch bei Google die Entwicklung dieser Modelle nicht. Zunächst entliess das Unternehmen mehrere prominente Forscher, die die Risiken der Technologie untersuchten. Und im vergangenen Jahr wurde ein Ingenieur gefeuert, weil er eine Konversation mit LaMDA öffentlich gepostet hatte: Darin hatte das Modell fälschlich behauptet, über ein menschenähnliches Bewusstsein zu verfügen und Gefühle zu empfinden.