Dating-AppKatholischer Priester als Grindr-Nutzer enttarnt
Von Dirk Jacquemien
21.7.2021
Ein ranghoher katholischer Priester in den USA ist zurückgetreten, nachdem er als Nutzer der schwulen Dating-App Grindr enttarnt wurde. Wie dies bekannt wurde, ist erschreckend.
Von Dirk Jacquemien
21.07.2021, 13:47
21.07.2021, 15:41
Dirk Jacquemien
Der Generalsekretär der US-amerikanischen Bischofskonferenz, der katholische Priester Monsignore Jeffrey Burrill, ist zurückgetreten. Der katholische Newsletter «The Pillar» hatte berichtet, dass Burrill über Jahre hinweg die schwule Dating-App Grindr genutzt habe.
Das ist zweifellos ein Verstoss gegen das für katholische Priester verpflichtende Keuschheitsgebot und mit Burrills Position wohl nicht vereinbar. Brisanter ist allerdings, wie die Angelegenheit bekannt wurde. Denn offenbar wurden vermeintlich anonyme Daten, die Grindr an Datenhändler weiterverkaufte, Burrill zum Verhängnis.
Werbe-ID ist nicht wirklich anonym
«The Pillar» verrät nicht ein Detail, wie und von wem es die Informationen zu Burrills Grindr-Nutzung bekommen hat. Man habe «kommerziell erhältliche App-Daten» erhalten, die Standortdaten und eine individuelle ID umfasst hätten. Mit einer solchen Advertising-ID kann ein bestimmtes Gerät eindeutig identifiziert werden.
Nominell ist diese ID nicht mit einer Person verbunden, aber mit etwas Aufwand, der hier offensichtlich aufgebracht wurde, ist es durchaus möglich, diese IDs einzelnen Nutzer*innen zuzuordnen. Dennoch hat Grindr bis vor Kurzem solche sensible Daten an Drittunternehmen weiterverkauft. Nach eigenen Angaben wurde diese Praxis im April 2020 eingestellt.
Laut «The Pillar» war die Burrill zugeordnete Advertising-ID in 2018, 2019 und 2020 vielfach in Grindr eingeloggt, sowohl an seinem Wohnort als auch am Arbeitsplatz im Büro der Bischofskonferenz. Auch in Schwulenbars sei Burrill anhand der Standortdaten gewesen.
Grindr war schon in zahlreichen Datenskandale verwickelt. Wegen des Verkaufs der Advertising-ID in Zusammenhang mit weiteren Daten wie dem Standort wurde gegen Grindr in Norwegen im Januar eine Busse von umgerechnet rund zehn Millionen Franken verhängt. Die norwegische Datenschutzbehörde skizzierte genau ein Szenario wie im aktuellen Fall als ein Beispiel für potenziellen Missbrauch der Daten.
Dennoch ist erstaunlich, wie detailliert hier die Aktivitäten von Burrill über Jahre hinweg nachvollzieht werden konnten. Der Priester wurde offenbar Opfer einer zielgerichteten Kampagne, möglicherweise von innerkirchlichen Gegner*innen.
Die katholische Kirche in den USA ist tief gespalten, zwischen Anhänger*innen des eher moderaten Kurses von Papst Franziskus und erzkonservativen Kräften. Jüngst zeigte sich diese Spaltung in einer Diskussion um die Frage, ob man Joe Biden, dem ersten katholischen Präsidenten seit John F. Kennedy, die Teilnahme an der Kommunion gestatten dürfe. Weil dieser Frauen ein Recht auf Schwangerschaftsabbrüche zugestehe, wollen ihn zahlreiche US-Bischöfe vom Abendmahl ausschliessen, obwohl sich Franziskus selbst gegen diesen Schritt aussprach.
«The Pillar» scheint auch von persönlichen Animositäten gegenüber Burrill und schnöder Homophobie motiviert gewesen zu sein. In dem Artikel wird immer wieder ein Zusammenhang zwischen Homosexualität und Kindesmissbrauch insinuiert, eine seit Langem diskreditierte Theorie. Andere katholische Medien bezeichnen den Bericht daher als «unethisch».