Niemand dreht mehr an der Uhr Zeit für Schaltsekunde ist abgelaufen

Von Dirk Jacquemien

22.11.2022

An den Uhren soll zumindest für die Schaltsekunde nicht mehr gedreht werden.
An den Uhren soll zumindest für die Schaltsekunde nicht mehr gedreht werden.
Getty Images

Erfolg für die Tech-Giganten im Kampf gegen die Zeit selbst. Die ihnen so lästige Schaltsekunde wird bis mindestens 2135 ins Time-out geschickt.

Von Dirk Jacquemien

Von der leidigen Zeitumstellung halbjährlich mal abgesehen, werden die Uhren zukünftig in Ruhe gelassen. Denn auf einer Konferenz des Internationalen Büros für Mass und Gewicht (BIPM) in Versailles haben die teilnehmenden Länder entschieden, die Schaltsekunde mindestens bis 2135 auszusetzen.

Für diesen Schritt haben sich vor allem die grossen Tech-Giganten – unterstützt von der US-Regierung – eingesetzt. Denn Schaltsekunden haben regelmässig für Chaos in komplexen Server- und Computeranlagen gesorgt.

Erde dreht sich nicht nach Plan

Schaltsekunden entstanden zusammen mit der Einführung der Atomuhr und der koordinierten Weltzeit (UTC). Dabei wurde entdeckt, dass ein Tag, also die Rotation der Erde um sich selbst, eben nicht ganz genau jene 86'400 Sekunden oder 24 Stunden dauert, wie sie von der Atomuhr angegeben werden.

Stattdessen gibt es täglich Abweichungen von wenigen Millisekunden, die sich aber summieren. 1972 wurden dann gleich zehn Sekunden der Uhr hinzugefügt, seitdem waren es in unregelmässigen Abständen 27 mehr. Zuletzt wurde am 31. Dezember 2016 eine Schaltsekunde eingefügt.

Kurzfristige Ankündigung

Das Einfügen wurde dabei üblicherweise nur rund sechs Monate vorher festgelegt. Das war ziemlich eng bemessen, um buchstäblich Millionen von Computersysteme vorzubereiten und führte immer wieder zu Problemen.

Vor allem Internet-Server wurden von der unerwarteten Sekunde irritiert, denn Computerprogramme brauchen eine lineare Zeit, um richtig laufen zu können. Auf der Plattform Reddit führte die Schaltsekunde 2012 zu einem Ausfall, ebenso beim Cloud-Anbieter Cloudfare 2017.

Problem in die Zukunft verschoben

Laut Beschluss des BIPM sollen nun ab 2035 Schaltsekunden der Vergangenheit angehören. Stattdessen sollen auch vergleichsweise grössere Abweichungen bis 2135 hingenommen werden. Was dann passieren wird, dürfte wohl zukünftigen Generationen überlassen sein. Möglicherweise wird dann einmalig eine Schaltminute eingefügt.

Vielleicht durchkreuzt aber auch das Universum die Pläne der auf Pünktlichkeit bedachten Menschheit. Seit 2016 war keine weitere Schaltsekunde mehr nötig, denn die Erdrotation hat sich in den letzten Jahren aus nicht ganz geklärten Gründen beschleunigt.

Statt wie zuvor langsamer als die Atomuhr dreht sie unser Planet nun schneller. Wenn sich das fortsetzt, wäre nach der alten Vorgehensweise sogar eine negative Schaltsekunde fällig, ein Tag wäre also um eine Sekunde kürzer.