Ukraine-Krise Versehentlich veröffentlichte Zensur-Regeln enthüllen Chinas Position

Dirk Jacquemien

23.2.2022

Hinter vorgehaltener Hand steht Chinas Präsident Xi (rechts) offenbar hinter seinem Amtskollegen Putin.
Hinter vorgehaltener Hand steht Chinas Präsident Xi (rechts) offenbar hinter seinem Amtskollegen Putin.
Keystone

China gibt sich in der Ukraine-Krise offiziell neutral. Doch versehentlich veröffentliche Zensurrichtlinien einer Parteizeitung enthüllen, wo Pekings Sympathien wirklich liegen.

Dirk Jacquemien

23.2.2022

In der Ukraine-Krise versucht sich China in der Öffentlichkeit als neutral darzustellen. Bei einer Sondersitzung des UN-Sicherheitsrates nach der Anerkennung der Separatistenrepubliken durch Russland rief der chinesische Botschafter Zhang Jun die Parteien dazu auf, eine «vernünftige Lösung» zu finden und den jeweiligen «Sorgen» durch «gegenseitigen Respekt» zu begegnen.

Die chinesische Führung ist wohl tatsächlich in einem Zwiespalt. Einerseits wurde die wirtschaftliche und politische Kooperation mit Russland in den vergangenen Jahren deutlich ausgebaut, auch um sich gemeinsam gegen den Westen stellen zu können. Andererseits kann China angesichts von Tibet, Xinjiang oder Hongkong kaum öffentlich auch nur einen Hauch an Sympathie für separatistische Bestrebungen bekunden. Doch nun publik gewordene Zensurrichtlinien einer Parteizeitung zeigen, dass China wohl doch nicht so unvoreingenommen ist, wie es sagt.

Keine «unvorteilhaften» Posts zu Russland

Auf dem Weibo-Account von «Horizon News», einer Online-Publikation der von der Kommunistischen Partei betriebenen Tageszeitung «Xīn Jīng Bào» («Neue Pekinger Nachrichten»), wurde offenbar versehentlich die Handreichung zum Umgang mit Social Media-Posts zur Ukraine-Krise veröffentlicht.

Die Richtlinie richtet sich an die Mitarbeiter*innen von «Horizon News». Demnach sind keine Posts gestattet, die «unvorteilhaft» gegenüber Russland sind. Im gleichen Zug sind auch «pro-westliche» Posts untersagt. Bei Leserkommentaren soll ebenso darauf geachtet werden, dass nur «geeignete» Kommentare durchgelassen werden.

Massiver Zensurapparat

Die Anweisungen wurden offenbar vom Management von «Horizon News» formuliert, basieren aber mutmasslich auf der von der Parteispitze vorgegebenen Linie. Der Zensurapparat in China ist massiv und betrifft jedes vorstellbare Medium der Meinungsäusserung, von Videospielen bis zu Dating-Apps.

Dabei sind die Plattformen und Medien in der Regel selbst für die Durchführung der Zensur verantwortlich, beschäftigen Heerscharen an Moderator*innen, um die Vorgaben der Partei umzusetzen und bauen auf Künstliche Intelligenz. Schafft es doch mal eine nicht genehme Äusserung durchs enge Netz, drohen den Plattformen strenge staatliche Sanktionen.