Jake Gyllenhaal spielt Terror-Opfer Jake Gyllenhaal spielt Terror-Opfer: «Ich weiss nicht, ob ich sowas überstanden hätte»

von Roland Meier, Redaktor

19.4.2018

In seinem neuen Film «Stronger» (ab Donnerstag, 19. April im Kino) verkörpert Jake Gyllenhaal (37) Jeff Bauman (32), der beim Anschlag auf den Boston-Marathon beide Beine verlor. «Bluewin» sprach mit dem Hollywoodstar über die Emotionen beim Dreh, die Kraft der Liebe und Vorbilder.

«Bluewin»: Jeff Bauman wurde durch das ikonisch gewordene Bild berühmt, das ihn bei der Rettung zeigt. Schreckliche Ereignisse bleiben ja oft durch eindrückliche Bilder im Gedächtnis hängen. Wie haben Sie den Anschlag auf den Bostoner Marathon erlebt?

Jake Gyllenhaal: Ich erinnere mich an das Bild. Ich habe damals die Nachrichten geschaut wie jedermann, der nicht direkt involviert war. Nie hätte ich gedacht, dass sich unsere Lebenswege jemals kreuzen würden.

Sie waren für «Stronger» auch als Produzent tätig. Wieso wählt man Jeff Bauman als Thema?

Jede Geschichte hat ein Eigenleben. Dieser Mann wurde durch ein Pressebild bekannt, das für ein bestimmtes Ereignis stand. Als ich das Drehbuch gelesen habe, war ich überrascht, dass Jeff trotz all der Komplikationen seinen Humor beibehielt. Ich «verliebte» mich in was er darstellt und wie er darum kämpft, auch nur ein paar Schritte zu machen, was für ihn besonders schwer war. Ich wollte die Rolle nicht nur spielen. Ich wollte auch, dass diese Geschichte auf einer Leinwand erzählt wird.

War es angsteinflössend, Jeff Bauman zu spielen?

Absolut. Ich selber weiss nicht, ob ich das, was er erlebt hat, hätte überstehen können. Vor unserem ersten Treffen in einem Restaurant wollte ein Teil von mir schlicht alles über ihn wissen, während der andere nur davonrennen wollte. Wir haben alle schon mal erlebt, dass wir einer Situation gerecht werden möchten, ohne sie zu beschönigen. Ich hatte Selbstzweifel, merkte dann aber auch, dass es ihm nicht anders erging.

Wie geht man die Rolle eines Beinamputierten als Schauspieler an?

Zuerst war es eine intellektuelle Annäherung durch Einlesen. Ich habe mich schon vorab über Menschen informiert, denen beide Beine über dem Knie amputiert wurden. Und ich verbrachte mehr als ein Jahr mit Jeff Bauman und den Medizinern, die ihm erst geholfen haben zu überleben und ihm danach im wahrsten Sinne des Wortes wieder «auf die Beine» halfen. Durch Zuhören habe ich versucht, diese Energie auf meinen Körper zu übertragen und alles bestmöglich zu portraitieren – auch mit der Hilfe eines unglaublichen Teams. Make-up, Spezialeffekte, der Kameramann und die Requisiten haben es real erscheinen lassen. Details waren wichtig. Ich wollte, dass Menschen, die so etwas durchgemacht haben, denken: «Genau so ging es mir auch!»

Wie wurde die Amputation technisch im Film umgesetzt?

Auf ganz unterschiedliche Weise. Manchmal hatten wir Löcher im Boden, in denen ich meine Beine verstecken konnte. Im Rollstuhl wurde meine Beine unter dem Sitz verborgen. Es gab grüne Socken, die vom Team für die visuellen Effekte wegretouchiert werden konnten. Pseudo-Prothesen kamen direkt auf meine Beine. Mir fiel bei Jeff auf, wie er sich bewegt. Menschen, die noch beide Beine haben, tragen ein Gewicht mit sich herum, das Amputierten schlicht fehlt. Dadurch war bei ihm alles schneller. Das habe ich so in einem Film noch nie gesehen. Ich wollte das nachstellen.

«Stronger» erzählt auch von zwei Leuten, die sich zu binden versuchen. Kann Liebe alles überwinden?

Das ist relativ und kommt auf die Situation an. War es die Liebe, die Jeff wieder zum Laufen gebracht hat? Ich glaube, ja. Sie war aber auch gepaart mit Angst, Zweifeln und einem speziellen Lebenswillen. Ganz viele Gefühle haben es Jeff ermöglicht, wieder zu leben und schliesslich sogar ein besseres Leben zu haben als vor dem Anschlag.

War es ein emotionaler Dreh?

Ja, definitiv! Vollgepackt mit viel Lachen, aber auch Tränen, etwas Blut und einer Menge Schweiss. Da gibt es die Stadt [Boston. Anm. d. Red.], die immer noch unter der Situation leidet, und die Familie, der wir es recht machen wollten. Und – für mich im Zentrum – einen Menschen, den ich so sehr bewundere, von dem ich so viel lernte. Du spielst jemanden, von dem du weisst, dass er stärker ist als du. Du weisst aber auch, dass es für die Familie mehr ist als nur ein Film.

Waren Sie nervös, als Jeff Baumans Familie den Film zum ersten Mal sah?

Sie haben ihn letzten Juli gesehen. Ich war die ganze Zeit nervös. Es ist grundsätzlich schwierig, Jeff zu spielen. Was immer ich in meinem Leben erleben werde, ich werde den Schmerz, den er erlebte, niemals spüren können. Doch Jeff sagte: «Gut gemacht!».

Warum sind positive Vorbilder wie Jeff Bauman heute wichtig?

Wir werden für Aussergewöhnliches gelobt. Wir versuchen, immer besser zu werden, mehr zu bekommen, höher zu steigen. Oft sind es aber die einfachen Dinge, für die wir uns selbst und andere beklatschen sollten. Wir waren mit «Stronger» am Toronto Film Festival. Am Ende der Vorstellung war das Rampenlicht auf Jeff gerichtet. Er fragte mich, was er tun solle. Ich sagte: «Steh einfach auf!» – und war mir der Ironie der Situation gar nicht bewusst. Er stand aber auf und 2800 Leute taten es ihm gleich, nachdem sie den Film gesehen hatten und realisierten, was es für ihn bedeutet, einfach nur zu stehen. Sein Triumph war, im Stande sein, zu stehen. Ich eile oft von einem zum nächsten Termin und schenke den kleinen Dingen nicht die Aufmerksamkeit, die sie verdienen würden. Darum gehts im Film – und den unglaublich langen Weg, den es braucht, um zu diesem wunderbar positiven Moment zu kommen. Heute, gestern, morgen. In hundert Jahren. Positivität wird hoffentlich nicht verschwinden – auch wenn es manchmal so erscheint.

«Stronger» läuft ab Donnerstag, 19. April, in unseren Kinos.

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