Interview Moritz Bleibtreu: «Ich wollte immer Bruce Lee sein»

Von Carlotta Henggeler

22.10.2020

Im Thriller «Cortex» ist Moritz Bleibtreu im eigenen Albtraum gefangen. Im Interview erzählt er, was Quentin Tarantino mit seinem Film zu tun hat und warum das Drehbuchschreiben wie Sudoku lösen war.

Herr Bleibtreu, wie ist die Idee zu ‹Cortex› entstanden? Was war die Inception?

Moritz Bleibtreu: Die Grundidee war ein psychologischer Bodyswitch. Ich habe mich gefragt, warum hat das noch nie jemand auf die Leinwand gebracht? Man kennt das Genre seit den 1940er-Jahren und es ist immer lustig. Ein Mann ist im Körper einer Frau gefangen oder im Körper eines Dicken. Diese Idee hatte ich schon lange.

Wie lange?

Schon in meiner Kindheit war ich ein Tagträumer – ich wollte nicht ich selbst sein. Ich wollte immer der coole Typ aus der Parallelklasse oder Bruce Lee sein. Dann habe ich überlegt, wie könnte es zu einem psychologischen Bodyswitch, kommen? Da kam mir die Idee zu ‹Cortex›, einer träumt von dem Anderen und wird zu ihm – im Traum.

Sie haben das Drehbuch von ‹Cortex› geschrieben, Regie geführt und die Hauptrolle gespielt. Wie haben Sie das geschafft?

Ich wollte gar nicht selbst mitspielen. Das Ganze war meiner Nicht-Erfahrung als Regisseur verschuldet. Wenn man einen starken Partner hat, wie wir, dann kann es mit der Finanzierung schnell gehen. Wir mussten plötzlich drehen und hatten noch keinen Hauptdarsteller. Das war Fluch und Segen gleichzeitig.

Warum?

Beim Casten habe ich niemanden gefunden, bei dem es richtig Klick gemacht hat. Beim Schreiben war ich so blöd, nicht an den Schauspieler zu denken. Bevor ich jemanden nehme, bei dem ich mir nicht zu 100 Prozent sicher bin, spiele ich lieber selber und dann muss ich mir vorwerfen, mich fehlbesetzt zu haben. Ausserdem war es auch für die Produktion gut. Wir haben den Bleibtreu ganz billig bekommen. (lacht)

«Cortex» ist Moritz Bleibtreus erste Regie-Arbeit: «Da sehe ich mich in der Spielberg-Tradition», erzählt der Hamburger über sein Debüt.
«Cortex» ist Moritz Bleibtreus erste Regie-Arbeit: «Da sehe ich mich in der Spielberg-Tradition», erzählt der Hamburger über sein Debüt.
Warner Bros.

Wie war der Schreibprozess?

Die Initialzündung für die Narrative war ‹Memento›, deswegen werden im Film auch ‹Inception› und Christopher Nolan zitiert. Er hat die Erzählstrukturen im Kino voll auf den Kopf gestellt. Ich habe das auch immer schon in der Literatur gemocht, wenn eine Geschichte verschiedene Wendungen nimmt. Das mag ich unheimlich gerne, kommt aber in der Filmwelt fast nicht vor. Es ist anstrengend so etwas zu schreiben, weil du nicht emotional schreibst, es ist wie Sudoku, also Fleissarbeit. Und ich wollte, wie Tarantino immer sagt, einen Film auf einer Leinwand sehen, den ich gerne mal sehen würde.

Apropos Regie führen, sehen Sie den Beruf jetzt mit anderen Augen?

Ich sehe die Art, wie man diesen Beruf ausüben könnte, jetzt klarer. Ich sehe mich als Regisseur klarer. Ich weiss, was ich für eine Art Regisseur bin.

Sind Sie ein angenehmer Regisseur?

Ja, glaub schon. Keiner, der die Dinge an sich reisst. Es gibt Regisseure, die arbeiten auf eine sehr egozentrische Art. Ich sehe mich da eher in der Spielberg-Tradition. Nicht, um mich mit Herrn Spielberg zu vergleichen.

Wie meinen Sie das?

Wie er Filme macht. Er delegiert. Er guckt da nicht noch zehnmal drauf, weil er weiss, er hat Janusz Kamiński an der Kamera. Er hat es über die Jahrzehnte geschafft, sich einen Stamm von Leuten aufzubauen, die so gut sind, da musst du gar nicht mehr draufschauen.

Moritz Bleibtreu am diesjährigen Zurich Film Festival.
Moritz Bleibtreu am diesjährigen Zurich Film Festival.
Getty

‹Cortex› spielt in Hamburg, Ihrer Heimat. Was spielt die Stadt für eine Rolle?

Gar keine. Schön war zu sehen, dass die Stadt so vielseitig ist, dass du alles drehen kannst. Wir haben uns aber Mühe gegeben, die Story aus Hamburg wegzuholen. Es ist eine Geschichte, die überall spielen könnte, da gibt es keinen Lokalbezug.

Sie sind schon lang im Filmbusiness, hatten Sie bei ‹Cortex› trotzdem einen Aha-Moment?

Als Schauspieler, gerade als Hauptdarsteller, hat man den Streifen ja nicht geschrieben oder inszeniert. Dann kommst du mal an einem Punkt, wo du sagst, irgendwann mal mach ich es so, wie ich es mir vorstelle.

Wollen Sie in Zukunft lieber vor oder hinter der Kamera stehen?

Ich werde immer Schauspieler sein, das ist meine Mitte, meine grosse Leidenschaft. Wenn man mich nach ‹Cortex› noch lässt und mir Gelder anvertraut, würde ich auch gerne weiterhin Filme schreiben und inszenieren.

Gibt es da schon Ideen?

Ja, gibt’s! Etwas ganz anderes, eine Tragik-Komödie, lange Szenen, viel Dialog und lustig.

«Cortex» läuft ab heute in den Kinos.

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