Kolumne am Mittag Warum «Pretty Woman» unschön gealtert ist

Von Fabian Tschamper

10.9.2020

Die möglicherweise bekannteste Liebesgeschichte, die Hollywood je produziert hat, ist das Geturtel zwischen Julia Roberts und Richard Gere. Wirklich? Haben Sie sich den Film heutzutage mal angeschaut?

Der Finanzinvestor Edward (Richard Gere) trifft eines Abends – und freilich just nachdem er von seiner Geliebten sitzen gelassen wurde – auf die Prostituierte Vivian (Julia Roberts). Da er sich verfahren hat, nimmt er ihre Hilfe an und lässt sich zu seinem Hotel chauffieren. Am nächsten Tag entscheidet sich Edward dafür, Vivian für eine Woche als Begleiterin zu engagieren.

Und los geht die wunderschöne Geschichte eines Finanzhais und einer Prostituierten. Oder auch nicht, denn lassen Sie mich ein paar Dinge klarstellen.

Edward war ein Arsch. Er rollt seine Augen in Richtung Hotelpersonal, lässt einen verachtenden Spruch liegen. Im Restaurant bestellt er für Vivian, was nicht nur Kontrollfreak schreit, sondern seine Wahl könnte direkt aus einem Trash-TV-Format wie «Love Island» kommen. Thunfisch und Gurken? Und dann noch Schnecken? Zum Dessert Pfefferminz-Glacé?

Ach komm, Edward, du Schnösel. Musst du der minderbemittelten Prostituierten echt zeigen, wer der Hengst im Stall ist?

Was einem zudem wie Schuppen von den Augen fällt, ist die Unfreundlichkeit anderer Frauen im Film – die Blondinen sind allesamt Miststücke. Zufall, Herr Regisseur? Ich denke nicht.

Als Harry (Billy Crystal) auf Sally (Meg Ryan) traf, ging vielen Kinobesuchern das Herz auf.
Als Harry (Billy Crystal) auf Sally (Meg Ryan) traf, ging vielen Kinobesuchern das Herz auf.
Metro-Goldwyn-Mayer

Der Film zementiert das Klischee des Mädchens in der Not – das veraltete Gesellschaftsbild der schwachen Frau, die vom starken, weissen, reichen Mann gerettet und beschützt werden soll. Oder wie es Vivian ausdrückt: Wie Rapunzel aus dem Turm geholt werden.

Edwards immer währende Unhöflichkeiten gegenüber jeglichen Personals sollten eigentlich schon alles über den – mit Verlaub – Lackaffen aussagen.

Aus heutiger Perspektive lassen sich viele Szenen nicht mehr mit gutem Gewissen anschauen, die Filmemacher haben dabei aber per se nicht wirklich etwas falsch gemacht.

«Harry und Sally» hielten damals an ihrem Mantra fest, dass Männer und Frauen keine Freunde sein können. Alicia Silverstone machte in «Clueless» Gebrauch von ziemlich beleidigendem Slang. Romantische Komödien altern schlechter als Filme in anderen Genres. Und damit will ich nicht sagen, Männer durch strömenden Regen rennen zu sehen für die Frau, deren Herz sie gebrochen haben, sei kein Genuss mehr. Doch mit der Gesellschaft ändern sich auch die Filme.

Und manchmal bin ich in einer Kolumne auch einfach gerne eine Spassbremse.

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