«The Banshees of Inisherin» Macht man so mit einem alten Kumpel Schluss?

Von Marlène von Arx, Los Angeles

5.1.2023

Die Komödie «The Banshees of Inisherin» schildert die fatalen Folgen einer einseitig beendeten Freundschaft. Colin Farrell und Brendan Gleeson überzeugen – auch deshalb, weil sie selber miteinander befreundet sind.

Von Marlène von Arx, Los Angeles

5.1.2023

Es ist 1923 und auf dem fernen Festland hört man die Kanonen des Bürgerkriegs. Aber hier auf der fiktiven irischen Insel Inisherin hängt ein Regenbogen über einem malerischen Küstendorf und verspricht einen sonnigen Tag. Gutgelaunt macht sich Pádraic (Colin Farrell) wie gewohnt auf, seinen Kumpel Colm (Brendan Gleeson) im Pub zu treffen.

Aber etwas ist anders als sonst: Colm reagiert nicht auf Pádraics Klopfen, als dieser ihn zu Hause abholen will. Und als Colm später doch in der Kneipe hockt, erklärt er seine Distanziertheit mit einem schlichten «Ich mag dich einfach nicht mehr.» Das sitzt. Pádraic versteht die Welt nicht mehr. Er und Colm sind seit ewig beste Freunde – und urplötzlich aus heiterem Himmel mag ihn sein Kumpel nicht mehr? Er hat doch nie jemandem etwas zuleide getan.

Pádraic – naiv, sanftmütig und gemäss Colm zum Gähnen langweilig – hinterfragt Colms Motivation, aber vor allem auch sich selber. Und wie es sich für eine schwarze Komödie von Martin McDonagh («In Bruges», «Three Billboards Outside Ebbing, Missouri») gehört, spitzt sich die Lage zwischen den beiden dermassen zu, dass es irgendwann ans Lebendige geht.

«Ich bin froh, dass wir einmal eine Männerfreundschaft als etwas Wertvolles sehen», meinte Brendan Gleeson an der «The Banshees of Inisherin»-Pressekonferenz am Filmfestival von Venedig. «Besonders jetzt, da wir ja alle unsere Beziehungen [coronabedingt] neu evaluieren.»

Dass Colm nicht gerade den einfühlsamsten Weg für den Break-up wählt, ist ihm klar. Der Schauspieler hat aber auch ein gewisses Verständnis dafür. «Aus eigener Erfahrung von vor vielen Jahren weiss ich, dass die einfühlsame Trennung in absoluter Tortur endet. Man sendet die falschen Signale, wenn man nett ist. Es ist endlos und am liebsten möchte man zum Fenster rausspringen. Aber klar: Wenn man die Person ist, die verlassen wird, ist es auch nicht lustig. Letztlich gibt es keine gute Art sich zu trennen.»

Welche Erfahrungen hat Colin Farrell mit verschiedenen Trennungsmethoden gemacht? «Das beantworte ich nicht, sonst sind wir morgen noch da», sagt er mit einem Lachen. «Schön, wenn jemand ehrlich ist, aber ich bin immer noch nicht ganz darüber hinweg, wie Brendan mich als Colm behandelt hat. Auf so einer kleinen Insel kann man keinen einfach ghosten, da muss man sich mit der anderen Person auseinandersetzen.»

Der Film funktioniert nur mit echten Freunden

Martin McDonagh hatte die beiden Iren Farrell und Gleeson 2008 für «In Bruges» zusammengebracht und sie nun für die beiden Hauptrollen in «The Banshees of Inisherin» erneut gecastet, gerade weil sie seit dem ersten Film auch privat gut befreundet sind. «Wie rücksichtsvoll sie sonst miteinander umgehen, war eine gute Ausgangslage für den Film», sagt der Regisseur, der auch das Drehbuch schrieb. «Man spürt das von der ersten Minute an. Ich glaube nicht, dass das bei zwei Schauspielern ohne eine enge Beziehung möglich wäre.»

Es ist eine Freundschaft, die mit wenig wirklichen Zusammentreffen auskommt. Colin Farrell lebt in Los Angeles, Brendan Gleeson ausserhalb Dublins. «Die Technik hilft: Ich texte und schreibe E-Mails. Social Media habe ich keine und ich rede nicht gern am Telefon», erklärt Colin Farrell, wie er Kontakte mit Freunden aufrechterhält, während eines virtuellen Presse-Events mit seinem Co-Star Ende 2022.

«Ich habe Freunde seit meiner Geburt und solche seit meiner Schulzeit. Mit ihnen verbindet mich eine Freundschaft, die man nicht die ganze Zeit wie eine Pflanze giessen muss. Mit Brendan ist es ebenso.» Auch wenn sie sich mal eine Weile nicht sehen, können sie da anknüpfen, wo sie das letzte Mal aufgehört haben.

Sich gegenseitig zu provozieren, gehört dazu

Zudem respektieren sich die beiden als Berufskollegen. Der 67-jährige Gleeson sah in seinem zwanzig Jahre jüngeren Landsmann, der für «The Banshees of Inisherin» mit dem Darstellerpreis in Venedig ausgezeichnet wurde und als einer der Oscar-Favoriten gilt, schon immer eine besonders verwundbare Seele: «Colin kann die emotionalen Seiten unglaublich gut fassbar machen», meint er bewundernd.

«Ich habe seine Karriere explodieren sehen – so wie die Kids während meiner Harry-Potter-Jahre. In den Rollen, die er in den letzten Jahren gespielt hat, hat er immer Neues erkundet und war dabei unglaublich mutig.» – «Ah, wie lieb», sagt Farrell mit einem verlegenen Schmunzeln. «Habe ich dir schon gesagt, dass ich inzwischen [deine Serie] ‹Mr. Mercedes› gesehen habe? F*cking brilliant!! Brendan hat keine unehrliche Faser in seinem Körper – weder als Mann noch als Künstler.»

Einem Kompliment hier folgt eine Stichelei da. Sich hin und wieder gegenseitig zu provozieren, gehört auch bei der Arbeit dazu. Und das im besten Sinn: «Unser Job ist es, es für den anderen so schwierig wie möglich zu machen, seinen Text vor der Kamera aufzusagen», erklärt Gleeson.

In «The Banshees of Inisherin» wird offensichtlich, was er damit meint: Colin Farrell mit seinen traurigen Augen und brechendem Herzen gegenüberzusitzen und ihm eiskalt zu sagen, er habe keinen Platz mehr in seinem Leben, ist bestimmt eine von Brendan Gleesons grössten schauspielerischen Leistungen.

«The Banshees of Inisherin» ist ab 5. Januar im Kino zu sehen.


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