GriechenlandScheitern als Sprungbrett – Arianna Huffington wird 70
SDA
9.7.2020 - 10:53
Es gibt viele Gründe, bei der Medienunternehmerin Arianna Huffington nachzuhaken, was für sie Scheitern bedeutet. Der Stern ihres meistgefeierten Web-Projekts ist inzwischen verblasst. Die von ihr in den 70ern vertretene Anti-Feminismus-Bewegung ist im Sande verlaufen. 2003 ging eine Kandidatur als Gouverneurin von Kalifornien gegen den späteren Sieger Arnold Schwarzenegger gehörig daneben.
Und doch sagt Huffington häufig das Gleiche, wenn sie auf einer Kongressbühne oder in einem Interview auf das Thema Scheitern angesprochen wird: «Meine Mutter nannte Scheitern immer das Sprungbrett zum Erfolg.» Am Mittwoch (15. Juli) wird die 1950 in Athen geborene Gründerin der Journalismusplattform «Huffington Post» 70 Jahre alt.
Dieses offensiv Anpackende findet sich in vielen biografischen Stationen: Als Ariadne-Anna Stassinopoulos in Griechenland zur Welt gekommen, studiert sie Wirtschaftswissenschaften im britischen Cambridge und lernt 1971 beim Fernsehquiz «Face The Music» den doppelt so alten Starjournalisten Bernard Levin kennen. Beinahe ein Jahrzehnt lang bleiben sie zusammen, später schreibt sie, er sei «nicht nur die grosse Liebe meines Lebens, sondern auch mein Mentor als Journalistin und mein Vorbild als Denkerin».
1980 verlässt sie ihn und zieht in die USA, wo sie 1986 den konservativen Politiker Michael Huffington heiratet, später nimmt sie die US-Staatsbürgerschaft an. Mit dem Millionär bekommt sie zwei Kinder. 1997 wird die Ehe geschieden, im Folgejahr outet sich ihr Ex-Mann als bisexuell. Öffentlich tritt Arianna in dieser Zeit immer wieder für besonders stramme Forderungen der Republikaner ein, was ihr in einem 1998 im «New Yorker» erschienenen Porträt die Umschreibung einbringt, sie inszeniere sich als «republikanisches Spice Girl».
Eine charakterliche Konstante aber bestimmt trotz all dieser Wandlungen die Eindrücke vieler Artikel: offensiver Charme. «Es gibt Schmeicheleien, es gibt schamlose Schmeicheleien und es gibt Gespräche mit Arianna Huffington», schreibt das «Time Magazine». «Sie redet mit alten Männern über deren Libido, mit wunderschönen Frauen über ihre Intelligenz, mit Arbeitslosen über ihr Talent und mit Reichen über ihren breiten Kunstverstand.»
Sie nutzt dieses Talent von 2005 an für ihre bekannteste Unternehmung, als sie die «Huffington Post» in einem Viererteam mit Gründern an den Start bringt, die später so unterschiedliche Projekte wie das Onlinemagazin BuzzFeed und die rechte Plattform Breitbart News verfolgen. Die Idee der heute nur noch «HuffPost» genannten Seite: Als Gegengewicht zum rechten «Drudge Report» eine breit angelegte Kommentarplattform zu schaffen, auf der – kostenlos und unbezahlt – alle vom obdachlosen Teenager bis zu Barack Obama veröffentlichen, garniert mit News, für die sich gerade einmal eine Handvoll eigene Journalisten verantwortlich zeichnen. Das Konzept geht auf, die Reichweite ist einige Zeit lang riesig, und 2012 erhält das Portal sogar als erste Online-Publikation einen Pulitzer-Preis.
Damals gilt das Angebot als wegweisend für die Zukunft des Journalismus und Arianna Huffington als Motor, Sprachrohr und Gesicht der Seite. 2011 verkauft sie das Unternehmen für 315 Millionen US-Dollar an AOL, bleibt aber an Bord und leitet unter anderem die internationale Expansion, darunter auch ein deutschsprachiger Ableger, der nach fünfeinhalb Jahren im März 2019 eingestellt wird.
Nach elf Jahren bei der «HuffPost» die nächste Wende: Huffington startet 2016 «Thrive», ein Wellness-Portal, das laut der Start-up-Datenbank Crunchbase bisher 50 Millionen Dollar an Investorengeldern angezogen hat. Wieder sind die Ambitionen riesig, die Versprechen auf der Unternehmens-Webseite sind heute schon an Corona-Zeiten angepasst: «Thrive führt durch die neue Normalität und darüber hinaus.»
Die Beschreibungen, die sich Huffington mit dieser schillernden Karriere einhandelt, sind nicht immer schmeichelhaft. Doch egal ob «Start-up-Diva» oder «die aufstiegsorientierteste Griechin seit Ikarus»: Huffington selbst dürfte es egal sein – wenn das Bisherige nicht klappt, kommt eben etwas Neues. 2011 sagt sie: «Die wichtigste Führungsqualität ist, den Eisberg zu sehen, bevor er mit der «Titanic» zusammenstösst.»
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