Sängerin und Kultfigur Was macht eigentlich Nina Hagen?

textlab

21.10.2018

Lange war es ungewöhnlich still um Nina Hagen. Doch in diesen Tagen hat die «Godmother of Punk» auch hierzulande mal wieder von sich reden gemacht.

Punkerin? Ufologin? Sex-Priesterin? Nein, Nina Hagen zeigt in diesen Tagen ein anderes Gesicht: «Lasst uns wieder neugierig werden auf Bertolt Brecht» – unter diesem Motto tourt die Deutsche derzeit durch die Lande. Auch in der Schweiz hat sie mit ihren Brecht-Liedern Halt gemacht: Am Wochenende ist sie mit ihrem Programm in Zug aufgetreten.

Brechts Theaterstücke habe sie als Kind viele Abende lang fasziniert studiert, sagt Hagen. Ihr «Plädoyer für die Aktualität, Wahrheit, Dringlichkeit und Einzigartigkeit der Friedensbotschaften in Brecht-Songs», wie sie ihr Programm beschreibt, gab es schon im Sommer auf Schweizer Bühnen zu sehen – durchaus mit gemischten Kritiken. Über ihren Auftritt in Liestal schrieb etwa die «BZ»: «Man kann den Ausführungen nicht folgen, zu gross sind die Gedankensprünge der Schnellrednerin.»

Einzigartiger Stimmumfang

Ihre Fans dürften ihr das verzeihen. Schliesslich gehört das Chaos bei Nina Hagen zum Programm. Die 1955 in Ost-Berlin geborene Sängerin war in den späten Siebziger und frühen Achtziger Jahren ein Popstar, der perfekt in die schrille Zeit passte. Mit «Du hast den Farbfilm vergessen» wurde sie zum Kultstar, frühe Klassiker wie «TV-Glotzer» (1978) sind bis heute unvergessen. Ihre einzigartige und mehrere Oktaven umfassende Stimme stand dabei genauso im Zentrum wie ihr durchgeknalltes Auftreten – eine Folge ihrer Zeit als Punk in London.

1976 war Hagen nach England emigriert und in der dortigen Punkszene heimisch geworden. Sie darf sich deshalb heute mit dem Titel «Godmother of Punk» schmücken, obwohl sie sich selbst immer als eine Art Hippie gesehen hat. Nach ihrer Rückkehr nach Deutschland gründete sie ihre erste Band, die Nina Hagen Band. Doch auch da liess das Chaos nicht lange auf sich warten: Hagen überwarf sich mit den Bandmitgliedern, nach dem zweiten Album «Unbehagen» war bereits Schluss.

Schrille Persönlichkeit

In der Folge entwickelte sich von der Vorzeige-Punkerin zur schrillen Persönlichkeit, die mit verrückten Aktionen und abgefahrener UFO-Spiritualitäten für jede Menge Stirnrunzeln sorgte. Dem TV-Publikum gab sie bereits 1979 eine Kostprobe ihrer Freigeistigkeit, als sie im damaligen «Club 2» auf ORF mit körperlichem Einsatz über die Selbstbefriedigung und den Orgasmus der Frau dozierte. Ein Skandal, den man heute noch auf YouTube findet.

Skandale haben Hagen in den letzten vier Dekaden begleitet. Sei es als militante Tierschützerin (sie lebt seit 1982 vegan), mit zahlreichen und oft kurzen Ehen mit deutlich jüngeren Männern (ihre Ehe mit einem 17-jährigen Punker dauerte genau eine Woche) oder als unberechenbarer Gast in TV-Shows (legendär etwa ihr Auftritt bei «Maischberger») – Nina Hagen war und ist immer für Überraschungen gut. Unter dieses Kapitel fällt auch ihr Mitwirken in der Castingshow «Popstars», bei der sie 2006 als Jury-Mitglied fungierte.

Glauben und Bühne

Ihre Unberechenbarkeit hat sich Nina Hagen auch mit inzwischen 63 Jahren erhalten. Allerdings ist sie spürbar ruhiger geworden. Seit sie sich 2009 evangelisch taufen liess, spielt der christliche Glaube eine zentrale Rolle in ihrem Leben. Mit diversen Preisen für ihr Lebenswerk hat sie zudem auch jene Anerkennung erhalten, die ihr als Sängerin, Schauspielerin, Sprecherin und Unikum der deutschen Popkultur in den Augen vieler längst zugestanden hat. Dass sie für ihr aktuelles Programm nicht nur positive Reaktionen erhält, wird sie deshalb verkraften können.

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