«Funktioniert nicht im digitalen Zeitalter» Der Fall Kate ist eine bittere PR-Lektion für die Royals

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31.3.2024 - 18:48

Prinzessin Kate hat ihre Krebsdiagnose öffentlich gemacht.
Prinzessin Kate hat ihre Krebsdiagnose öffentlich gemacht.
Bild: Phil Noble/PA Wire/dpa (Archivbild)

Ein Informationsvakuum entstehen zu lassen, kann sich rächen. Diese schmerzliche Erfahrung machte das britische Königshaus nun in Zusammenhang mit der Krebsdiagnose von Prinzessin Kate.

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  • Das britische Königshaus schlitterte mit seiner Informationspolitik um Prinzessin Kate in ein PR-Desaster.
  • Der Fall wurde für den Palast und die Öffentlichkeit zu einer Lektion in der modernen Welt der Online-Medien.
  • Sobald Schweigen ein Informationsvakuum hinterlässt, werden andere dieses füllen — auf Social Media.

Der Medienrummel begann am 27. Februar. An diesem Tag ging der Hashtag #WhereIsKate mit Spekulationen über den Verbleib der britischen Prinzessin von Wales viral. Er setzte eine Serie von Memes, bizarren Theorien und Witzen in Gang – gemischt mit ernsthafter Besorgnis um Kates Gesundheit – und rief Amateur-Detektivinnen und -Detektive auf den Plan. Tausende Menschen beteiligten sich, bis die Prinzessin in der vergangenen Woche in einem Video ihre Krebsdiagnose öffentlich machte.

Die Episode wurde für den Palast und die Öffentlichkeit zu einer Lektion in der modernen Welt der Online-Medien: Sobald Schweigen ein Informationsvakuum hinterlässt, werden andere dieses füllen. Und das Ergebnis könnte katastrophal ausfallen. «Das Mantra der Königsfamilie lautet, sich nie zu beschweren und nichts zu erklären», sagt die auf die Royals spezialisierte Journalistin Ellie Hall. «Das funktioniert nicht in einem digitalen Zeitalter. Es braucht nicht viel, um verrückte Dinge loszutreten.»

Anatomie eines Informationsvakuums

Am 17. Januar gab der Kensington-Palast bekannt, dass sich Kate im Krankenhaus von einer geplanten Unterleibsoperation erhole und bis nach Ostern keine öffentlichen Termine wahrnehmen werde. Der Online-Gossip hielt sich zunächst in Grenzen, weitere offizielle Updates gab es nicht. Erst am 27. Februar folgte die Mitteilung, dass Kates Ehemann Prinz William aus persönlichen Gründen nicht an der Trauerfeier für seinen Patenonkel teilnehmen werde.

Daraufhin begannen die Spekulationen, wie der Autor Ryan Broderick erklärt, der den Newsletter «Garbage Day» über soziale Medien schreibt. Wo war Kate? War sie ernsthaft krank, lag sie womöglich im Koma? Hat sie sich im Ausland einer Schönheitsoperation unterzogen? Ist sie von einem Double ersetzt worden? Gab es Probleme in ihrer Ehe? Hat sie William verlassen? Ist sie missbraucht worden? Memes tauchten auf, darunter eines, das Kates Bild auf dem Gesicht einer Schauspielerin in dem Film «Gone Girl» zeigt, der vom Verschwinden einer Frau handelt.

Die Autorin Sarah Frier postete auf X, ehemals Twitter: «Verschwörung ist der Lieblingssport des Internets. Sie beginnt hier und wird zum Mainstream. An einem bestimmten Punkt in der vergangenen Woche war der grösste Teil der Inhalte in meinem (X-)Feed über sie (Kate). Nichts davon war wahr. Das ist einfach das, was Leute zum Spass machen und um Follower zu gewinnen.»

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Der grosse Fehler

Dann folgte der grosse Flüchtigkeitsfehler: Der Palast veröffentlichte am 10. März ein Foto von Kate und ihren Kindern und gab später zu, dass es digital manipuliert war – ohne zu sagen, was genau verändert worden war.

Doch schon zuvor hatten die PR-Strategen des Königshauses die Kontrolle über das Narrativ verloren, wie der Journalismusprofessor und Anwalt Peter Mancusi von der Northeastern University erklärt, der auch ein Unternehmen für Krisenberatung leitet. Irgendein Lebenszeichen, kleine Informationshäppchen – selbst ein gestelltes Foto von Kate, die von einem Balkon winkt – hätte das Vakuum gefüllt. Mancusi verweist auf eine gegenteilige Strategie bei König Charles, dessen Krebserkrankung etwa zur gleichen Zeit rasch bekannt gegeben worden sei. Um welche Art von Krebs es sich handelt, wurde zwar nicht mitgeteilt. Aber die Menschen seien bereit, bei dieser Diagnose ein gewisses Mass an Privatsphäre zu gewähren, sagt der Experte.

Er habe häufig mit Mandanten zu tun, die sich sträubten, unangenehme Informationen zu veröffentlichen, erklärt Mancusi. Doch diese kämen ohnehin irgendwann ans Licht. Es sei besser, proaktiv vorzugehen – oder, wie Hall sagt, «die Bestie zu füttern». «Es entspricht einfach der menschlichen Natur und der Natur vieler Unternehmen, bei schlechten Nachrichten in Deckung zu gehen», sagt Mancusi. «Aber Hoffnung ist keine Strategie mehr.»

Klare und überprüfbare Informationen können hilfreich sein

Trotz der Versuchung, Gerüchte und Verschwörungstheorien zu ignorieren, sei es am besten, schnell mit klaren und überprüfbaren Informationen zu reagieren, sagt der Sozialwissenschaftler Daniel Allington vom Londoner King’s College, der zu Desinformation forscht. «Sobald Leute vermuten, dass sie belogen werden, ist es sehr schwierig, sie wieder einzufangen», erklärt er.

Mit der Diagnose Krebs könnten viele Menschen etwas anfangen, wie der erfahrene New Yorker Krisenkommunikationsexperte Matthew Hitzig sagt. Sie verstünden, wie schwierig es sei, darüber selbst mit geliebten Menschen zu sprechen, geschweige denn mit der ganzen Welt. Kates Video sei ein aufrichtiger, emotionaler und wirksamer Weg gewesen, die sehr persönlichen Informationen zu teilen.

Die Online-Spekulationen endeten danach trotzdem nicht. Fast unverzüglich tauchten Vermutungen auf, die Ansprache sei von künstlicher Intelligenz generiert oder Kates Krebserkrankung sei durch Corona-Impfungen ausgelöst worden. Doch eine Wende war eingeleitet. Die Boulevardzeitung «The Sun» berichtet nun täglich unter der Überschrift «Tapfere Kate» und schrieb in einem Leitartikel, Trolle sollten sich schämen. Das Magazin «Atlantic» titelte: «Ich hoffe, Ihr fühlt euch jetzt alle schrecklich.»