Der Mann aus «The Mauritanian»Er hat 14 Jahre Folter in Guantanamo verziehen
Von Fabian Tschamper
26.6.2021
Er hatte kein Verbrechen begangen, dennoch sass der Mauretanier Mohamedou Ould Slahi im Gefängnis von Guantanamo Bay. Nach jahrelanger Folter kam der heute 50-jährige Slahi frei und schrieb seine Memoiren, die nun als Film im Kino zu sehen sind.
Von Fabian Tschamper
26.06.2021, 00:00
Fabian Tschamper
Dieses Jahr jährt sich der Anschlag auf das World Trade Center zum zwanzigsten Mal. Darauf folgte die Invasion des Iraks zwei Jahre später, 2003. An diese politisch turbulente Zeit erinnert heute noch die amerikanische Marinebasis auf Kuba: Guantanamo Bay.
Gebaut wurde sie 2002, um «aussergewöhnlich gefährliche Kriminelle» einzusperren. Schon bald fanden sich dort aber jegliche Terrorverdächtige wieder. Da sich die Basis ausserhalb der US-amerikanischen rechtlichen Zuständigkeit befand, hielten die US-Beamten Gefangene unendlich dort fest. Entweder aus Angst, sie könnten Staatsgeheimnisse ausplaudern oder weil schlicht zu wenig Beweise für eine Anklage gefunden werden konnten.
Das Camp machte ausserdem Gebrauch von «erweiterten Verhörtechniken» – also Folter –, die gegen die Menschenrechte verstossen.
Bis heute sitzen in Guantanamo Bay 40 Gefangene ohne Verurteilung und ohne Aussicht auf Freilassung.
Einer entkam dem Gefängnis jedoch – und dies auf rechtlichem Wege. Mohamedou Ould Slahi sass 14 Jahre in Guantanamo und schrieb nach seiner Freilassung das «Guantanamo Tagebuch». Seine Geschichte wurde nun verfilmt mit Jodie Fosterund Benedict Cumberbatch: «The Mauritanian».
Sein Cousin arbeitete für Osama Bin Laden
In den 1990ern hat Slahi gegen den Kommunismus in Afghanistan gekämpft. Er war also auf derselben Seite wie die Amerikaner, die diese «Freiheitskämpfer» finanziert haben.
Sein Cousin Mahfouz Ould al-Walid war einer der geistlichen Führer von Osama Bin Laden und hatte sich angeblich immer wieder gegen die Terroranschläge auf die Twin Towers ausgesprochen. Aufgrund der familiären Verbindung wurde Slahi verdächtigt, Kontakte zur Al-Kaida zu pflegen.
Als der 50-Jährige kurz vor der Jahrtausendwende nach Kanada gezogen war, wurde er dort mit dem terroristischen Akt «The Millennium Plot» in Verbindung gebracht. Dies, weil ein anderer Moscheebesucher Sprengsätze geschmuggelt hatte: Er wollte einen Flughafen in Los Angeles in die Luft jagen.
Die Festnahme resultierte zwar in Slahis Freilassung, nach den Terroranschlägen im September 2001 nahmen ihn die US-Behörden abermals ins Visier. Es könne kein Zufall sein, dass er in der Nähe von so vielen terroristischen Aktivitäten gewesen sei – die Beweise waren allerdings dünn.
«Ich durfte das Sonnenlicht nicht sehen»
Die CIA sperrte den Mauretanier also in ein Gefängnis in Jordanien, wo er über acht Monate lang gefoltert wurde – trotz kompletter Kooperation mit den US-Behörden zuvor. Im August 2002 hat man ihn nackt ausgezogen, Handschellen und eine Erwachsenenwindel angelegt und ihn nach Guantanamo verfrachtet. Dazu schreibt er in seinem Tagebuch: «Ich war so erschöpft und krank, ich konnte kaum laufen. Die Eskorte hat mich wie eine Leiche die Treppen hochgeschleift.»
Seine Zelle in Guantanamo Bay beschreibt Slahi nicht als solche: «Es war keine Zelle, eher eine kleine Box. Sie haben es so stark gekühlt, dass ich permanent gezittert habe. Es war mir verboten, das Sonnenlicht zu sehen. Es war höllisch.»
Die Wärter in Guantanamo haben ihn jeweils über 24 Stunden verhört. Er wurde während des Ramadans zwangsernährt, der Zugang zu Medizin wurde ihm komplett verweigert. Er kassierte Kopfnüsse, wurde begrapscht, ihm wurde mit Vergewaltigung gedroht und er musste Waterboarding erdulden.
So erging es ihm 14 lange Jahre.
«Wenn sie Informationen wollen, du aber keine hast, kannst du nicht einfach sagen: ‹Ja, ich war's!›. Sie wollen Details, die du nicht liefern kannst, weil du lügst.»
Erst 2009, als Barack Obama als US-Präsident ins Weisse Haus zog, kam Hoffnung auf. Obama wollte das Gefängnis schliessen. Es gelang ihm jedoch nicht. 2013 ging er allerdings eine Liste von Häftlingen durch, deren Fälle nochmals aufgerollt werden sollten – mit der Absicht, sie freizulassen. Im Jahr 2016 war es dann für Mohamedou Ould Slahi so weit: Nach vier Monaten und regelmässigen Anhörungen durfte er Guantanamo Bay endlich verlassen.
Sein 446-seitiges Buch, das er während seines Aufenthalts in Guantanamo Bay verfasst hatte, kam 2015 nach Freigabe durch die amerikanische Regierung – und starker Zensur – auf den Markt. Es wurde zum internationalen Bestseller. Nun also folgt der Film.
Slahi ist heute mit einer amerikanischen Rechtsanwältin verheiratet und lebt wieder in Mauretanien – als diplomierter Life-Coach.