Interview Janelle Monáe: «Ansetzen? Mit der Abwahl von Donald Trump»

Von Marlène von Arx

15.10.2020

In Amerika wird Janelle Monáe gefeiert. Jetzt trumpft die Pansexuelle-Aktivistin gleich mit zwei Provokationen auf: im Kino mit «Antebellum» und online in der zweiten Staffel der Serie «Homecoming». Was Sie dazu sagt.

Frau Monáe, Ihr neuer Film heisst ‹Antebellum›. Können Sie den Begriff für Nicht-Amerikaner kurz erklären?

Ich finde, man kann das googeln. Ich habe keine Lust mehr, die Leute über die Sklaverei und die Vor-Bürgerkriegszeit aufzuklären. Wer ein bisschen nachforscht, findet heraus, dass es immer noch Leute gibt, die die Antebellum-Zeit verherrlichen. Es werden immer noch Hochzeiten auf Plantagen gefeiert. Das ist für mich – und für die meisten Schwarzen ein Problem.

Und gerade darum geht es ja in ‹Antebellum›: Die Vergangenheit ist nicht die Vergangenheit …

Genau. Wir sind inmitten eines jahrhundertelangen Kampfes gegen systematischen Rassismus, systematische Unterdrückung und Gewalt gegen Schwarze. Wir können heute nicht über Polizei-Gewalt und andere Ungerechtigkeiten reden, denen Schwarze in Amerika ausgesetzt sind, ohne über die Sklaverei zu sprechen. Wir sind inmitten der Aufarbeitung und jeder und jede ist involviert – ob passiv oder aktiv – die Zukunft zu formen, die schwarzes Leben entweder ermächtigt und schützt oder weiter unterdrückt und auslöscht.

Sie spielen die erfolgreiche Autorin Veronica, die in die Sklavenzeit zurückversetzt wird. Wie haben Sie sich in der Rolle der Sklavin gefühlt?

Ich ziehe den Begriff «versklavte Person» vor. Es handelte sich nämlich auch um Ärzte, Dichter, Musiker, Krankenschwestern, die in diese Situation gezwungen wurden. Und ja: Es war schlimm. Manchmal war ich frustriert, manchmal wütend, manchmal war ich hasserfüllt. Es war nicht einfach, Veronica am Ende der Dreharbeiten wegzuwaschen. Aber da musste ich durch, um meine Vorfahren und alle schwarzen Frauen zu würdigen, die tagtäglich im Kreuzfeuer zwischen den Fronten stehen. Es sollte nicht unser Job sein, den systematischen Rassismus auszumerzen.

Wo müsste man ansetzen?

Wir können mit der Abwahl von Donald Trump anfangen und dafür sorgen, dass die republikanische Partei entmachtet wird. Sie aktiviert Gruppen, die die weisse Vorherrschaft propagieren und Hass und Gewalt gegen schwarze Körper schüren. Das muss aufhören. Aber die Privilegierten wissen das ja. Die Weissen müssen sich jetzt mal mit diesem Hass auseinandersetzen. Die Schwarzen können das nicht korrigieren. Deshalb sage ich: Ich bin es müde, die Leute aufzuklären.

Was das Genre betrifft, so ist ‹Antebellum› bei den Psycho-Horror-Thrillern angesiedelt. Sind Sie ein Fan von Horror?

Ja, mit meinen Cousins habe ich jeweils in den Sommerferien immer ganze Horror-Reihen geschaut. Ich war ein ganz grosser Fan von Freddy Krueger aus den ‹Nightmare on Elm Street›-Filmen. Ich wusste sogar, dass er von Robert Englund gespielt wurde. So tief ging das! Vor kurzem habe ich das erste Mal ‹Rosemary’s Baby› gesehen. Ich verstehe, warum der Film Pflichtstoff ist. Denn was uns Angst macht, fasziniert uns eben.

‹Antebellum› feierte in Los Angeles aufgrund der Coronaregeln eine Kino-Premiere im Drive-in. Sie trugen auf dem schwarzen Teppich eine Maske mit schwarzem Schmetterling. Woher kommt Ihr Mode- und Stil-Verständnis?

Die kommt aus meiner Kindheit: Meine Eltern trugen immer Uniform – als Abwart, Müllmann, Magd und meine Grossmutter war 25 Jahre Köchin in einem Gefängnis. Ich war selbst Dienstmädchen. Uniformen erfüllen mich mit stolz, denn man ist im Dienste der Gemeinschaft. Was ich trage, ist für mich also eine Uniform. Und ich will fokussiert aussehen. Das zusammen hat wohl den Stil ergeben.

Wie hat Sie der Coronastopp persönlich getroffen?

Mir geht es eigentlich ganz gut, aber mir tun alle Freunde leid, die Projekte hatten, die sie nun nicht verwirklichen können. Es ist für viele ein finanzieller und emotionaler Stress. Ich habe in Atlanta geholfen, Gratis-Mahlzeiten zu verteilen. Man braucht sich nicht zu schämen, wenn man Hilfe benötigt.

Wie gehen Sie mit all der zusätzlichen Zeit zu Hause um?

Ich lasse alle Gefühle zu. Wenn ich heulen und mir Sorgen machen will, erlaube ich mir das. Aber nicht über mehrere Tage, sonst kommt man in eine Abwärts-Spirale. Das ist auch nicht gut fürs Immunsystem. Das ständige Abwaschen und Abfall-Raustragen ist eine mentale Herausforderung, dafür behalte ich die Pyjama-Hose an und spare so beim Waschen. Ich habe angefangen, zu malen. Ich habe gelernt, mich anzupassen. Man muss sich anpassen können, sonst kann man nicht überleben.

Verarbeiten Sie, was Sie jetzt erfahren, auch in neuer Musik?

Nein, ich habe momentan keine Lust, ins Studio zu gehen. Meine Musik ist in der Realität verankert. Im Augenblick habe ich keinen Durchblick, was die Realität ist. Jeden Morgen stehe ich auf und denke, ich bin in einem schlechten Science-Fiction-Film.

Die Anthology-Serie ‹Homecoming› hat ja auch Science-Fiction-Elemente. Darin haben Sie die Hauptrolle von Julia Roberts übernommen …

Ja, sie blieb als Executive Producer an Bord. Einmal war es so seltsam ruhig auf dem Set und plötzlich hörte ich einen freudigen Ausruf. Jemand flüsterte mir zu, Julia Roberts sei hier und offenbar gefalle ihr, was wir machen. Da bin ich fast ausgeflippt. Sie ist eine Ikone.

Die Serie handelt von einem heimlichen Militär-Programm, dass an Medikamenten arbeitet, die Erinnerungen auslöschen. Schätzen Sie Ihre eigenen Erinnerungen im Nachhinein nun mehr als zuvor?

Ja, auch die schmerzhaften. Bei den Dreharbeiten liess mein Gedächtnis aber ein bisschen zu wünschen übrig. Ich habe zu viel Fisch gegessen und bekam so zu viel Quecksilber ab. Die Meerestiere absorbieren ja all den Abfall, den wir ins Meer lassen. Der Kapitalismus bringt uns um, Leute! Konglomerate profitieren von unserem Leiden! Anyway, ich hatte wirklich einen hohen Quecksilber-Gehalt in meinem System. Mein Nervensystem und mein Gedächtnis litten darunter.

Sie sind auch eine LGBTQ-Aktivistin. Wie sehen Sie da Ihre Rolle?

Ich bin ein stolzes Mitglied der LGBTQ-Community und ich hoffe, dass sie sich gesehen und gehört fühlt, wenn ich solche Rollen spiele und Musik mache, die uns zelebriert. Wer uns zu unterdrücken versucht, sollte sich das zweimal überlegen, denn wir geben uns nicht kampflos geschlagen.

«Antebellum» läuft in den Kinos.

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