«Football Inside» Das Spiel entscheidet sich in der Garderobe

Von Lukas Rüttimann

6.5.2021

Hautnah dabei mit «Football Inside» von Michele Cirigliano. 
Hautnah dabei mit «Football Inside» von Michele Cirigliano. 
Mira Film

Der Dokfilm «Football Inside» nimmt sein Publikum mit in die Garderobe von Schweizer Fussballclubs – das perfekte Gegenprogramm zum aktuellen Geschehen im Weltfussball.

Von Lukas Rüttimann

Der Fussball erlebt gerade aufregende, wenn auch nicht unbedingt schöne Zeiten. Wegen der Pandemie kämpfen viele Clubs ums Überleben, die meisten Spiele finden vor leeren Rängen statt. Und als ob das nicht schwierig genug wäre, sorgen reiche Besitzer mit Plänen für eine Super League mit ausgewählten europäischen Elite-Clubs für einen Fan-Aufstand, der am Wochenende mit dem Platzsturm vor dem Premier-League-Klassiker Man United gegen Liverpool einen neuen Tiefpunkt erreicht hat.

Das alles hat wenig mit dem Sport zu tun, den Millionen Menschen auf der ganzen Welt lieben und/oder selber ausüben. Fussball ist ein simples Spiel; ein Ball, zwei Tore, elf gegen elf, und am Ende gewinnen immer die Deutschen, wie Gary Lineker einst scherzhaft gesagt hat.

Auch in der Schweiz wird eifrig gekickt, und dass der Ball quer durch alle Gesellschaftsschichten und längst bei Männern wie Frauen rollt, zeigt Michele Ciriglianos Dokumentarfilm «Football Inside». Der Filmemacher begleitete das Nationalliga-A-Frauenteam von GC, den SC Kriens aus der Challenge League, die C-Junioren des FC Blue Stars Zürich sowie die Veteranenmannschaft des FC Wettswil-Bonstetten. Und zwar dorthin, wo Kameras normalerweise nichts zu suchen haben – hinein in ihre Garderoben.

Authentisch und greifbar

Was man dort sieht, dürfte jeder und jede kennen, der schon mal einen Fussballmatch gespielt hat. Trainer zittern, ob Spieler rechtzeitig erscheinen, es gibt Taktikbesprechungen, Anweisungen, Motivationstalks und Spässchen unter Mitspielerinnen und Mitspieler.

Dabei wird klar, was die Faszination Fussball letzten Endes ausmacht: Das Gefühl, gemeinsam etwas erreichen zu wollen, verbindet alle Kicker – egal ob die Frauen von GC, die Profis vom SC Kriens  oder die Kids von Blue Star. Diese typische Garderobestimmung verleiht dem Film einen authentischen Touch, und mit dem Fokus auf einzelnen Spielerinnen und Spielern werden Träume, Ambitionen, Schicksale und Leidenswege greifbar gemacht.

Highlights bieten auch die Trainer. Der mittlerweile nicht mehr aktuelle GC-Frauen-Coach Walter Grüter etwa sorgt mit seiner spannenden Lebensgeschichte für starke Momente, während Fussballfans den ehemaligen FC-Basel- und Blackburn-Rovers-Spieler Bruno Berner von einer anderen Seiten kennenlernen können. Bei der Taktikbesprechung vor dem Challenge-League-Match gegen Vaduz noch ganz der feinfühlige Spielerfreund und Motivator, explodiert der Kriens-Trainer in der Halbzeitpause förmlich und lässt in der Kabine die Fetzen fliegen. Vom Innenverteidiger bis zum Stürmer kassieren alle einen ZS; in einer Art, wie man sie vielleicht von einem Jürgen Klopp, weniger aber von Berner erwarten würde. Zumal es 0 zu 0 steht und für Kriens noch alles drinliegt.

Nichts Neues – und das ist gut so

Tatsächlich sind es genau solche Emotionen, die «Football Inside» zu einem lohnenden Erlebnis für Film- wie Fussballfans machen. Der stellenweise etwas langatmige Streifen bietet zwar kein Spektakel, zumal auch Spielszenen oder Archivmaterial gänzlich fehlen. Doch darum geht es hier nicht. «Football Inside» ist eine Hommage an den Fussball in seiner reinen Form; an das Gefühl, zusammen mit anderen einer Leidenschaft nachzugehen.

«Wenn ich auf dem Platz stehe, vergesse ich den Stress. Dann bin ich glücklich», bringt es einer der Blue-Stars-Junioren auf den Punkt. Das mag vielleicht keine bahnbrechend neue Erkenntnis sein. Doch in Zeiten, in denen der Champions-League-Final unter vier von Oligarchen und Ölscheichs gesponserten Milliarden-Clubs ermittelt wird, bietet dieser Film zumindest ein perfektes, weil überaus bodenständiges Gegenprogramm.

«Football Inside» (mit Vorfilm «DAS SPIEL») läuft ab heute, Donnerstag, 6. Mai, in den Schweizer Kinos.