Schweizer in L.A.(9) Debby Gerber – als Stand-In arbeitet die Baslerin mit Top-Talenten

Von Marlène von Arx, Hollywood

3.10.2020

Trotz Corona: Es gibt doch noch Jobs in Hollywood. Die Baslerin Debby Gerber arbeitet an der neuen Sitcom von Chuck Lorre (« The Big Bang Theory »), die Ende Oktober erstmals in die amerikanischen Fernsehstuben flimmert.

Debby Gerber misst jeden Morgen zu Hause ihre Temperatur. Das will ihr Arbeitgeber so. Die Zahl logged sie in eine App: «Nur mit dem grünen Ok auf der App komme ich überhaupt auf das Warner Bros. Studio-Gelände», erklärt die Baslerin. Vom Tor geht's zum Zelt vor der Halle 26, wo einst Charlie Sheen sein Unwesen als «Mein cooler Onkel Charlie» trieb. Hier wartet der Covid-19-Test. Und das jeden Tag. Nach 15 Minuten kriegt Debby Gerber das Resultat. Erst dann ist sie wirklich startklar für den Arbeitstag. Debby Gerber nimmt das in Kauf. Sie ist froh, wieder einen Job zu haben.

Nicht als Schauspielerin zwar, aber als «Stand-In» für einen Serien-Star in der neuesten Sitcom von Chuck Lorre («The Big Bang Theory», «Mein cooler Onkel Charlie»). Thomas Middleditch («Silicon Valley») spielt darin einen geschiedenen Vater, der eine Nierentransplantation braucht. Die Spender-Niere kommt von einer unkonventionellen Frau aus seiner Vergangenheit (Annaleigh Ashford). Debby Gerber ist das Stand-In für die Teenager-Tochter des Hauptdarstellers.

Stand-Ins ähneln in Grösse, Hautton und Haarfarbe den Stars und helfen dem technischen Team den Drehablauf zu erarbeiten. Wie der Name besagt, stehen sie anstelle der SchauspielerIn hin, damit beispielsweise die Kameraverantwortlichen die Beleuchtung einstellen können. «Stand-In ist nicht mein Lebensziel, ich will ja eigentlich Schauspielerin sein», erklärt die 31-Jährige. «Aber bei dieser Show arbeite ich zwei Wochen, dann haben wir eine Woche frei, damit sie die neue Episode fertig vorbereiten können. So kann ich meinen Rechnungen zahlen und trotzdem nebenbei noch eigene Dinge machen.»

Arbeiten im Schutzanzug

Die Auswanderin aus Muttenz ist schon statt Lady Gaga in «American Horror Story» auf dem Set gestanden oder statt Jessica Chastain in «X-Men: Dark Phoenix». Mit den Stars selbst hat sie jetzt kaum Kontakt. Und bei den derzeitigen Schutzkonzepten werden die Schauspieler noch besser abgeschottet. «Denn wenn sie krank werden, muss die ganze Show gestoppt werden», erklärt sie. Die Maskenbildner und Kostümleute tragen gar Schutzanzüge und auch sie trägt bei der Arbeit immer Maske und Schild: «Aber es mussten neue Schilder bestellt werden, denn unsere beschlagen sich.»

Debby Gerber kam nicht mit dem Traum, Schauspielerin zu werden nach Los Angeles. Sie hatte einen Platz an der Uni Basel, um Soziologie zu studieren und plante zuvor, sechs Monate in den USA zu verbringen. Nach dem Sprachkurs belegte sie eine Improvisationsklasse: «Ich dachte, das hilft vielleicht mit dem Lampenfieber, das ich bei Musikschul-Auftritten immer hatte.» Und plötzlich war eine neue Liebe entfacht: Zur Schauspielerei und zu einem Mitschüler, den sie schon bald heiratete.

Zuerst spielte sie Verbrechen oder Sex-Unfälle für Reality-Shows nach. Es folgten Statistenrollen («J. Edgar» von Clint Eastwood, «The Politician» auf Netflix), Kurzfilme, Werbespots und schliesslich Spielfilme. Sie ist optimistisch, dass es trotz Corona so weiter geht: «Ich glaube nicht, dass ich ein grosser Star werde, aber ich glaube, dass ich eine Karriere haben kann, bei der ich immer etwas zu tun habe.»

Zu Beginn der Coronakrise war sie aber schon verunsichert. Debby Gerber hat ihr Profil bei verschiedenen Datenbanken angemeldet, die ihr passende Casting-Aufrufe per E-Mail zukommen lassen. Das kostet sie 100 Dollar im Monat, aber es lohnt sich: Sie bekommt dafür 100 E-Mails mit Rollen-Angeboten pro Tag, für die sie sich bewerben kann. Dann kam der Lockdown und die E-Mails blieben plötzlich aus. Den Plan B, zumindest für den Sommer zurück in die Schweiz zu gehen, verwarf sie wieder: «Ich wartete wohl zu lang. In der Schweiz gab es auch keine Jobs in der Filmproduktion. Zudem: hätte ich mich auf der Reise infiziert und dann meine Eltern angesteckt, hätte ich mir das nie verziehen.»

Handyfilme statt Castings

Also blieb sie in Los Angeles. Und langsam kommen wieder E-Mails rein. Statt an Castings zu gehen, muss sie jetzt selbst aufgenommene Videos einschicken. «Zuerst hat mich das etwas genervt, ich musste auch ein neues Handy mit einer besseren Kamera kaufen. Aber jetzt sehe ich, dass es funktioniert und es spart auch enorm viel Zeit, weil ich nicht in der ganzen Stadt herumfahren muss.»

Auch sonst hat sich dieses Jahr für Debby Gerber einiges geändert. Im April ist sie in eine neue Wohnung gezogen. Nach zehn Jahren haben sie und ihr Mann Carlo sich getrennt. Ihre WG-Partnerin ist seit Monaten in Korea, so verbringt sie jetzt die Zeit mit wenigen Freunden, einem älteren Nachbars-Pärchen und natürlich mit ihrem Husky-Malamute Rocky, ihrem Fels in den schwierigsten Zeiten und bisweilen auch schon mal Co-Star. «Ich habe es auch genossen, alleine zu sein und tun und lassen zu können, was ich will», blickt Gerber auf den Lockdown zurück. «Mit dem Hund musste ich sowieso raus und mit Carlo bin ich immer noch befreundet. Ab und zu kommt er auf einen Spaziergang mit, weil er Rocky vermisst.»

Der Vierbeiner scheint zu merken, dass von ihm die Rede ist und macht sich mit einem Bellen bemerkbar. Es ist ja auch Zeit für seine Runde.

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