European Shooting Star«Den Teufel zu spielen, macht Spass»
Von Carlotta Henggeler
5.3.2021
Als Anti-Aggressionstrainer zähmte er Helena Zengel in «Systemsprenger», und in «Berlin Alexanderplatz» spielte er den kaputten Drogendealer Reinhold: Albrecht Schuch. Der Ostdeutsche wurde zum European Shooting Star 2021 erkoren. Ein Gespräch über kranke Rollen, Helena Zengel und den Ruf aus Hollywood.
Von Carlotta Henggeler
05.03.2021, 14:03
05.03.2021, 18:34
Carlotta Henggeler
An der Berlinale 2020 haben sie mir als irrer Dealer Reinhold in «Berlin Alexanderplatz» Angst gemacht. Ich habe das Böse in Ihren Augen gesehen. Wie fühlte es sich an, einen Soziopathen zu spielen?
Als Schauspieler macht es total Spass! Er ist ein Mephisto. Ich übersetzte diesen Charakter in eine Theaterfigur, weil Reinhold auch etwas Theatralisches hat. Er hat was Mephisto-haftes, aber auch David-Bowie-haftes und auch etwas von Tom Waits. Den Teufel zu spielen, das macht Spass. So wie es Spass macht, laut zu singen oder laut zu schreien, das macht man im Alltag ja nicht.
Ich habe gelesen, Sie haben sich für diese extreme Rolle die Hilfe eines Psychologen geholt.
Ja, weil ich den Reinhold so theatralisch und mit vielen Charakterfarben gesehen habe, hab ich für das Innenleben drei Psychiater und Psychologen zurate gezogen, um dem Ganzen eine gewisse Realität zu geben. Selbst hätte ich das nicht gefunden.
Sie sind bekannt dafür, in die Tiefe ihres Spielcharakters zu tauchen. So wie Oscargewinner Jared Leto («Dallas Buyers Club»). Um sich von der gespielten Figur wieder zu lösen, verkriecht sich Leto im Wald, ohne Handy. Ist das auch Ihre Loslass-Taktik?
Ja, bei Reinhold habe ich das jeden Tag gemacht. Immer eine Dreiviertelstunde mit Atemtechnik und Meditationsübungen verbracht. Es hatte viel mit Wasser zu tun, um den Schalter umzulegen. Sich bewusst machen, wie man ins Wasser eintaucht. Es wurde zum täglichen Ritual. Die Natur ist meine Religion. Und ich habe mich da sehr von meiner vorherigen Arbeit beim «Systemsprenger» mit Helena Zengel und Nora Fingscheidt (Anm.d.Red: Die Regisseurin) inspirieren lassen.
Ihre Kollegin Helena Zengel («Neues aus der Welt») war für einen Golden Globe nominiert. Haben Sie ihr mit ihrer langjährigen Erfahrung am Set von «Systemsprenger» Tipps gegeben?
Da bin ich die falsche Person. Das müssen sie bitte Helena fragen. Woran sie mich erinnert hat, war die schauspielerische Leichtigkeit. Je älter und erfahrener man wird, desto mehr tendiert man dazu, nach einem gewissen Muster vorzugehen, zu kopflastig zu werden. Nicht so zuständlich zu sein, auch mal eine andere Herangehensweise zu haben, das war total erfrischend.
Hollywood hat bei Helena Zengel schon angeklopft. Bei Ihnen noch nicht. Interessiert?
Ja, stimmt. Wer weiss. Es kommt auf die Rolle an.
Sie könnten einen Superhelden spielen?
Oh ja, ich hätte Lust auf eine Actiongeschichte.
Ihre Schwester Karoline Schuch ist ebenfalls eine bekannte Schauspielerin. Eine Schauspiel-Familie zu haben, ist das ein Fluch oder ein Segen?
Auf jeden Fall ein Segen. Wir können uns austauschen oder zurate ziehen. Wir kritisieren oder loben uns. Und das auf einem ganz anderen Level, weil wir diese familiäre Verbindung haben.