Hundeflüsterer Cesar Millan Präsidenten vertrauen ihm, Tierschützer misstrauen ihm

Von Marlène von Arx, Los Angeles

31.8.2021

In der Schweiz sind er und sein neues Halsband umstritten: Cesar Millan ist Amerikas berühmtester Hundetrainer. Dort vertrauen ihm Präsidenten und Stars ihre Vierbeiner an. Hierzulande darf er nicht mit Hunden arbeiten

Von Marlène von Arx, Los Angeles

31.8.2021

Cesar Millan bekam 2004 seine erste TV-Show und wurde danach auch international zu einem der bekanntesten «Hundeflüsterer». Zuerst suchten Sportler, dann Hollywood-Stars und schliesslich sogar US-Präsidenten seinen Rat.

Jüngst versuchte der 52-jährige, Joe Bidens Schäferhund Major zu therapieren, nachdem er im Weissen Haus einen Secret-Service-Agenten biss. «Es ist nicht das erste Mal, dass ich einem Präsidenten helfe», sagt Cesar Millan via Zoom stolz. «Man muss einen Sicherheitsablauf schaffen. Das Weisse Haus ist kein entspanntes Umfeld. Um Hunde müssen sich Umfeld und Leute anpassen, damit sich der Hund sicher fühlt und vertrauen kann. Wenn die Menschen um ihn herum aufgeregt oder angespannt sind, ist das nicht gut.»

Major war der Polit-Alltag zu viel. Er lebt inzwischen wieder auf dem ruhigeren Landsitz der Bidens, also zurück im Haus in Wilmington, Delaware.

«Hunde werden auf den Boden gedrückt oder gewürgt»

Der Hunde-Helfer hat aber nicht nur Fans: Millans Methoden, die er beim Therapieren und Rehabilitieren anwendet, sind umstritten. «Er arbeitet oft mit physischem und psychischem Druck und in der Schweiz verbotenen Hilfsmitteln», so Irene Kleiner, Präsidentin des Kynologischen Vereins Affoltern am Albis und ausgebildete Verhaltenstherapeutin.

«Hunde werden auf den Boden gedrückt, gewürgt oder so bedrängt, dass sie sich fürs Fernsehen spektakulär verhalten oder erstarren und keine Reaktion mehr zeigen können, was für Verhaltenstherapeuten klar sichtbar ist.»

Eines seiner in der Schweiz verbotenen Hilfsmittel ist das neue «Halo with Cesar Millan»-Trainingshalsband, das für Hunde virtuelle Zäune errichtet und Hundebesitzer*innen via App steuern können. «Es hat ein GPS, einen virtuellen Zaun, es erinnert den Hund an die Regeln und funktioniert auch als Leine», so Millan.

Der Hund bekommt zuerst einen Warnton, läuft er trotzdem weiter, gibt es eine Vibration und schliesslich ein Zischen. Das Halsband mit Smart Technologie hat seinen Preis: Es kostet 1000 Dollar und wird bereits von 25'000 Hundehaltern genutzt. Das Upgrade Halo OS2 wurde diese Woche den Kund*innen neu zur Verfügung gestellt.

Millan hat trotzdem Schweizer Verehrer*innen

Für Irene Kleiner ist das Halsband eine aversive Trainingsmethode und somit ein No-Go: «Für den Hund bleibt die Methode unberechenbar. Erst recht, wenn die App – wie in den Videos gezeigt – auch überall auf dem Spaziergang genutzt werden kann, um den Hund am Weitergehen zu hindern. Er verliert seine Erwartungssicherheit, weil er nie weiss, wann der Warnton kommt. Man sieht auch auf einem Video dazu deutlich Stresssignale wie Schütteln und Züngeln.»

Trotzdem hat Cesar Millan auch in der Schweiz Verehrer*innen. Schon dreimal ist er mit seiner Show aufgetreten. «Auf Interventionen der Gesellschaft der Schweizer Tierärzte, Hundezüchter und Fachtherapeuten aber ohne Hunde, die ‹therapiert› werden», so Irene Kleiner. «Auch die Veterinärämter waren anwesend, um dies zu kontrollieren und gegebenenfalls einzuschreiten.»

2016 wurde Cesar Millan in den USA der Tierquälerei beschuldigt, aber freigesprochen. Seine TV-Programme tragen nun die Warnung, man solle diese Methoden ohne Absprache mit einem Profi nicht selber versuchen.

Cesar Millan hält nicht viel von der Kritik, seine Methoden seien zu harsch oder veraltet: «Früher ging man härter mit Hunden um als heute, aber man ging auch mit Menschen härter um. Inzwischen hat die Gesellschaft eine Kehrtwende gemacht: Die Hunde und die Kinder haben die Kontrolle. Sie machen, was sie wollen, weil wir ihnen die Grenzen nicht zeigen. Da muss es einen Mittelweg geben. Beim Hund heisst das Bewegung, mentale Stimulation, Disziplin und Zuneigung. Jeden Tag und in der Reihenfolge. In anderen Ländern mögen andere Sitten herrschen, aber letztlich ist das Verhalten von Hunden und Haltern überall das gleiche.»

Dabei komme es auf die Energie an, mit der man dominiert und in die Schranken weisst, meint der Vater zweier Söhne, die auch in seinen Shows auftreten: «So wie Eltern nicht wütend, sondern ruhig auf Fehler der Kinder reagieren sollen.»

Vom illegalen Immigranten zu Hollywoods Hundetrainer

Die Faszination für Cesar Millan hat auch mit seiner Geschichte, eine geradezu filmtaugliche Achterbahnfahrt, zu tun: Als Bauernjunge in Sinaloa, Mexico, geboren, lernte er vom Grossvater den Umgang mit Tieren. Besonders leicht fiel ihm der Zugang zu Hunden. «Sinaloa war damals wie Kolumbien unter Pablo Escobar», erinnert sich Millan an seine Kindheit. «Gefahren und Aggressionen waren überall. Ich wuchs nicht in Sicherheit auf. Das ist traumatisch.»

Mit 21 Jahren und 100 Dollar in der Tasche machte er sich nach Norden auf, wo ihn ein sogenannter «Coyote» für diese Ersparnis illegal über die US-amerikanische Grenze schmuggelte. Er arbeitete in San Diego in Küchen, mähte Wiesen, wusch Autos, und jobbte schliesslich in einem Tiersalon, wo man den Obdachlosen auch übernachten liess.

Mit dem ersten Ersparten kaufte er sich ein Busticket nach Los Angeles. Er arbeitete erst bei einem Hundetrainer, dann ging er von Tür zu Tür, um sich als Dogwalker anzupreisen. Bald war er bekannt als der Mexikaner, der mit 30 Hunden friedlich unterwegs ist. Hollywood-Stars wie Vin Diesel und Salma Hayek engagierten ihn.

«Jada Pinkett Smith hat mir dann einen Englisch-Lehrer organisiert und ich habe ihr beigebracht, die Anführerin ihres Hunde-Rudels zu werden», so Millan. «Sie ist eine gute Schülerin und projiziert selbstbewusste Energie. Das ist, was ich lehre: Energie, Kommunikation, Beziehung mit dem Hund und dann kommt erst das Training.»

Er trainiert eigentlich Menschen, nicht Hunde

Bald hatte er die TV-Hitshow «Der Hundeflüsterer», einen Bestseller geschrieben, eine eigene Stiftung. Dann kam der Kollaps vor elf Jahren: Es stellte sich heraus, dass die lukrative Show rechtlich gar nicht ihm gehörte. Es folgte der finanzielle Ruin, die Scheidung, ein Selbstmordversuch. Inzwischen hat er wieder eine Show auf Disney+ («Guter Mensch, guter Hund») und ist auch wieder liiert.

«Meine Lebensaufgabe ist es, Hunde zu rehabilitieren, aber jetzt kann ich auch besser Menschen helfen, denn ich verstehe ihren Schmerz.» Er trainiere eigentlich Menschen, so Cesar Millan weiter. «Man kann jetzt auch ohne Hund zu mir kommen. Es ist mir sogar lieber, wenn Kunden anfänglich keinen Hund haben, damit wir zuerst ihre Energie heilen können.»