Neue Disney-SerieBeklemmend nah an der Wirklichkeit
Von Fabian Tschamper
14.3.2021
Wie lebt und liebt es sich in den Zeiten einer Pandemie? Disney versucht mithilfe von «Love in the Time of Corona» ein bisschen Licht ins Dunkel zu bringen. Dies gelingt nur bedingt.
Von Fabian Tschamper
14.03.2021, 06:38
15.03.2021, 10:30
Fabian Tschamper
Es brauchte nur wenige Wochen Social Distancing und die Welt, wie wir sie kannten, fühlte sich absurd weit weg an. Neue Routinen mussten gelernt werden: Habe ich die Maske dabei? Habe ich mir die Hände desinfiziert? Inzwischen sind volle Bars, Konzerte oder Geburtstagsfeiern eine abstrakte Vorstellung – und werden schmerzlich vermisst.
Die Serie «Love in the Time of Corona» zu schauen, desorientiert einen genauso wie diese Erinnerungen – oder Bedürfnisse. In den frühen Tagen des Lockdowns, der Quarantäne erhofften wir uns noch schnelle Besserung, dass all dies vielleicht eher früher als später vorbei sein würde.
Gefilmt wurde der Vierteiler in den ersten Monaten der Pandemie, genau zu dieser Zeit spielt er auch. Der Fokus liegt dabei auf vier Haushalten, die sich durch die neue Norm zwängen. Dabei fehlt der Disney-Serie der nötige Abstand: Es ist noch nicht genug Zeit vergangen, um zurückzublicken und den Geschichten eine angemessene Tiefe zu verleihen. Wir sind noch nicht über den Berg, wer weiss, wie lange diese Krise noch andauern wird. Darum ist «Love in the time of Corona» nicht gerade gutes Fernsehen. Aber die Zeitmaschine, in der wir erleben, wie manche gedacht und funktioniert haben, ist wenigstens faszinierend.
Liebe und die Krise während Corona
Vier Episoden lang folgt die Serie einer Gruppe Menschen in Los Angeles, die sich an ihr neues Leben in Quarantäne gewöhnen müssen. Die Schauspieler*innen waren zu der Zeit sowieso in Isolation, da war die Teilnahme wie schon gesichert. Das verheiratete Paar Leslie Odom Jr. und Nicolette Robinson spielen auch in der Mini-Serie ein Ehepaar, James und Sade. Sie hatten vor der Pandemie nur wenig Zeit füreinander, da vor allem der Job von James zeitverschlingend war – bis jetzt. Ein weiteres verheiratetes Paar, Gil Bellows und Rya Kihlstedt, mimen die Ex-Eheleute Paul und Sarah. Sie versuchen ihre frische Scheidung vor ihrer Teenager-Tochter, Sophie, zu verbergen. Auch sie ist im echten Leben die Tochter des Paars, Ava Bellows.
Die Serie folgt einem klaren Kurs, bleibt aber kreativ mit ihren Mitteln – wie etwa mit eingeblendeten Video-Chats. Ein Problem stellen dabei aber die Paare dar, die auch im realen Leben ein solches sind: Robinson und Odom Jr. sind solide in ihrer Darstellung eines Lebensabschnitts, der nicht ihrer Realität entspricht. Bellows und Kihlstedt straucheln da eher, ein frisch geschiedenes Paar zu spielen, das zusammen und dann wieder getrennt ist – in einer sogenannten «on/off»-Beziehung.
Es braucht schlicht mehr Zeit
Geschichtsstränge zu erzählen, die sich nach und nach ineinanderweben, ist eine Formel so alt wie das Fernsehen selbst. Mit nur vier Episoden jedoch fehlt der Raum, irgendeinen Plot angemessen zu präsentieren, auszuarbeiten. Auch springt man von einem unvollendeten Strang zum nächsten, was das Gesamterlebnis noch fremder erscheinen lässt.
Zur Verteidigung muss man sagen: Die Serie wurde in den vergangenen Monaten zusammengeschustert, aus Ideen und Konzepten, die anscheinend jede Woche änderten. Es ist einerseits beeindruckend, dass «Love in the Time of Corona» überhaupt zustande kam. Andererseits beweist die Miniserie aber auch, dass man nicht grundlos normalerweise erst Jahre später über eine gewisse Zeitperiode schreibt und sie verfilmt. Es ist schlicht einfacher, realistische Geschichten zu verfassen, bei denen man den ganzen Kontext kennt. Momentan befinden wir uns immer noch in der «Was geschieht gerade»-Phase. Eine Serie wie «Love in the Time of Corona» kann darum erst richtig scheinen, wenn wir durchgestanden haben, was wir gerade durchstehen.
«Love in the Time of Corona» ist ab sofort auf Disney+ abrufbar.