Millionen für Superhelden Franchise-Filme verputzen den Kuchen, Originalen bleiben nur Brösmeli

Von Fabian Tschamper

23.12.2021

«The Fugitive» oder «Auf der Flucht» mit Harrison Ford wäre heute wohl nicht mehr finanziert worden.
«The Fugitive» oder «Auf der Flucht» mit Harrison Ford wäre heute wohl nicht mehr finanziert worden.
Getty

Warum dreht Hollywood keine Filme mehr wie früher? Die Industrie setzt nur noch auf bewährte Franchises und gibt originellen Geschichten keine Chance – daran sind wir nicht ganz unschuldig.

Von Fabian Tschamper

Filme sind nicht mehr das, was sie mal waren. Hast du dir das auch schon gedacht?

Wer sich mit der Branche befasst – oder schlicht Filmfan ist –, dem ist in den letzten Jahren bestimmt aufgefallen, dass Kinofilme zu einem grossen Teil aus einem Einheitsbrei bestehen: Das Entertainment-Kino, rasante und simple Action, Marvel-Filme und ihre Klone.

Waren Filme früher nicht diverser, substantieller, einfallsreicher – nur schon vor 20 Jahren?

Es gibt zwei Antworten auf diese Frage.

Entweder du willst einen Film mit einem gewissen Budget, über gewisse Themen, in kleinerem Rahmen drehen – etwa «The Rainmaker» (40 Millionen Dollar) oder «The Fugitive» (44 Millionen), «Insomnia» (46 Millionen) oder auch «Collateral» (65 Millionen) oder die Filmemacher möchten in der Umsetzung freier sein, was die Produktion filmpolitisch komplizierter macht. Schroffe Comedies wie «This is the End» (32 Millionen) oder «Superbad» (20 Millionen) scheitern heute daran, dass Hollywood nicht mehr weiss, was eine Komödie beinhalten darf.

Alle müssen super vorsichtig sein, was in ihrem Film gesagt und gezeigt wird. Um ein allfälliges Nachbeben wegen des Inhalts zu vermeiden, geht Hollywood den Weg des geringsten Widerstands, sprich: so unverfänglich und damit so verwässert wie möglich. Und ja nichts Neues versuchen. Der Fokus liegt auf dem Publikum, nicht auf der erzählten Geschichte.

Diese Zurückhaltung existiert aufgrund zweier Faktoren.

Streaming und die Art Film, die wir als Publikum unterstützen

Streaming wird die Schuld für viele Dinge zugeschoben, ein Aspekt sind die DVD- und Bluray-Verkäufe. Diese sind aufgrund von Streaming-Anbietern offensichtlich eingebrochen. Ergo generieren Filme weniger Geld.

Vor der Streaming-Revolution nach der Jahrtausendwende konnten sich Verleiher und Produktionsfirmen auf die DVD- und Bluray-Verkäufe verlassen. Das war wie ein zweiter Release-Tag – erst fliesst Geld von den Kinos in die Kasse, danach erneut wegen der physischen Kopien.

Damals konnten Filme, die heute nicht mehr finanziert würden, noch gedreht werden. Das Risiko war erheblich kleiner, gern wurden da 70 Millionen ausgegeben, weil der doppelte Zahltag das Budget in den meisten Fällen gutmachte.

Originelle Ideen wie «Signs» oder «Unbreakable» – beide kosteten knapp über 70 Millionen Dollar – wären undenkbar. Das Risiko des Misserfolgs ist schlicht zu gross.

Filme kosten heute 1 bis 10 Millionen oder es ist ein Marvel-Film, dazwischen existiert nichts mehr.

Hollywood richtet sich nach dem Geld

Als während des Corona-Lockdowns einige Filme direkt zu Streaming-Anbietern kamen, verloren die Leute ob des 20-Franken-Preises ihren Verstand. Die Filme müssen ihr Budget aber irgendwie wieder einholen.

Darum werden heute nur noch diese Filme finanziert, welche von uns, dem Filmfan, unterstützt werden. In einfachen Worten: Wer den neuesten Marvel-Film im Kino schaut, bei «The Last Duel» aber auf den Streaming-Release wartet, der schickt Hollywood eine klare Botschaft.

Und dazu sei noch gesagt: Hollywood interessiert sich nicht für Bewertungen auf «IMDB» oder «Rotten Tomatoes». Alles, was sie wissen wollen, ist: Scheffelt dieser Film Kohle?

Wenn wir uns für «The Last Duel» also nicht im Kino blicken lassen, dann wird es solche historischen Filme nicht mehr geben. Das Drama von Ridley Scott hat 100 Millionen gekostet, eingenommen hat es 28. Gehen wir für «Black Widow», «Spider-Man» oder «Ghostbusters: Legacy» ins Kino und diese nehmen dreistellige Millionenbeträge ein, ist der Fall für Hollywood klar.

Das Stichwort ist IP, intellectual property, das geistige Eigentum. Am Beispiel von Marvel sind das die Comics, die Filmadaptionen erhalten haben. In anderen Worten: Franchises. Warum auf eine originelle Story wie bei «The Last Duel» setzen, wenn das bereits etablierte Marvel-Universum seit Jahren Milliarden generiert? Warum das Risiko eingehen?

Martin Scorsese beispielsweise brauchte mehrere Jahre, um seinen Film «The Irishman» finanziert zu bekommen. Martin Scorsese! Er hat gefühlt hundert ikonische Filme gedreht.

Der Grund, wieso Regisseur M. Night Shyamalan («Signs», «Unbreakable») immer noch mit originellen Thrillern ins Kino kommt? Er finanziert seine Filme aus der eigenen Tasche.

Wie gross die Diskrepanz ist, lässt sich an den Oscars 2021 veranschaulichen: Die acht Nominierten in der Kategorie «Bester Film» kosteten insgesamt knapp 120 Millionen, «Spider-Man: No Way Home» hatte ein Budget von 200 Millionen.

Und dabei ist es völlig egal, wie viele grosse Namen an einem Projekt beteiligt sind. Originelle Filmideen werden nur schwer oder nicht finanziert.

Deswegen brauchen originelle Filme gegenüber der Franchise-Giganten Unterstützung. Probiert mal was Neues, dann tut dies Hollywood hoffentlich auch.