Michelle Pfeiffer «Man fängt an, sich um das Hirn zu sorgen»

Von Marlène von Arx, Los Angeles

19.8.2021

Michelle Pfeiffer kehrt in «French Exit» als verarmte High-Society-Dame auf die Leinwand zurück. Was für sie Luxus ist und wie sie mit dem Älterwerden umgeht, verrät die 63-jährige Schauspielerin im Interview.

Von Marlène von Arx, Los Angeles

19.8.2021

In «French Exit» spielen Sie eine New Yorker Society-Dame, deren Geld weg ist und die deshalb mit ihrem Sohn und der Katze nach Paris entflieht, wo eine Freundin ein leeres Apartment hat. Was hat Sie an der Rolle der Frances gereizt?

Ihre Direktheit hat mir besonders gefallen. Ich bin selber sehr zurückhaltend, daher war es sehr befreiend, so eine Person zu spielen. Ich glaube, die meisten Leute würden gern mehr sein wie Frances und sagen, was einem so gerade durch den Kopf geht.

Erlauben Sie sich keine Konfrontationen?

Na ja, das würde ja sofort in der Klatschspalte und im Internet erscheinen. Aber ich erinnere mich an eine kleine Konfrontation bei einer Geburtstagsparty, weil die Kids da mein Kind in ihrem Spielhaus nicht mitspielen lassen wollten. Da wurde ich etwas rotzig und musste mir schliesslich sagen: Michelle, das sind Vierjährige. Komm herunter!

Inzwischen sind Ihre Kinder erwachsen. Wie gehen Sie damit um, dass Ihre Kinder ausgeflogen sind?

Seit dem letzten Jahr habe ich sie nicht viel gesehen, eigentlich nur über Weihnachten, weil sie in anderen Städten leben. Sie haben ihr eigenes Leben. Ich vermisse sie sehr, aber ich bin auch glücklich, wie unabhängig und gefestigt sie in ihrem Leben sind.

Frances im Film hat das Erbe ihres verstorbenen Mannes ausgegeben und nun finanzielle Sorgen auf hohem Niveau. Erinnern Sie sich an eine Zeit, in der Sie knapp bei Kasse waren?

Ja, als ich zuerst nach Los Angeles zog, um Schauspielerin zu werden, musste ich jeden Penny umdrehen. Vielleicht gibt es mal einen grossen Zahltag, der dann aber ein Jahr reichen muss. Das einzuteilen, ist nicht immer einfach, vor allem, wenn man jung ist. Wenn man Geld hat, kann man leicht sagen, es macht nicht glücklich. Aber wenn man finanzielle Probleme hat, hat man diesbezüglich eine andere Perspektive.

«French Exit» ist ab dem 19. August in Deutschschweizer Kinos zu sehen. 

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Wofür geben Sie gern Geld aus?

Ich weiss nicht; vielleicht für einen Mantel oder eine Handtasche. Und ich habe eine Schwäche für Stiefel!

Hat sich Ihre Einstellung zu Luxus seit der Pandemie verändert?

Ich habe wohl wie viele Menschen gemerkt, wie wenig man eigentlich braucht im Leben. Und wie schnell man sich im Glauben verstrickt, man müsse mehr Dinge haben. Dabei sind sie eben nur das: mehr Dinge. Was zählt, sind die Verbindungen mit den Leuten, die uns im Lockdown vorenthalten waren. Das ist eine positive Erkenntnis des vergangenen Jahres. Aber klar, ein paar tolle neue Stiefel machen mir immer noch Freude. Grössere Luxus-Wünsche habe ich nicht.

Älter werden ist ebenfalls Thema in «French Exit». Sie sind 63. Wie gehen Sie selber damit um?

Eigentlich ganz entspannt. Aber das war nicht immer so. Wenn man mal realisiert, dass weniger Zeit vor als hinter einem liegt, ist das schon eine bittere Pille. Aber das Gute dabei ist, dass die Prioritäten sich ändern. Fitness-Training machte ich früher aus Eitelkeit, jetzt für die Gesundheit – es ist egal, dass ich nicht aussehe wie 35. Man fängt sich um das Hirn an zu sorgen. Gesundheit ist alles und meine Beziehungen und Community. Da will ich meine Zeit investieren.

Ihr Leben ist skandalfrei geblieben. Wie konnten Sie die gerade Linie stets erfolgreich aufrechthalten?

Ich bin einfach immer meinem inneren Kompass, einer Mischung aus Mut und Naivität, gefolgt. Ich fing mit der Schauspielerei an, obwohl ich keinen Zugang zur Filmindustrie hatte und mir Hoffnungen auf Erfolg machen konnte. Aber ich fand den Dreh. Dann wollte ich eine Familie und adoptieren. So habe ich das eher früher als später in die Wege geleitet. Dann habe ich die Henry-Rose-Duft-Marke kreiert und dabei einfach einen Fuss vor den anderen gesetzt. Ich kann gut Brosamen folgen, um schliesslich ans Ziel zu kommen.

Auch Ihre Ehe mit Serien-Schöpfer David E. Kelley hat gehalten. Streiten Sie nie?

Nicht sehr oft. Unsere Meinungen gehen manchmal zwar sehr auseinander, aber wir kommunizieren gut miteinander. Jedenfalls machen wir etwas richtig, denn wir sind nun schon über 27 Jahre zusammen.

Nicht nur in «French Exit», auch in Ihrem wirklichen Leben gehört eine Katze zur Familie. Bella trinkt offenbar das Wasser aus der Pfote, wie man auf Ihrem Instagram-Account erfahren kann ...

Ist das nicht lustig? Zuerst dachte ich, sie putzt ihre Pfoten, aber dann habe ich Kate Beckinsale gefragt, die in solchen Sachen Expertin ist, und sie meinte, sie sei vielleicht darauf bedacht, ihre Schnurrhaare nicht nass zu machen. Das könnte sein.

Vor fast 30 Jahren haben Sie als Catwoman das Kinopublikum zum Schnurren gebracht. Damals gehörten Schauspielerinnen mit 40 zum alten Eisen. Hat sich diesbezüglich in Hollywood endlich etwas verändert?

Ich war Anfang 30, als ich mit Sean Connery, der 60 war, in «The Russia House» spielte. Beim Altersunterschied hat sich nicht viel verändert, finde ich. Aber sonst schon. Nicht, dass ich jetzt noch die sexy Hauptrolle spielen werde. Das ist auch okay. Solche Rollen haben mir auch nie wirklich Spass gemacht. Aber jetzt gibt es mehr Möglichkeiten für Frauen in meinem Alter, sogar für Frauen über 70. Es sind nicht die romantischen Hauptrollen, aber dafür sind sie umso spannender.