Gleichstellung im Film«Schliesslich stand ich mit sieben Männern auf dem roten Teppich»
sda
22.9.2021 - 10:23
Die Gleichstellung im Schweizer Filmschaffen kommt harzig voran. Doch die Jungen holen auf, wie eine neue Studie zeigt. Produzentin Franziska Sonder über Karrierebeschleuniger und ihre eigene Förderpolitik.
Keystone-SDA, sda
22.09.2021, 10:23
22.09.2021, 14:08
Céline Graf, SDA
Die Produzentin Franziska Sonder führt mit Eva Vitija und Maurizius Staerkle Drux die Produktionsfirma Ensemble Film mit Schwerpunkt Dokumentarfilm in Zürich.
Ihr erfolgreichster Titel bisher ist der Kurzfilm «Das Spiel» von Roman Hodel (2020).
Im Frühling 2022 soll Eva Vitijas Porträt «Loving Highsmith» über die Krimimeisterin Patricia Highsmith ins Kino kommen. Franziska Sonder studierte an der Hochschule Luzern, der Filmakademie Baden-Württemberg und der Filmhochschule La Fémis in Paris. Sie ist 1985 in Wattwil SG geboren.
Für eine Filmkarriere in der Schweiz braucht es vor allem einflussreiche Kumpels und Kontakte, wie eine neue Studie des Bundesamts für Kultur (BAK) darlegt. Deckt sich das mit Ihrer Erfahrung?
«Genau, ohne grosses Netzwerk funktioniert Film nicht. Gerade auch in der internationalen Zusammenarbeit, wie mir besonders in einem Weiterbildungsjahr im Ausland bewusst wurde. Zudem habe ich mir früh Vertrauenspersonen gesucht, mit denen ich jederzeit reden kann, wenn ich bei etwas anstehe.»
In der Studie wird beschrieben, dass Filmemacherinnen schwerer ins «Buddy-System» gelangen. Das klingt nach Männerclubs wie aus einem früheren Jahrhundert.
«Es mag Männer-Seilschaften geben, die sich gegenseitig Jobs zuschieben. Generell empfinde ich das Empfehlen von Leuten nicht als geschlechterspezifische Eigenheit oder etwas Negatives. Ich mache das selbst gern. Gleichzeitig erachte ich es als wichtig, dass es auch Interessengruppen und Netzwerke explizit für Filmemacherinnen gibt, wie das Swiss Women’s Audiovisual Network (Swan).»
Dennoch bleiben Frauen vor und hinter der Kamera in der Minderheit. Ein politisches Mittel dagegen wären Diversitäts-Quoten für Fördergelder. Fänden Sie diese sinnvoll?
«Ja, mit einer Quote kann schneller ein Status erreicht werden, der selbstverständlich sein sollte. Andererseits gibt es schon zu viele Auflagen in der Filmförderung. Wirkungsvoller wäre vielleicht ein Belohnungsansatz. Wenn etwa eine Crew mit vielen Frauen in Leitungspositionen zusätzliche Gelder erhielte.»
Eine andere Hürde sind die Arbeitsbedingungen: Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie beim Film bleibt miserabel, wie die BAK-Studie aufzeigt.
«Wir haben echt einen familienfeindlichen Beruf. Ich beobachte, dass sich viele Kolleginnen und Geschäftspartnerinnen in meinem Alter fragen, ob sie Eltern werden und trotzdem ihre Filmkarriere weiterführen können. Für mich ist klar, dass beides zusammen gehen muss. Es war aber schon von Vorteil für mich, dass ich bisher ohne Unterbruch und mit voller Intensität arbeiten konnte. Um Filmschaffende mit Kindern zu entlasten, muss noch einiges passieren.»
Was zum Beispiel?
«Es braucht sichtbare Vorbilder. Verbessern sollte sich unbedingt auch die Unterstützung der privaten Kinderbetreuung. Krippen sind nicht so flexibel, wie es unsere Arbeitszeiten etwa bei Dreharbeiten verlangen. Ein befreundetes Regiepaar, mit dem ich kürzlich nach Belgrad an ein Festival gereist bin, begleitete der Grossvater zum Kinderhüten. Ein Glücksfall – aber eher eine Ausnahme, wenn ich mein Umfeld anschaue.»
Welche Gleichstellungspolitik pflegen Sie als Arbeitgeberin?
«Ich versuche, bei allen Produktionen Frauen dabei zu haben. Aber das ist nicht einfach. Exemplarisch ist dafür unser Kurzfilm 'Das Spiel'. Der Nachwuchsregisseur achtete sogar noch strenger als ich darauf, dass viele Frauen im Team sind. Wie so oft veränderte sich das Team aufgrund von Timing und Verfügbarkeit im Laufe der Produktion. An der Premiere stand ich schliesslich mit sieben Männern auf dem roten Teppich. Das Bild widerspiegelte unsere Bemühungen gar nicht.»
Stand es Ihrer Karriere je im Weg, eine Frau zu sein?
«Ich habe oft gelitten unter den patriarchalischen Strukturen der älteren Generationen. Einmal erklärte mir ein Produzent, ich sei zu nachsichtig – Vertragsverhandlungen seien nämlich wie Kriegsführung. Das erschien mir absurd. Und vor allem am Anfang fand ich es schwierig, gehört zu werden in Diskussionen mit dominanten Personen. Ich ärgerte mich nachher über mein zurückhaltendes Verhalten, das in unserer Gesellschaft nach wie vor eher Frauen zugeschrieben wird.»
War das im Studium bereits so?
«Nein, während der ersten Jahre im Beruf. An der Kunsthochschule herrschte ein ausgeglichenes Geschlechterverhältnis. Essenziell für meine Karriere war, dass ich dort, aber auch in den ersten Jobs, auf viele starke weibliche Vorbilder traf.»
Nun sind Sie selbst ein Vorbild. Was raten Sie Anfängerinnen und Anfängern?
«Sie sollen ein gesundes Selbstvertrauen bewahren und weniger an der eigenen Intuition zweifeln. Selbstkritik ist zwar wichtig, aber Zweifel sind hinderlich. Der offene Austausch mit unterstützenden Filmschaffenden stärkt dabei nicht nur das Netzwerk, sondern auch das Selbstvertrauen.»