TV-Händler im Interview «Bares für Rares»-Star Wolfgang Pauritsch im Interview: «Wir haben definitiv kein Drehbuch!»

tsch

8.6.2019

«Wenn wir am Tisch sitzen, sind wir absolute Konkurrenten.» – Im Bluewin-Interview spricht Wolfgang Pauritsch über die Dynamik am TV-Händlertisch der ZDF-Show «Bares für Rares», die Fake-Vorwürfe und den wohl schlechtesten Deal, den er je gemacht hat.

Er sitzt in der Mitte und sagt mit österreichischem Akzent «gnädige Frau». Seit der ersten Staffel des ZDF-Trödel-Quotenknallers «Bares für Rares» 2013 gehört Wolfgang Pauritsch zur Händlerrunde. Bis dahin war es für ihn ein turbulenter Weg: Als gelernter Schlosser kam Pauritsch Anfang der 90er-Jahre aus der Steiermark nach München, wo er eines Tages als Wachmann in einem Auktionshaus spontan für den erkrankten Auktionator einsprang – und seine Berufung fand. «Jeder Kauf muss aus dem Bauch heraus entschieden werden», weiss der Antiquitätenhändler und öffentlich bestellte Auktionator.

Er scheint ein recht gutes zu haben, denn seit über 20 Jahren betreibt er mit einer Partnerin sein Auktionshaus in Oberstaufen im Allgäu, wo er hauptsächlich mit Juwelen, Bronzen und moderner Kunst handelt. Seine Bildschirmpräsenz hat der 47-Jährige mittlerweile auf 60 Sendungen pro Jahr reduziert (von etwa 250), um sich wieder mehr dem Geschäft und der dortigen Stammkundschaft widmen zu können. «Ich weiss, wie schwer es ist, 100 Euro richtig zu verdienen», sagt Pauritsch. Im Interview mit Bluewin erzählt er unter anderem, wie es ihm aber auch schon gelungen ist, 1'000 Euro in einer Minute zu verdienen.

Bluewin: Sie tragen einen sehr auffälligen Ring am Finger. Welche Geschichte hat der?

Das ist mein Ehering. Der Stein, ein Brillant, hat keine sehr gute Qualität. Er hat Einschlüsse, die man mit blossem Auge erkennen kann. Aber es war der erste Brillant, den ich mir gekauft habe, seitdem ich in Deutschland lebe und arbeite. Er hat einen ideellen Wert für mich. Er hat seine Macken, und ich habe auch meine Macken. Ich habe ihn schon seit 26 Jahren am Finger und zu meiner Hochzeit im Jahr 2010 umbauen und den Namen meiner Frau eingravieren lassen. Meine Frau hat fast den gleichen, nur ein bisschen kleiner.

Woher kommt Ihre Begeisterung für Diamanten? In Ihrem Buch schreiben Sie von einem väterlichen Freund, der Ihnen das Wissen vermittelt hat ...

Ich hatte immer das Glück, mit Menschen zu tun zu haben, die sehr intelligent sind. Ich war ein junger Kaufmann, die Diamantenhändler waren meistens schon etwas älter. Aber ältere Herren freut es, wenn junge Menschen sich für ihr Fachgebiet interessieren. Mit einem meiner väterlichen Freunde, leider 2013 verstorben, war ich auf der Messe in Vicenza und in Antwerpen an der Börse. Er hat mich in das Edelsteingeschäft mit eingeführt und war wirklich so etwas wie ein Vaterersatz für mich. Ich habe noch einen zweiten väterlichen Freund, der auf Sylt lebt und auch mit Diamanten und Silber handelt, von dem habe ich auch sehr viel gelernt. Ein Diamant ist für mich deshalb so faszinierend, weil er unvergänglich ist – ob er in den 20er- oder 30er-Jahren gekauft worden ist oder erst vor fünf Jahren. Er behält immer seinen Wert und geht auch nicht kaputt.

Verkleidet auf dem Flohmarkt

Gehen Sie noch persönlich auf die Suche nach alten Stücken oder kommen die dank Ihrer Popularität durch «Bares für Rares» mittlerweile von alleine zu Ihnen?

Sehr viele Leute kommen zu uns. Wer aber etwas schätzen lassen möchte, muss einen Termin ausmachen! Dann kann ich am Telefon gleich sagen, dass ich für Möbel oder Teppiche nicht der Richtige bin. Aber ich gehe nach wie vor auf Antik- und Trödelmärkte. Das Problem ist nur: Die Leute kennen mich aus dem Fernsehen. Wenn ich dort eine Vase in die Hand nehme, die vorher 30 Euro gekostet hat, will die Verkäuferin auf einmal 100 Euro haben! Weil sie denkt, wenn ich mich dafür interessiere, muss es ja vielleicht etwas Besonderes sein.

Haben Sie's schon mal verkleidet versucht?

Ich bin verkleidet! Ich habe immer einen Hut auf und einen Schal um. Aber die Leute erkennen mich anhand meiner Stimme und meines Akzents. Von daher ist es schwer geworden, Schnäppchen auf dem Flohmarkt zu machen. Aber es ist nach wie vor eine Leidenschaft von mir. Ich gehe ganz in der Früh, wenn aufgebaut wird. Dann sind noch die besten Sachen da.

Stimmt es, dass momentan mehr Menschen alte Dinge loswerden wollen als erwerben?

Pauritsch: Es gibt mehr Menschen, die zum Beispiel ihre Rente aufbessern wollen. Aber ich bin schon der Meinung, dass Antiquitäten und Kunstgegenstände eine gewisse Renaissance erleben. Die Trödelmärkte heutzutage boomen. Es ist vielen Menschen wieder wichtig, etwas Wertvolles zu Hause zu haben, und dass dann zum Beispiel eine schöne Meissen-Vase auch echt von Meissen ist. Die Mode vergeht, der Stil bleibt. Was Schönes wird immer was Schönes bleiben. Die Geschmäcker sind Gott sei Dank verschieden.

Hat «Bares für Rares» diesen Trend befeuert?

Da bin ich mir ganz sicher. Mittlerweile gibt es auch zahlreiche Sendungen in anderen Programmen, die so ähnlich sind wie unsere. Das ist jetzt einfach ein Hype. Als ich nach Deutschland kam 1991, gab es innerhalb kürzester Zeit ganz viele Kochsendungen im deutschen Fernsehen. Heute sind es wieder weniger. Jetzt sind Antiquitäten und Kunstgegenstände ein Boom.

Wie wirkt sich Ihre Präsenz bei «Bares für Rares» auf Ihr Geschäft aus?

Sehr viele Menschen kommen in den Laden, aber die meisten wollen natürlich mich sehen, ein Foto, ein Gespräch oder ein Autogramm. Es ist nur so: Meine Geschäftspartnerin und ich sind jetzt seit über 20 Jahren in diesem Ort Oberstaufen und haben uns einen Kundenstamm aufgebaut. Diese Stammkunden muss man natürlich pflegen, die erfordern auch ein bisschen Zeit, mit denen geht man einen Kaffee trinken und redet ein wenig länger. Diesen Kunden verdanken wir, dass wir dieses gut gehende Geschäft haben. Oftmals kommen Fans mit fünf Mann hereingerannt und schreien: «Da isser!» Die Kunden erschrecken dann manchmal. Unterm Strich ist es aber natürlich gut, wenn man im ZDF auftreten kann.

Konkurrenz am Händlertisch

Wer alte Dinge verkauft, davon bekommt man in der Sendung ein gutes Bild. Aber wer sind die Käufer, die von Ihnen wiederum beispielsweise eine Jardiniere aus Silber für mehrere tausend Euro kaufen?

Wenn Sie eine silberne Jardiniere kaufen, dann haben Sie in erster Linie schon einmal Ihr Geld gut angelegt. Silber ist ein Edelmetall, sehr stabil im Preis. Ich bin sowieso der Meinung, dass Silber noch enorm steigen wird in den nächsten Jahren. Die Leute haben ein bisschen Angst um ihr Vermögen. Sie kriegen auf der Bank keine Zinsen mehr. Sie wollen den Wohlstand, den Sie haben, beibehalten. Bei einer Silberschale für 3'000 Euro liegt der Materialwert wahrscheinlich schon bei 2'000 Euro. Wenn der Besitzer einen Engpass hat, kann er sofort ins Pfandhaus gehen und 2'000 Euro für seine Schale bekommen. Das ist in den Köpfen der Menschen drin. Mit einer Porzellan- oder Glasvase geht das natürlich nicht.

Wer kauft die?

Solche Dinge kaufen meist ältere Menschen, die sich in ihren jungen Jahren so etwas Schönes nicht leisten konnten. Es kommt natürlich noch hinzu: Eine Vase, die einmal im ZDF zu sehen war, ist auf einmal populär und hat schon wieder eine Geschichte.

Wenn Sie in der Sendung etwas erwerben, welche Rolle spielt dann die Konkurrenz am Händlertisch mit den anderen?

Eine sehr grosse! Wenn wir am Tisch sitzen, sind wir absolute Konkurrenten, egal ob wir befreundet sind oder nicht. Jeder kauft auf eigene Rechnung mit seinem eigenen Bargeld, mit seinem eigenen Risiko. Und wenn ich etwas haben will, dann biete ich darüber. Aber da ist auch keiner dem anderen böse.

Kommt es tatsächlich vor, dass manchmal nur noch einmal geboten wird, um den anderen zu ärgern?

Das kann schon sein. Aber wenn der andere dann nicht mehr darüber geht, bekommt man vielleicht ein Teil, das man gar nicht wollte und ist selber schuld. Wir haben definitiv kein Drehbuch! Wir könnten gar nicht nach Drehbuch arbeiten, weil weder der Lucki noch der Waldi noch ich so etwas auswendig lernen könnten! Es ist alles echt, es ist alles spontan, es wird alles kurzfristig entschieden. Wir wissen vorher nie, wer kommt, was kommt und müssen binnen Minuten unser Urteil fällen. Dabei macht man natürlich auch Fehler. Aber das macht die Sendung so interessant. Es ist ein schönes Gefühl, wenn ich etwas kaufe, von dem ich überzeugt bin. Es ist natürlich die Kunst, dieses Objekt anschliessend mit einem Gewinn weiter zu verkaufen. Das klappt meistens, aber nicht immer. Es ist ein Spiel, das Ganze.

Ihr grösster Flop war ein vermeintliches Ölgemälde, das sich schnell als Druck erwiesen hat ...

Es stammte von einem ostpreussischen Landschaftsmaler, den es wirklich gab. Es kam eine Dame zu uns rein und legte das Bild auf den Tisch, das den Königssee darstellte. Da sagte der Fabian: «Ich geb' Ihnen 100 Euro», der Lucki sagte: «Ich geb' Ihnen 200 Euro», ich sagte: «Mir gefällt das Bild auch, ich geb' Ihnen 250 Euro». Es war schon sehr komisch, denn diese Verkäuferin sagte keinen Mucks. Sie nahm die 250 Euro und lief schon beinahe aus dem Händlerraum. Ich nahm die Lupe in die Hand und siehe da: Es war nur ein Rasterdruck zu sehen! Da sagte ich zu mir selbst noch in der Sendung: «Na bravo, Wolfgang, jetzt hast du für 250 Euro einen Druck gekauft, der keine 30 Euro wert ist.» Ich drehte das Bild um und schrieb mit Lackstift darauf: Mein bester Fehlkauf bei «Bares für Rares». Meine Händlerkollegen haben alle unterschrieben, und dieses Bild hängt heute noch als Mahnmal in meinem Büro, damit ich in Zukunft immer vorher die Lupe nehme! Seitdem habe ich so einen Fehler nicht mehr gemacht.

Auf welchen Deal sind Sie besonders stolz?

Ich habe einmal eine Borgward Isabella gekauft, ein Auto, für 35'000 Euro. So viel Geld hatte ich nicht dabei, ich liess eine Blitzüberweisung von einem Autohändler machen. So verkaufte ich das Auto in einer Minute, mit 1'000 Euro Gewinn. Ich konnte das Geld in der Sendung ausbezahlen an den Verkäufer. Es war ein sehr emotionaler Kauf, denn er hatte das Auto selbst restauriert und musste dann natürlich auch ein bisschen weinen. Aber er wollte sich unbedingt ein Boot kaufen, das konnte er dann. Und ich habe in einer Minute 1'000 Euro verdient.

Einer der teuersten Käufe bislang: 35'000 Euro bezahlte Wolfgang Paurtisch für dieses Cabrio und verkaufte es binnen einer Minute weiter.
Einer der teuersten Käufe bislang: 35'000 Euro bezahlte Wolfgang Paurtisch für dieses Cabrio und verkaufte es binnen einer Minute weiter.
ZDF

Zu Beginn Ihrer Selbstständigkeit in Oberstaufen, 1996, hatten Sie grosses Pech: Sie konnten sich noch keine Sicherheitsvorkehrungen leisten, die für eine Versicherung notwendig gewesen wären, wurden ausgeraubt und hatten plötzlich 150'000 D-Mark Schulden. Die haben Sie dann nach und nach als angestellter Auktionator abgestottert. Sie sind bei Ihren Grosseltern in einer «Bergbau-Kolonie» in der Steiermark aufgewachsen – heute handeln Sie mit Juwelen. Wie würden Sie Ihr Verhältnis zum Geld beschreiben?

Ich habe ein sehr gutes Verhältnis zum Geld, weil ich weiss, wo ich herkomme: von ganz unten. Ich weiss, wie schwer es ist, 100 Euro richtig zu verdienen. Deshalb passe ich beim Ausgeben auch auf. Ich bin am Boden geblieben und nicht grosskotzig. Wenn ich heute in ein Luxusgeschäft mit schönen Anzügen gehe, ist es ein gutes Gefühl zu wissen, dass ich mir so einen Anzug leisten könnte. Meistens bin ich dann zu geizig und kaufe lieber einen günstigeren. Ich habe meine Bücher in Ordnung, das ist sehr wichtig, wenn man ein Kaufmann ist. Die Buchhaltung ist das A und O.

Sind Online-Auktionshäuser eine ernstzunehmende Konkurrenz?

Diese Internet-Auktionshäuser berühren mich überhaupt nicht. Wenn jemand als Geldanlage Gold, Silber oder Uhren kaufen will, muss er zu einem Fachhändler gehen, am besten einem, der schon lange Jahre am gleichen Standort ist. Ich kann niemandem raten, auf einer Internet-Plattform etwas Wertvolles zu kaufen. Eine Kamera oder Golfbälle vielleicht ... Ich selbst habe noch nie etwas im Internet gekauft, ich kann das gar nicht. Ich habe nicht einmal ein Smartphone.

Apropos Golfbälle – Sie sind leidenschaftlicher Golfer. Haben Sie auch alte Golfschläger?

Ich habe ein ganz altes Golfset aus London um 1900! Das Problem ist: Man darf mit diesen Schlägern nicht spielen auf heutigen Plätzen. Es gibt aber eigene Turniere «Anno 1900». Da muss jeder mit diesen alten Schlägern spielen und trägt Knickerbocker dazu. Da habe ich auch schon mitgemacht, aber es ist sehr schwer, mit diesen alten Schlägern zu spielen.

Die Trödelshow «Bares für Rares» läuft werktags um 15.05 Uhr auf ZDF. Mit Swisscom TV Replay können Sie die Sendung bis zu sieben Tage nach der Ausstrahlung anschauen.

Preisrekord bei «Bares für Rares XXL»
Zurück zur Startseite