«Auf und davon»-Jubiläum «Bye bye la Suisse»: Umziehen im Kopf und einfach anders leben

tsch

15.2.2019

Leben in der Jurte – Die Spezialfolge zum «Auf und davon»-Jubiläum liess einen einmal mehr den eigenen Lebensstil hinterfragen. SRF zeigte eine eindrückliche Zusammenfassung aus dem RTS-Schwesterformat «Bye bye la Suisse».

«Auf und davon» heisst es seit mittlerweile zehn Jahren bei SRF, wenn Schweizerinnen und Schweizer das TV-Publikum an ihrem Aufbruch in ein neues Leben im Ausland teilhaben lassen. Genauer gesagt: Deutschschweizerinnen und Deutschschweizer. Doch auch im Welschland ist das Interesse an Auswanderer-Abenteuern gross, so dass der Sender RTS ein französischsprachiges Schwesterformat zeigt: «Bye bye la Suisse».

Zur Feier des Jubiläums nahm SRF nun eine Sonderausgabe ins Programm, in der drei komplette Episoden zusammengefasst wurden. «Auf und davon» inspiriert von Haus aus immer wieder dazu, mal die eigenen Gewohnheiten und Komfortzonen zu hinterfragen. Diese Spezialfolge hinterliess einen besonderen Eindruck. Denn Familie Leipzig ist nicht in erster Linie in ein anderes Land ausgewandert (Frankreich), sondern vor allem in einen neuen Lebensstil: In einer Jurte in der Haute Garonne will sie im Einklang mit der Natur leben.

In seinem früheren Leben war Benoît Leipzig Verkaufschef in der Schweiz, sah seine beiden Kinder Eliah und Nohim nur morgens und abends und sehnte sich gemeinsam mit Ehefrau Justine nach einem anderen Lebensrhythmus. In seinem neuen Dasein ist der Romand schon rein optisch kaum wiederzuerkennen: Er trägt noch mehr Bart und langes Haar, wirkt sehniger und fast ein wenig ernster.

Er lebt seit 2015 mit seiner Familie in einer selbst gebauten Jurte, auf 18 Hektar Land, wo er seine Kinder unterrichtet, Vieh züchtet und wenn es sein muss, ab und zu auch mal ein Tier schlachtet. «Für mich ist die Bilanz sehr positiv», erklärt Benoît. Auch wenn er heute vielleicht sogar mehr arbeite als früher. «Wir geniessen den Gegensatz zu unserem früheren Leben in der Schweiz. Dort schien mir der Rhythmus stressiger.»

Ausgewandert in einen eigenen Kosmos

Die Kamera zeigt faszinierend schöne Bilder dieser Landschaft in den Pyrenäen (und von den attraktiven Leipzigs, die zufällig aussehen wie Models für Fair Fashion). Die Familie scheint hier einen Ort des Friedens und der Harmonie unter blauem Himmel gefunden und geschaffen zu haben. Die Herausforderungen, in so ein Leben hineinzufinden, verschweigen sie nicht.

Auch nicht die finanziellen Schwierigkeiten (Justine arbeitet 70 Prozent). Doch man kann der ganzen Familie auch die Wohltat ansehen, die ihr das Leben im Einklang mit ihren Sehnsüchten bereitet. «Wir vertrauen einfach darauf, dass wir immer genug zum Leben haben werden», sagt Justine mit strahlenden Augen. «Es ist ein schönes Abenteuer, sich gemeinsam zu entwickeln. Hier haben wir dieses schöne Land dafür.» Vom Land an sich, der Haute-Garonne und Frankreich, hat man ausser dem Grundstück der Leipzigs übrigens nicht viel gesehen. Ist in diesem Fall aber zweitrangig, da sie quasi in ihrem eigenen Kosmos leben. Was die Leipzigs ausserdem zeigen, ist, dass so ein Leben nicht im Widerspruch zu den technischen Segnungen und Entwicklungen unserer Zeit stehen muss. So lernen zum Beispiel die Kinder Chinesisch am Laptop.

«Wir bereuen nichts»

Ein Leben mehr in Einklang mit der Natur, davon hatten auch Aline und Fred Müller geträumt, als sie von der Schweiz nach Kanada auszogen, vom Jura in den Yukon vor den Toren Alaskas. Allerdings kam es für das Ehepaar, beide Ende zwanzig, anders als geplant: Sie haben von den kanadischen Behörden keine Arbeitsbewilligung erhalten und müssen nach einem Jahr die Heimreise antreten. Man könnte jetzt sagen, die Müllers sind ein Besipiel dafür, wie man es nicht macht. Sie haben die Schwierigkeiten bei den Formalitäten unterschätzt, geben sie zu. Darum hätten sie sich vielleicht besser von daheim aus schon gekümmert, als einfach mal anzureisen und zu schauen, wohin das führt.

Andererseits: Die beiden würden alles genau so wieder machen. «In diesem Jahr sind wir erwachsener und gemeinsam stärker geworden», findet Aline. Jetzt denken die beiden über Familiengründung nach. «Wir bereuen nichts.» Ausserdem hat Fred eigentlich festgestellt: «Mir fehlten die Schweiz, die Familie und die Freunde. Es wäre wahrscheinlich für mich schwieriger gewesen zu bleiben als für sie zu gehen.»

Viel Unvorhergesehenes

Für den Waadtländer Jean-Luc Marchina könnte alles so schön sein: Der Fotograf, Videofilmer und Lampendesigner ist nach Kairo gezogen, um seine grosse Liebe, die Erzählerin und Autorin Abeer Soliman zu heiraten. Er ist kreativ, kontaktfreudig, bereit sich anzupassen, lernt Arabisch. Er hat Menschen getroffen, mit denen er sich eine Zusammenarbeit bei seinen zahlreichen Projekten vorstellen kann. Seine neue Umgebung inspiriert ihn: zum Beispiel zu einer Lampe in Form eines ägyptischen Brotlaibs. Aber auch ihm machen die Behörden das Leben schwer. Nach einem Jahr in Kairo darf Jean-Luc immer noch nicht in seiner neuen Heimat arbeiten. «In Ägypten kann sich alles von heute auf morgen ändern», hat er erfahren. «Es gibt viel Unvorhergesehens, also ist es ein ziemliches Auf und Ab.» Zum Glück hat er Ehefrau Abeer an seiner Seite, die sagt: «Wir sind beide Künstler. Manche Projekte klappen, manche nicht. Ich würde das nicht als Scheitern bezeichnen.»

Wenn diese Sonderfolge «Auf und davon – Bye bye la Suisse» eines gezeigt hat, dann: Scheitern gibt es nicht. Nur den Gewinn an neuen Erfahrungen. (Trotzdem drücken wir Jean-Luc die Daumen...)

Bereits einen Tag nach Ausstrahlung dieser Spezialsendung feiert SRF 1 «Auf und davon – das Jubiläum» dann so richtig: Fast drei Stunden lang wird Mona Vetsch auf Sendung sein und auf Tour durch Kanada, wo sie bei liebgewonnen «Auf und davon»-Helden wie Hermann Schönbächler nach dem Rechten sieht und dazwischen komplett neue Auswanderergeschichten zeigt (Samstag, 16.2., 20.10 Uhr).

Happy End beim Staffelfinale von «Auf und davon»
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