Interview Christian Kohlund: «Ich möchte einfach gesund bleiben»

Lukas Rüttimann

9.3.2019

Den Schweizer Schauspieler Christian Kohlund hört man aktuell im Film «Die Reise des Bashô». Bei «Bluewin» lässt sich der Basler aus über seine Projekte und unsere kaputte Gesellschaft.

In Deutschland und der Schweiz ist Christian Kohlund eine Schauspiel-Grösse. Dennoch scheint die Öffentlichkeit ihn nicht als solchen wahrzunehmen. Weil der 69-jährige Urbasler viele Eisen im Feuer hat, durfte «Bluewin» ihn per Telefon über seine aktuellen Projekte ausfragen.

Herr Kohlund, Wikipedia weiss über Sie, dass Sie «vor allem im leichten Genre beheimatet» sind. Stimmt das?

Ganz ehrlich: Über diesen Eintrag, der irgendwer über mich geschrieben hat, habe ich mich schon oft geärgert. Der Beitrag stammt ganz offensichtlich von einer Person, die nicht viel darüber nachgedacht hat, was ich in meinem Leben schon alles gemacht habe.

Fühlen Sie sich missverstanden?

Dass ich oft leichte Unterhaltung gemacht habe, kann und will ich nicht abstreiten. Aber ich habe bald rund 3000 Vorstellungen auf der Bühne hinter mir. Darunter waren sehr unterschiedliche Rollen von Shakespeare über Kleist bis hin zu Edward Bond – und das an grossen deutschsprachigen Bühnen. TV-Produktionen sind oft Jobs, die einem die Existenz sichern. Wenn man auf einer gewissen Schiene Erfolg hat, wird man schnell in eine Schublade gedrängt. Ich selber habe mich nie so gesehen. Denn während ich am TV in «Traumhotel» zu sehen war, habe ich auf der Bühne über 350 mal «Im Zweifel für den Angeklagten» gespielt. Insofern muss ich mich sicher nicht verstecken. Ich bin seit über 50 Jahren in diesem Beruf und der Meinung, dass beide Seiten dazu gehören.

Ihre Filmographie ist tatsächlich vielseitig.

Als junger Mann habe ich damals fast nur Abenteuer- und Kostümfilme gedreht. Irgendwann kam die «Schwarzwaldklinik», deren Erfolg alle überrascht hat. Wer hätte gedacht, dass diese Sendung über 28 Millionen Zuschauer vor den Bildschirm lockt und in die Geschichte eingeht? Das konnte keiner wissen. Dennoch: Dass ich deshalb die Gallionsfigur der seichten Unterhaltung sein soll, dagegen muss ich mich verwehren.

Zwischen ernsthafter und leichter Unterhaltung wird ja vor allem im deutschsprachigen Raum unterschieden...

... in Deutschland neigt man tatsächlich dazu, mit falscher Ernsthaftigkeit Qualität vorzugaukeln. Es gibt viele Krimis am TV, die auch nicht gerade reine Hochkultur sind. Dagegen gab es auch Akademiker, die mir gebeichtet haben, wie gern sie «Traumhotel» schauen. Die kamen vielleicht gerade aus dem OP, sahen die schönen Landschaften und konnten sich dabei prima erholen. Das hat durchaus seine Berechtigung.

Christian Kohlund in der Rolle von Anwalt Thomas Borchert im «Zürich-Krimi» überzeugt das Publikum.
Christian Kohlund in der Rolle von Anwalt Thomas Borchert im «Zürich-Krimi» überzeugt das Publikum.
ARD

Aktuell feiern Sie grosse Erfolge mit dem «Zürich Krimi» auf der ARD mit bis zu 5,5 Millionen Zuschauern. Wie erklären Sie sich diese tollen Zahlen?

Es läuft tatsächlich sehr gut. Das Angebot in dieser Branche ist derzeit massiv, und es ist nicht einfach etwas zu machen, das sich abhebt. Am Ende läuft das über  die Persönlichkeiten, die mitspielen. Der «Zürich Krimi» hat aber auch einen Top-Regisseur, der sehr nah dran an den Figuren dran ist. Warum etwas gut läuft, weiss man aber nie. Ausserdem sollte man den ganzen Quotenwahnsinn mit Distanz betrachten: Ein guter Film wird nicht besser, weil er gute Quoten hat. Und ein schlechter Film bleibt schlecht, auch wenn ihn viele Leute schauen.

Der «Zürich Krimi» hat einen etwas merkwürdigen Erscheinungs-Rhythmus. Können Sie uns aufklären?

Ganz einfach: Der «Zürich Krimi» ist keine Serien wie etwa «Soko Leipzig», sondern eine Fernsehreihe. Als wir damit begonnen haben, machten wir zwei Filme im Jahr, dann drei – und nun sind wir soweit, dass jährlich vier dieser Zürich-Krimis gedreht werden. Das hat mit dem Erfolg beim Publikum zu tun und freut mich natürlich.

Der Zen-Buddhist Bashô macht sich wortlos auf den Weg – begleitet von der Stimme Christian Kohlunds.
Der Zen-Buddhist Bashô macht sich wortlos auf den Weg – begleitet von der Stimme Christian Kohlunds.
Filmcoopi

Bald sieht respektive hört Sie das Publikum auch noch in einer anderen Rolle: Als Sprecher in «Die Reise des Bashô», einem meditativen Kinofilm über den japanischen Dichter und Zen-Buddhisten Bashô.

Ja, das ist eine ganz wunderbare Sache, bei der ich hoffe, dass sie ihr Publikum findet. Mein ganzes Lob gilt dem Regisseur Richard Dindo. Gerade ich weiss, wie schwer es ist, in der heutigen Zeit ein solches Filmprojekt zu realisieren. «Die Reise des Bashô» wird sicher kein Blockbuster; die Leute werden nicht Schlange stehen, obwohl der Film das verdient hätte. Aber es ist einfach toll, dass es solche Werke heutzutage noch gibt. Es ist ein Kunstfilm, der nicht auf den Kommerz schielt und dadurch einzigartig ist. Chapeau.

Sehen Sie diesen Film als Plädoyer für die Entschleunigung in einer immer schneller werdenden Welt?

Absolut, das halte ich in der heutigen Zeit für unglaublich wichtig. Man muss immer mal wieder aus der Mühle heraustreten und reflektieren. Bei mir hat das sicher auch mit dem Alter zu tun: Ich werde nächstes Jahr 70, da ist man in einem anderen Rhythmus als mit 45. Heute bin ich ein interessierter Mensch, der oft erschrickt, wie viel Ungutes auf der Welt geschieht. Es läuft so viel falsch. Ich weiss nicht, welches Irrenhaus seine Tore geöffnet hat, dass heute so viele Wahnsinnige herumlaufen. Zum Beispiel in Brasilien, der Türkei, von den USA ganz zu schweigen – wir waren doch in den 70ern und 80ern mal auf einem besseren Weg! Ich habe oft das Gefühl, das dürfe alles gar nicht wahr sein.

Haben Sie eine Erklärung für diese Entwicklung?

Die komplette Neoliberalisierung ist sicher ein Hauptgrund für das Übel. Die hat unsere Menschheit in ein Tempo gestürzt, das ungesund ist. Und wenn man sieht, dass ein Land wie Deutschland den höchsten Niedriglohnsektor in ganz Europa hat, ist für mich klar: Hier läuft etwas komplett schief. Ich bin gegen Verbote, aber einfach alles ohne Regulierungen frei laufen zu lassen, ist sicher auch nicht richtig.

Sie haben es angesprochen: Sie werden nächstes Jahr 70. Hat Christian Kohlund noch Träume?

Ich möchte einfach gesund bleiben und mich weiterhin an meiner Arbeit erfreuen können. Natürlich könnte ich sagen: Ich will unbedingt noch King Lear spielen. Aber solche Dinge kommen – oder sie kommen eben nicht. Das habe ich gelernt im Leben. Als Schauspieler ist es zudem immer eine Sache der Konstellation, man ist immer Teil eines Ganzen. Da muss vieles zusammen passen. Deshalb träume ich für mich weiter, das ist legitim. Aber ich lasse die Dinge auch ganz entspannt auf mich zukommen.

«Der Zürich Krimi» mit Christian Kohlund lief am Donnerstag, 7. März, um 20.15 Uhr auf ARD. «Die Reise des Bashô» läuft momentan in unseren Kinos.

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