«Tatort: Limbus» Darum sah man im «Tatort» eine tote Kommissarin

tsch

8.11.2020

In Teufels Experimenteküche: Professor Boerne landet im neuen Münster-«Tatort» in der Vorhölle und steht dabei buchstäblich neben sich. Gibt es solche Nahtoderfahrungen wirklich? Und wie oft treiben falsche Ärzte wie der «Tatort»-Mörder in der Wirklichkeit ihr Unwesen?

Falls mal einer nach der Vorhölle fragt: Die findet man in einem Industriegebiet in Münster direkt hinter einer beschmierten Brandschutztür. «Limbus» nennt der Theologe diesen Übergangsort am äussersten Höllenkreis, und «Limbus» heisst auch der jüngst ausgestrahlte «Tatort», der Kommissar Thiel (Axel Prahl) und Professor Boerne (Jan Josef Liefers) einen Blick ins Jenseits werfen liess. Das mit der Vorhölle ist absolut wörtlich zu verstehen in dieser Kriminalfarce, die den Boden des Weltlichen verlässt. Ein doch gewagter Ansatz, dem sich allerdings einige der schönsten surrealen Szenen der «Tatort»-Geschichte verdanken. Sowie eine Handvoll Fragen ...

Worum ging es?

Um das Leben und den Tod und einen transzendentalen Ort dazwischen. Nachdem Professor Boerne mit einer Insulin-Spritze betäubt einen kapitalen Autounfall baut, steht der Rechtsmediziner buchstäblich neben sich. Während sein Körper auf der Intensivstation im Sterben liegt, findet sich sein Geist im «Limbus», der Vorhölle wieder, wo ihm ein Sachbearbeiter in Gestalt von Kommissar Thiel begegnet. Immer wieder entkommt der Professor in die Realität, wird dort aber nicht mehr wahrgenommen und kann somit auch nicht sein Täterwissen über den mörderischen Hochstapler (Hans Löw) mitteilen, der sich als Urlaubsvertretung Dr. Jens Jacoby ausgibt. Zum Verrücktwerden!



Wie häufig werden falsche Ärzte enttarnt?

Leider häufiger, als man annehmen möchte. 2019 erst wurde in Deutschland der Fall einer 48-jährigen Betrügerin bekannt, die mit gefälschten Zeugnissen als Assistenzärztin jahrelang in einer Klinik bei Kassel tätig war. Infolge fehlerhafter Anästhesien verstarben vier Patienten. Laut einer Auswertung des LKA Wiesbaden gab es seit dem Jahr 2014 mindestens zwölf Fälle enttarnter Hochstapler im Gesundheitswesen alleine im Bundesland Hessen.

Bundesweit wird von einer hohen Dunkelziffer ausgegangen. Auch weil Datenschutz und die dezentrale Erfassung von Zulassungen in 17 Landesärztekammern Systemschwächen offenbaren, die pathologische Narzissten im weissen Kittel auszunutzen wissen. «Deutschland macht es medizinischen Hochstaplern zu leicht», klagte Eugen Brysch von der Deutschen Stiftung Patientenschutz im vergangenen Jahr: «So wird mit dem Leben der Patienten gespielt.»

Der wohl bekannteste Fall eines falschen Arztes ist der des vermeintlichen Psychiaters «Dr. med. Dr. phil. Clemens Bartholdy». Den falschen Namen und Titel verwendete zwischen 1980 und 1997 der Postzusteller Gert Postel, der im Zuge seiner fingierten Mediziner-Karriere sogar eine Stelle als Amtsarzt bekleidete. Nach seiner vorzeitigen Haftentlassung im Jahr 2001 veröffentlichte Postel das Sachbuch «Doktorspiele – Geständnisse eines Hochstaplers».

Gibt es Nahtoderfahrungen wie die von Professor Boerne wirklich?

Autoskopie lautet der Fachbegriff für das wahrhaft irritierende Phänomen des Sich-selbst-Sehens. Solche ausserkörperlichen Erlebnisse werden berichtet etwa bei klinisch Toten, die reanimiert wurden. Auch im Zusammenhang mit epileptischen Anfällen und vaskulären Hirnschädigungen konnten autoskopische Wahrnehmungen nachgewiesen werden. Allerdings ist die Forschungslage zum schwer greifbaren Thema – wie sich denken lässt – eher dünn.



Warum sah man im «Tatort» eine tote Kommissarin?

Wird das Stammpublikum den Münsteraner Quotenkönigen (verlässlich über zehn Millionen!) den Ausflug ins Transzendentale verzeihen? Oder die Macher (Buch: Magnus Vattrod, Regie: Max Zähle) auf direktem Weg zum Teufel wünschen? Zu bedenken allerdings ist: Ein letztes Wiedersehen mit Thiels langjähriger Partnerin Nadeshda Krusenstern wäre auf dem festen Boden des «Tatort»-Realismus wohl kaum möglich gewesen. Die Kommissarin war in der improvisierten Neujahrs-Folge «Das Team» einem Mord zum Opfer gefallen. Schauspielerin Friederike Kempter will nach 17 «Tatort»-Jahren mehr Zeit für andere Projekte haben.

Wer ist der Nachfolger von Kommissarin Krusenstern?

In «Spieglein, Spieglein» (2019) trat Kripo-Assistent Mirko Schrader noch als Urlaubsvertretung für Kommissarin Krusenstern in Erscheinung (Friederike Kempter verpasste die Dreharbeiten in Elternzeit). Das tat er so überzeugend, dass nun eine Festanstellung daraus geworden ist. «Er kocht den besten Kaffee der Welt, ist überraschend sportlich und weder auf den Kopf, geschweige denn auf den Mund gefallen», beschreibt Axel Prahl den neuen Assistenten. Verkörpert wird er vom aus Lüdenscheid stammenden und in Hamburg lebenden Schauspieler Björn Meyer (Jahrgang 1989), für den es die bisher bedeutendste TV-Rolle ist.

Wie geht es beim Münster-«Tatort» weiter?

Mit einer Leiche im Burggraben. Die wird im «Tatort: Es lebe der König!» (Buch: Benjamin Hessler, Regie: Buket Alakus) am Fusse einer Wasserburg im Münsterland entdeckt. Die Dreharbeiten fanden im Juni und Juli statt, es war die erste «Tatort»-Produktion des WDR nach der Corona-bedingten Pause im Frühjahr. «Allen im Team sind die besonderen Umstände erst recht Ansporn, dem Publikum am Ende beste Krimi-Qualität zu liefern», versicherte WDR-Fiction-Chef Alexander Bickel. Sendetermin ist bereits der 13. Dezember.

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