«The Wilds» Die wahre Hölle ist der Teenie-Alltag

Von Lukas Rüttimann

6.1.2021

Der junge Cast von «The Wilds».
Der junge Cast von «The Wilds».
Amazon

In der Amazon-Serie «The Wilds» strandet eine Gruppe von Teenagerinnen auf einer einsamen Insel. Das ist spannend und trifft den Zeitgeist – trotz oder gerade wegen Corona.

Young Adult? Wer um dieses Thema einen weiten Bogen macht, hat allen Grund dazu. Schliesslich hat Hollywood in der Zeit nach «Twilight» nichts unversucht gelassen, diese Sorte Film (und Serien) nachhaltig in Grund und Boden zu fahren. Doch wer seit Flops wie «Mortal Instruments» oder «The Host» keinen Bock mehr auf Teenager am Rande des Nervenzusammenbruchs hat, tut dem Genre Unrecht. Denn wie «The Wilds» nun zeigt, können Teenie-Dramen nach wie vor eine dankbare Vorlage für unterhaltsamen, spannenden und durchaus tiefsinnigen Stoff sein. Man muss sie bloss clever inszenieren.

Amazon ist das mit seiner ersten YA-Serie zweifellos gelungen. In «The Wilds» verschlägt es eine Gruppe von jungen Frauen auf eine einsame Insel, nachdem ihr Privatjet auf dem Weg nach Hawaii ins Meer gestürzt ist. Statt eines Selbstfindungscamps im luxuriösen Lifestyle-Ressort erhalten die Teenies deshalb einen Survival-Crashkurs auf einer einsamen Insel mitten im Pazifik. Oder etwa doch nicht? Am Ende der ersten Episode sieht man, wie die Gruppe aus einer Art Kommandozentrum per Videoscreens überwacht wird.

Wen das alles an die J.J.-Abrams-Serie «Lost» erinnert, liegt nicht völlig falsch. Tatsächlich lässt sich «The Wilds» als Mix aus «Mean Girls» und «Lost» beschreiben, mit einem Mystery als Treiber der Handlung und konstantem Hickhack zwischen den jungen Frauen im Kampf um Anerkennung und das Überleben auf der Insel.

Nach und nach werden die Geschichten der Gestrandeten aufgerollt. Dabei wird klar, dass ihre Leben stärker miteinander verbunden sind, als sie bislang wussten – und dass jede mit ihren eigenen Dämonen zu kämpfen hat. Dass dabei jede der Insel-Teenies einen bestimmten Typus – und damit ein bestimmtes Klischee – abdeckt? Geschenkt, schliesslich will man sich mit den Protagonisten identifizieren können.

Zudem werden sie von den bislang eher wenig bekannten Schauspielerinnen, allen voran Newcomerin Sarah Pidgeon, glaubwürdig in Szene gesetzt. Sie und ihre Schicksalsgenossinnen erzählen in jeder Episode von ihren Mühen mit dem Alltag, dem Druck, dem junge Frauen nicht nur, aber vor allem in den USA ausgesetzt sind; von Social Media, der Liebe, Zukunftsängsten, erstem Sex, Hormonschüben – das volle Programm. «Ja, der Crash war ein Trauma», sagt Pidgeons Leah zu Beginn. Aber: «Jeden Tag ein Teenage-Girl in Amerika zu sein – das ist wirklich die Hölle.»

Die stärksten Momente hat «The Wilds», wenn die gestrandeten Teenies ihre Leben abwägen: den Überlebenskampf auf der Insel gegen das vermeintlich freie Leben zu Hause. Diese Neujustierung von Werten ist packend und trifft den Zeitgeist. Auch und besonders in Pandemie-Zeiten, in denen man genug Zeit zur Reflexion hat. Darüber, was einem wichtig ist – und auf was man auch post-Corona prima verzichten kann. Nicht nur deshalb ist «The Wilds» einen Versuch wert – sogar für Leute, die sonst einen weiten Bogen um Young Adult machen.

«The Wilds» ist bei Amazon Prime Video abrufbar.

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