«Liebe im Spektrum» Dating mit Autismus – endlich eine ehrliche Realityshow

Von Laura Hüttenmoser

18.8.2020

Berührend, erfrischend und lehrreich: Die neue Netflix-Doku «Liebe im Spektrum» begleitet junge Menschen mit Autismus bei der Partnersuche. 

«Was magst du am allerliebsten auf der Welt?», lautet Maddis Einstiegsfrage an Mark bei ihrem ersten Date. «Dinosaurier!», antwortet er wie aus der Pistole geschossen. Es ist keine typische Date-Unterhaltung über Jobs oder Ferien, und Maddi und Mark sind keine typischen Protagonistinnen und Protagonisten, wie man sie aus Realityshows kennt.

Worum geht's?

Die australische Netflix-Produktion «Liebe im Spektrum» begleitet junge Autistinnen und Autisten, die sich verlieben wollen. Sie zeigt ihre ersten Schritte in der Dating-Welt, aber auch den Beziehungsalltag von Paaren, ihre Hoffnungen und Träume. Für viele Autisten sind soziale Interaktion und das Knüpfen neuer Kontakte eine grosse Herausforderung, weil sie Schwierigkeiten mit Kommunikation haben – etwa sich in ihr Gegenüber hineinzufühlen oder die Körpersprache zu lesen. Eine vermeintlich lockere Sache wie ein Flirt kann da schon einer Herkulesaufgabe gleichen.

Um sich auf ihre Verabredungen vorzubereiten, bekommen einige der Protagonistinnen und Protagonisten Hilfe von Beziehungsexpertinnen, die auf Menschen auf dem Spektrum spezialisiert sind. «Viele denken, soziale Fähigkeiten seien abstrakt, aber in Wirklichkeit folgen wir konkreten Regeln», sagt Dr. Elizabeth Laugeson. Dazu zählt zum Beispiel, nicht nur über sich zu sprechen, Folgefragen zu stellen oder Blickkontakt zu halten. Unausgesprochene Regeln, die für viele selbstverständlich sein mögen, müssen manche Autistinnen und Autisten bewusst lernen.

Warum ist die Serie sehenswert?

Man könnte bei einer Show wie dieser befürchten, dass die Protagonisten vorgeführt werden, man Voyeurismus oder gar Mitleid beim Zuschauer wecken will. Zum Glück ist das bei «Liebe im Spektrum» zu keinem Zeitpunkt der Fall. Wir sehen selbstbewusste, junge Menschen, die wissen, was sie wollen und daran arbeiten, es zu bekommen. Maddi etwa beschreibt sich selbst als «unabhängig, ziemlich clever und eigenartig» und ihren Traummann als «gross, muskulös, reich».

Die Ehrlichkeit und Direktheit der jungen Männer und Frauen ist absolut erfrischend, ihre Aufrichtigkeit sehr berührend. Niemand will sich verkaufen als etwas, dass er oder sie nicht ist, spricht offen über Schwächen, fokussiert aber auf die Stärken. Als Zuschauerin und Zuschauer schliesst man jeden Einzelnen sofort ins Herz und fühlt bei jedem Auf und Ab mit.

Doch auch wenn die romantische Liebe der Aufhänger der Show ist, am meisten berühren die Beziehungen in der Familie, die ermutigende Supersquad im Hintergrund. Der Vater, der unglaublich stolz von seiner intelligenten Tochter schwärmt. Die Mutter, die vor dem Date gemeinsam hinsitzt und Konversation übt. Der Bruder, der einen Spickzettel schreibt, falls die Gesprächsthemen ausgehen sollten.

Liebe ist universal kompliziert

Menschen mit Autismus werden in Medien und Fernsehen selten bis nie repräsentiert. Wenn, dann werden sie meist als verkorkste Genies dargestellt, wie Sheldon Cooper in «The Big Bang Theory» oder Sherlock in der gleichnamigen Serie. Die Suche nach Liebe ist ein ausgezeichneter Zugang, die Welt des Autismus-Spektrums zu zeigen, ohne die Menschen als Sonderlinge darzustellen. Zwar mögen romantische Beziehungen und Dating für sie eine besondere Herausforderung sein, doch grundsätzlich sind sie das für uns alle. Unangenehme Pausen im Gespräch: check. Vor Nervosität nur Stuss labern: check. Nicht den Mut aufbringen, jemanden anzusprechen: kennt jeder.

«Liebe im Spektrum» räumt mit allfälligen Vorurteilen auf, etwa dass Autisten gar keine romantischen Beziehungen suchen und am liebsten alleine sind. Die fünfteilige Serie zeigt, dass es so viele verschiedene Ausprägungen von Autismus gibt wie Menschen (darum nennt man es «Spektrum») und vor allem, was für eine grosse Schönheit in dieser Vielfalt liegt.

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