Film im Film Warum der finstere Berlinale-«Tatort: Meta» eigentlich eine Komödie war

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18.2.2018

Zwei Kommissare verlieren sich in einem Film: Der neue Hauptstadt-«Tatort» wurde auf der Berlinale gedreht.

Ein Film im Film - aus Berlin. Der schräge B-Movie «Tatort: Meta» wird sein Publikum gespalten haben. Immerhin: Die beiden anstrengenden Kommissare Robert Karow (Mark Waschke) und Nina Rubin (Meret Becker) wurden hier mal so richtig lustvoll durchgeschüttelt. Selten lagen enorme Stärken und Schwächen in einem «Tatort» so eng umschlungen beieinander.

Was war los?

Kommissar Robert Karow (Mark Waschke) bekam einen abgetrennten Finger per Post zugeschickt. Als er mit Kollegin Nina Rubin (Meret Becker) den Absender aufsuchte, fanden sie in der Anonymität eines Lagerhauses den Rest des Körpers: die in einer Kiste konservierte Leiche einer minderjährigen Prostituierten. Die Tote wurde vor über einem Jahr von einer Filmproduktion dort eingelagert. Die Firma produzierte nur einen einzigen Streifen, der nun auf der Berlinale Premiere feierte. Im Kino sitzend, trauten die Kommissare ihren Augen nicht: Der Film erzählte offenbar ihren eigenen Fall.

Ergab die Story Sinn?

Natürlich nicht. Oder doch? «Meta» war ein «logischer» Film für Leute, die genau wissen, auf welcher mentalen Ebene Leonardo DiCaprio sich in Christopher Nolans «Inception» gerade befindet. Oder die schlüssig die Brüche der David Lynch-Meisterwerke «Lost Highway» oder «Mulholland Drive» erklären können. Schreit jemand hier? Genau! Tatsächlich war «Meta» ein sinnbefreiter Filmnerd-«Tatort», der jedoch nach gewissen Regeln funktionierte: denen des Genre-Kinos, das die beiden hochtalentierten «Tatort»-Macher Sebastian Marka (Regie) und Erol Yesilkaya (Buch) so lieben.

Wer sind diese Macher?

Marka und Yesilkaya darf der Zuschauer durchaus als Geschenk an die  Krimikultur betrachten. Sechs «Tatorte» haben die beiden bislang gemeinsam realisiert. Einige davon zählen zum Besten, was das Krimiflaggschiff in den letzten Jahren hervorbrachte. Darunter der Münchener Fall «Die Wahrheit» (2016), in dem ein Familienvater auf offener Strasse unmotiviert erstochen wird - und der Täter nie gefunden wird. Oder «Es lebe der Tod» (2016), in dem Ulrich Tukur eine hessische Variante des David-Fincher-Klassikers «Sieben» erlebt.

Worum ging es in «Meta» eigentlich?

Marka und Yesilkaya sind für den «Tatort» wichtig, weil sie angenehm undeutsche Fernsehkrimis hervorbringe. Auch wenn sie manchmal das Zitieren grosser Kinogeschichte - lustvoll - übertreiben: Die beiden in den späten Siebzigern geborenen Filmemacher denken immer gross und nie im Sinne einer staubigen «Wo waren Sie gestern Abend um 23 Uhr?»-Krimi-Langeweile. «Meta» war eine Denksportaufgabe im Film. Die Frage lautete: Wenn der Berlinale-Film «Meta» Karows und Rubins Fall erzählt, kann man dann die Ereignisse in der Realität aufhalten, also quasi den Schluss des Films verändern? Mit anderen Worten: feinste Movie-Philosophie!

Wie waren die Kommissare in Form?

Seien wir ehrlich: Karow und Rubin nerven. Der eine ist ein Arsch, die andere scheitert so oft beim Versuch, eine gute Mutter zu sein, dass man als Kind schon in der ersten Folge ausgezogen wäre. Auch wenn jene penetranten Charaktereigenschaften der Ermittler in «Meta» die gleichen blieben - sie wurden durch den kruden und am Rande der Genre-Parodie wandelnden Plot lustvoll durchgeschüttelt. Wenn sich Karow am Rande des Festivals - der «Tatort» wurde vor genau einem Jahr auf der Berlinale 2017 gedreht - in ein Kino vergräbt, um den Film «Meta» wieder und wieder zu sehen, erhält die Manie des Kommissars eine angenehm komische Note.

Wie waren die Filme im Film?

Ebenfalls ein komödiantischer - oder war es ein dilettantischer - Effekt war der Film «Meta», der kein «Tatort» war: jener fiktive Berlinale-Beitrag, in dem zwei von Fabian Busch und Ole Puppe dargestellte Cops die Handlung des «Tatorts» vorwegnehmen. Der Film im Film sah wie ein öder B-Movie aus, der so wohl niemals auf der Berlinale gelaufen wäre. Für diese Frechheit gibt es Punktabzug. Auffällig war der Qualitätsabfall vor allem, wenn man die Ausschnitte des zweiten Films im Film betrachtete - Martin Scorseses Klassiker «Taxi Driver» mit Robert De Niro.

Wie war das noch mal mit «Taxi Driver»?

In «Taxi Driver» erzählten Paul Schrader (Drehbuch) und Martin Scorsese (Regie) die Geschichte des einzelgängerischen New Yorker Taxifahrers Travis Bickle (De Niro) und seiner - nicht näher erklärten - Radikalisierung. Bickles Obsession ist es ist, eine jugendliche Prostituierte (die 13-jährige Jodie Foster) ihrem Milieu zu entreissen und New Yorker Strassen vom «menschlichem Abschaum» zu befreien. 1976 gewann «Taxi Driver» die Goldene Palme in Cannes. Bei den Oscars 1977 blieb es bei vier Nominierungen - und keinem Preis. Heute gilt «Taxi Driver» als einer der wichtigsten Filmklassiker aller Zeiten.

Wie gut war der «Tatort»?

Im Vergleich zu «Taxi Driver» wirken die beiden anderen Filme im Film eher wie mitgeschnittenes Amateurtheater. Wobei man relativieren sollte: Weil den Berliner Figuren Karow und Rubin schon immer eine klischeehafte Härte und Verzweiflung innewohnte, tat ihnen diese überdrehte Räuberpistole auch mal gut. Marka und Yesilkaya erreichten mit «Meta» nicht die einsame Spitzenqualität ihrer besten «Tatorte», sorgten aber für einen sehr unterhaltsamen, zitatreichen Abend. Ob man sich nun einen logischen Reim auf die Handlung machen konnte, war am Ende gar nicht wichtig. Es ist doch die lustvolle Verwirrung, die zählt. Nicht das Fazit eines abgeschlossenen Gedankens. Mit viel Wohlwollen: eine glatte Fünf!

Der neuste «Tatort» lief am Sonntag, 18. Februar, um 20.05 Uhr auf SRF 1. Mit Swisscom TV Replay können Sie die Sendung bis zu sieben Tage nach Ausstrahlung anschauen.

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