Kommentar Hat SRF Sport ein Frauenproblem?

von Roland Meier, Redaktor

29.6.2018

An kompetenten Frauen mangelt es im Schweizer Fussball eigentlich nicht. Doch beim SRF sitzen sie trotzdem nur auf der Ersatzbank.

Heute Freitag ruht der Ball in Russland. SRF zwei nutzt den frei gewordenen Programmplatz am ersten fussballfreien Abend der WM für die Free-TV-Premiere eines Star-Wars-Abenteuers. In «Episode VII – Das Erwachen der Macht» übernimmt mit Daisy Ridley alias Rey eine starke Frauenfigur die Hauptrolle. Dies steht im starken Kontrast zum Programm der letzten Wochen auf dem Sender. Frauen kommen bei der WM-Berichterstattung des Deutschschweizer Fernsehens nur am Rande vor.

Männer-Runden im Studio und vor Ort

48 WM-Spiele hat das SRF bisher übertragen. Im Sport-Studio begrüssen Paddy Kälin oder Lukas Studer jeweils zum Match passende Experten, die das eingespielte Team aus den Super- und Champions-League-Übertragungen ergänzen. Auch in den Stadien, in denen die Nati ihre WM-Partien absolviert, und vor dem SFV-Basislager in Togliatti befinden sich mit Beni Huggel, Rainer Maria Salzgeber und dem Reporter Jeff Baltermia erfahrene Leute. Auffallend jedoch dabei: Weibliche Personen spielen nur eine Nebenrolle.

Zum Tweets vorlesen degradiert

Fussball-Expertinnen sassen während der zwei Wochen seit Start der WM noch nie am TV-Pult. Weibliches SRF-Personal darf jeweils in einem Nebenraum die Meldungen aus den Sozialen Medien zusammenfassen. Konkret: Sibylle Eberle, die seit dem Frühling souverän «sportaktuell» moderiert und Annette Fetscherin, die während den Olympischen Spielen in Pyeongchang kompetent Ski-Stars im Zielraum interviewte. In dieser Rolle präsentiert die SRF-Sportredaktion ihre weiblichen Mitglieder während der WM.

«Frauen und Fussball» ist ein Reizthema. Der Fall der ZDF-Reporterin Claudia Neumann, welche 2018 erstmals WM-Spiele live kommentiert, nachdem sie schon früher im deutschen Fernsehen während der Champions League am Mikrofon sass, zeugt vom Sexismus der Fussball-Fans. Sie wurde dieser Tage erneut aufs Übelste beschimpft im Netz.

Expertinnen wären vorhanden

Weibliche Fussballerinnen, die ihre Expertise in die SRF-Sendungen einbringen könnten, gäbe es aber schon. Die Deutschschweizer Sport-Redaktoren müssten gar nicht mal so weit suchen. In der SRF-WM-Talkshow «Letschti Rundi», wo der Moderator Tom Gisler eine meist bierselige Runde aus Komikern und anderen Fussball-Laien zu Witzchen animiert, taten sich die letzten Tage vor allem Frauen mit klugen Quotes hervor: Sarah Akanji, die Schwester des Nati-Spielers Manuel Akanji, die in Eigenregie ein Frauenteam in Winterthur auf die Beine stellte. Oder Meriame Terchoun vom FC Zürich, die seit der Frauen-EM in Holland 2017 auch Endrunden-Erfahrung aufweisen kann. «Letschti Rundi» wird übrigens auch von SRF Sport verantwortet.

Frauen in der Romandie und im Ausland präsenter

Bei anderen Sendern präsentiert sich die Situation entspannter. Im Welschland ist Marie-Laure Viola die «Anchorwoman» des täglich ausgestrahlten RTS-Magazins «Au Coeur du Mondial». Der englische Sender ITV hat mit Eni Aluko einen Star der Frauenmannschaft von Chelsea London in der Live-Spiel-Expertenrunde sitzen. Sowohl bei der ARD (Jessy Wellmer) und im ZDF (Katrin Müller-Hohenstein) sprechen Reporterinnen regelmässig und ausführlich mit Cracks wie Ex-Kapitän Philipp Lahm oder dem Bundestrainer Joachim Löw. Sogar der «Blick» lässt in seinem WM-Podcast die Schweizer Mittelfeldspielerin Lia Wälti neben Ottmar Hitzfeld zu Wort kommen.

Von «Bluewin» auf die Situation angesprochen verweist SRF-Sprecher Lino Bugmann auf Kathrin Lehmann. Lehmann arbeitet seit 2015 als SRF-Fussballexpertin und ist für die Live-Reportagen der Nati auf Radio SRF 3 in Russland im Einsatz. Ihre Stimme wird auch den WM-Final begleiten. Welche Experten ab den Achtelfinals auf SRF zwei zum Einsatz kommen werden ist, ist gemäss Bugmann noch offen und «abhängig von den Paarungen».

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