FilmfestspieleMarkus Imhoofs neuer Dokumentarfilm "Eldorado" an der Berlinale
SDA
22.2.2018 - 16:04
Markus Imhoof ist zurück: Einer der wichtigsten Schweizer Filmemacher hat sechs Jahre nach "More Than Honey" wieder einen Film gedreht, der sich unwiderruflich ins Gedächtnis einbrennt. Am Donnerstag feierte die Flüchtlings-Doku "Eldorado" an der Berlinale Premiere.
Ein bewegtes Meer, kleine Punkte tanzen auf der Oberfläche. Ist es das in den Wellen changierende Licht? Die Kamera zoomt näher: Menschen sind es, sie treiben im Wasser und kämpfen um ihr Leben. Die Gefühle, welche die Eröffnungssequenz in Markus Imhoofs neuem Dokumentarfilm "Eldorado" hervorruft, sind Entsetzen, Ohnmacht und Wut - und sie lassen einen auch nach dem Abspann nicht mehr los.
Imhoof begleitete eine der letzten Fahrten der italienischen Marine im Auftrag der "Operazione Mare Nostrum": Sie rettete zwischen 2013 und 2014 über 100'000 Bootsflüchtlinge aus dem Mittelmeer vor den libyschen Gewässern, die meisten von ihnen aus afrikanischen Ländern.
Dem Tod entronnen, geht die Odyssee für die Flüchtenden meist weiter. Sie müssen sich Untersuchungen unterziehen, die manchmal furchtbar an einen Viehmarkt erinnern. Selten gelangen sie in die Länder, in die sie reisen wollten, meist bleiben sie irgendwo in überfüllten Lagern stecken, kämpfen mit Behörden oder versuchen sich mit ausbeuterischer Schwarzarbeit über Wasser zu halten. Und fast immer erhalten sie einen negativen Asylbescheid.
Imhoof gewährt Einblicke in eine Parallelwelt, die so detailliert selten gezeigt wird. "Das Schwierigste war nicht, etwa mit versteckter Kamera zu filmen, sondern die Drehbewilligungen für Interviews mit Behördenvertretern zu erhalten", sagte der 76-jährige Filmemacher der Nachrichtenagentur SDA vor der Weltpremiere in Berlin.
Die Berlinale, die sich als ein politisches Festival versteht, lud den Wahlberliner mit seinem neuen Film in die Wettbewerbssektion ein. Dort läuft "Eldorado" ausser Konkurrenz und ohne Anspruch auf die Goldenen und Silbernen Bären.
Hoffnungen auf einen Preis darf sich Imhoof dennoch machen: "Eldorado" ist für den zweiten "Glashütte Original Dokumentarfilmpreis" (50'000 Euro) nominiert, der den besten Dokfilm über alle Sektionen hinweg kürt.
Eine Aludecke als Symbol
Sechs Jahre nach "More Than Honey" verwebt der Zürcher Filmemacher einmal mehr die Geschichte eines globalen Phänomens mit einem Teil seiner eigenen Geschichte. Als Imhoof ein Kind war, nahmen seine Eltern vorübergehend ein italienisches Flüchtlingsmädchen bei sich auf. Immer wieder musste die kleine Giovanna aus politischen Gründen die Schweiz verlassen - was sie am Ende das Leben kostete.
"Mein Erlebnis als Kind mit dem Flüchtlingsmädchen Giovanna ist der Kern meines neuen Films 'Eldorado'." Der kleinen Giovanna erschien die Schweiz Mitte der 1940er Jahre wie ein Paradies. Ebenso hoffen heute Flüchtlinge darauf, in Europa ihr Eldorado zu finden.
Doch so sehr die Notfalldecke, welche die geretteten Schiffbrüchigen erhalten, glänzt, sie ist nicht Gold: Europa ist nicht das erwartete Paradies, denn die Flüchtlinge sind alles andere als willkommen. "Ich wollte die Maschinerie in Europa aufzeigen, die letztlich dafür sorgt, die Flüchtlinge abzuwehren." Immer wieder sei ihnen während der Dreharbeiten die Überforderung der europäischen Institutionen aufgefallen.
Imhoof sieht seinen Film als Fortsetzung von "Das Boot ist voll", der ihm 1980 unter anderem eine Oscar-Nomination einbrachte. In Europa gelte heute wieder der Grundsatz "Das Boot ist voll", so Imhoof, wenn auch aus anderen Gründen als zur Zeit des Zweiten Weltkrieges.
Appell an unsere Verantwortung
"Eldorado" ist in seiner Machart konventioneller als "More Than Honey", der mit aussergewöhnlichen Aufnahmen von Bienen bestach. Das tut der Wirkung des Films allerdings keinen Abbruch.
Um Neutralität bemüht sich Imhoof gar nicht erst, sie wäre hier sowieso fehl am Platz. Seine persönliche Motivation sei für ihn immer die Basis seiner Arbeit als Filmemacher, sagt er. In diesem Fall gipfelt der Antrieb in einem Appell an die Menschlichkeit und unsere gesellschaftliche Verantwortung gegenüber jenen, die nicht in Wohlstand und Sicherheit leben.
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