Tödliche Versuche mit Gift Mord für die Forschung: Doku über Uni Strassburg zur Nazi-Zeit

DPA

5.6.2018

An der von den Nazis gegründeten Reichsuniversität Strassburg spielte sich Schreckliches ab. Eine Doku zeigt die Gräuel – und geht dabei einer ganz persönlichen Geschichte nach.

Am Ende sind da 86 Leichen, zerteilt und in Flüssigkeit aufbewahrt. Sie sind der grausige Überrest eines Projekts im Namen der Wissenschaft. Hier, an der von Nazis gegründeten Reichsuniversität Strassburg, sollte in den 1940er Jahren eine Skelettsammlung mit den Knochen von Juden entstehen. Dutzende KZ-Häftlinge mussten dafür sterben. Doch die Sammlung wurde nie Wirklichkeit.

Im November 1944 befreiten die Alliierten Strassburg von der Herrschaft der Nationalsozialisten – und beendeten damit auch die kurze Episode der Reichsuniversität. Sechs Semester reichten den dortigen Ärzten jedoch, um tödliche Menschenexperimente durchzuführen und eben auch den Plan der Skelettsammlung zu ersinnen.

Düstere Kapitel in der Geschichte

Arte zeigt am Dienstag (21.45 Uhr) die Dokumentation «Forschung und Verbrechen» über das düstere Kapitel in der Geschichte der Strassburger Uni. Darin begibt sich Filmemacherin Kirsten Esch auf eine ganz persönliche Spurensuche: Ihr Grossvater, Johannes Stein, war zu Zeiten der Reichsuniversität Dekan der medizinischen Fakultät.

Was wusste er? Diese Frage zieht sich durch den ganzen eher nüchtern gehaltenen Film, der gespickt ist mit Original-Aufnahmen und in dem Historiker und Familienmitglieder zu Wort kommen.

Ein Bollwerk «germanischen Denkens» sollte entstehen

Die Reichsuniversität Strassburg galt als Herzensangelegenheit Adolf Hitlers persönlich. Hier, in der elsässischen Stadt, die so oft zwischen deutscher und französischer Herrschaft hin und her gewechselt hatte, sollte ein Bollwerk «germanischen Denkens» entstehen.

Zum Wintersemester 1941/42 – gut ein Jahr nach der Eroberung Strassburgs durch die deutsche Wehrmacht – wurde die dortige Uni als Reichsuniversität wiedereröffnet. Die besten Wissenschaftler des Reichs strömten ins Elsass. Einstellungsvoraussetzung für die meisten von ihnen: eine feste Überzeugung für die NS-Ideologie.

So kam auch Johannes Stein, der Grossvater der Autorin, mit seiner Familie nach Strassburg. Die Reichsuniversität sollte kurz darauf die einzige der NS-Zeit werden, an der Menschenexperimente durchgeführt wurden, wie der Historiker Rainer Möhler in der Doku sagt.

Für grausamen Zweck getötet

An der medizinischen Fakultät lehrten 28 Professoren, darunter auch der überzeugte Nationalsozialist August Hirt. Als Leiter der Anatomie testete er an 15 Häftlingen aus dem nahegelegenen KZ Natzweiler-Struthof die Wirkung von Senfgas. Drei seiner Opfer starben. Weitere Menschen kamen bei Versuchen anderer Ärzte ums Leben.

Hirt war es dann auch, der sich für die jüdische Skelettsammlung einsetzte. «Nur von den Juden stehen der Wissenschaft so wenig Schädel zur Verfügung, dass ihre Bearbeitung keine gesicherten Ergebnisse zulässt», schrieb er in einem Brief an die von Heinrich Himmler gegründete «Forschungsgemeinschaft Deutsches Ahnenerbe». «Der Krieg im Osten bietet uns jetzt Gelegenheit, diesem Mangel abzuhelfen.»

86 aus Auschwitz herbeigeholte Häftlinge starben 1943 für diesen grausamen Zweck in der Gaskammer des KZ Natzweiler-Struthof. Ihre zerstückelten Leichen waren es, die die Alliierten später im Keller der Strassburger Anatomie fanden.

Die Doku «Forschung und Verbrechen: die Reichsuniversität Strassburg» läuft am Dienstag, 5. Juni, um 21.45 Uhr auf Arte. Mit Swisscom TV Replay können Sie die Sendung bis zu sieben Tage nach der Ausstrahlung anschauen.

SS-Arzt Josef Mengele: Sein Schädel dient heute der Forschung
«Wir schweigen nicht» - zum 75. Todestag der Geschwister Scholl
Zurück zur Startseite