Scharfseher SRF lässt die Hosen runter

von Lukas Rüttimann

20.3.2018

Sex total auf SRF: Mit dem Finale von «Seitentriebe» und der Talkrunde «Let's talk about sex» präsentierte sich das Schweizer Fernsehen für einmal alles andere als prüde.

Viel ist geschrieben worden über «Seitentriebe», die freche Mini-Serie über Sexprobleme in Langzeitbeziehungen. Von Witzen, die man nicht lustig fand, Handlungen, die nicht realistisch seien, und vor allem – von sinkenden Quoten nach dem erfolgreichen Start.

Dabei ging eines oft vergessen. «Seitentriebe» ist nicht «Happy Day»; es ist auch nicht «Game of Thrones». Die acht kurzen Episoden über Freud und Leid von verschiedenen – eher urban angesiedelten – Charakteren hatte von Anfang an weder die Mittel noch das Ziel, ein Massenphänomen zu werden oder sich mit Samstagabendshows zu messen.

Die Serie von Güzin Kar sollte vielmehr ein Versuchsballon sein, der neben längst abgewandten vielleicht auch noch ein paar neue, jüngere Zuschauer auf den Sender (zurück)bringen könnte.

«Seitentriebe» wollte zeigen, dass SRF eben nicht nur Jassen und Folklore ist – sondern auch frech, frisch, urban, kurz und knackig sein kann. Nimmt man die nach wie vor beachtlichen Quoten als Massstab, ist dieses Vorhaben durchaus gelungen.

Konventionelles Finale

Klar: Nicht alles war immer nur prickelnd, nicht jeder Handlungsstrang ein absoluter Hit. Das gestrige Finale etwa präsentierte sich für eine Serie, die angetreten war Tabus zu brechen, doch eher konventionell. Nele und Gianni, die beiden Protagonisten, wollen sich eigentlich trennen, beginnen bereits mit der Gütertrennung – bleiben dann aber zusammen, weil sie von ihm schwanger ist und sie sich irgendwie doch noch lieben. Frech ist anders, zudem hat man die Wendung als geübter Serienseher kommen sehen.

Ohnehin hat «Seitentriebe» den anfangs sehr präsenten Mut zum Ende hin ein wenig zurückgeschraubt und an Schwung verloren. Dennoch waren die acht Folgen «Seitentriebe» über weite Strecken nicht nur unterhaltsam, witzig, authentisch und gut gespielt, sondern auch immer wieder für Überraschungen gut.

Wie jede gute Serie endete die erste Staffel mit einem Cliffhanger, der für die geplante Fortsetzung alles offen lässt. Zu wünschen wäre eine zweite Staffel sowohl den Fans wie auch den Macherinnen und Machern. Weh tuts in Sachen Sex schliesslich nur beim ersten Mal.

Lockeres Sex-Geplauder

Um Sex gings dann auch in der anschliessenden Talk-Runde «Let's talk about sex». Im Wohnzimmer bei Moderator Salar Bahrampoori sprachen zwei Prominente (Tanja Gutmann und Marco Fritsche) und drei Experten (Maggie Tapert, Sarah Christen und Bruno Wermuth) erstaunlich offen über Lust, Frust, Treue, Tabus und persönliche sexuelle Vorlieben.

Neo-Single und Ex-Miss Schweiz Gutmann etwa erzählte von ihrer Scheu, im Ausgang Männer anzusprechen. Fritsche derweil räumte mit Vorurteilen gegenüber Sexpraktiken unter Homosexuellen auf; Tapert zelebrierte einmal mehr ihre schon mehrfach am TV zur Schau gestellte Offenherzigkeit. Daneben versuchte Christen, die Sichtweise der Jugendlichen einzubringen, während Wermuth vor allem um Einordnung bemüht war.

Dank Bahrampooris unverkrampfter Moderation war das meist mehr lustig als peinlich, und die vielen erhellenden SRF-Archivaufnahmen machten eines klar: Sex hat die Gemüter immer schon bewegt, selten war man dabei einer Meinung.

So gesehen fügt sich auch das Experiment «Seitentriebe» wunderbar in die Geschichte vom Sex am Schweizer Fernsehen ein.

Die zwei letzten Folgen von «Seitentriebe» und der anschliessende Talk «Let's talk about sex» liefen am Montag, 19. März, ab 20.10 Uhr auf SRF zwei. Mit Swisscom TV Replay können Sie die Sendung bis zu sieben Tage nach der Ausstrahlung anschauen.

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