Tod durch Sex So irre war das Finale im Borowski-«Tatort»

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25.2.2018

Solo für Borowski: In seinem 31. Fall ermittelt der Kieler Kommissar auf einer Nordseeinsel. Dort trifft er eine ebenso erotische wie rätselhafte Frau.

Mord im Affekt per Cunnilingus: Man hat ja schon so einiges gerade in den letzten Jahren im «Tatort» gesehen ... Aber dieser vaginale Anschlag war dann doch etwas äusserst Aussergewöhnliches.

Eigentlich schade, dass die polarisierende Mordszene gegen Ende des Films vor allem in Erinnerung bleiben wird. Denn «Borowski und das Land zwischen den Meeren» hatte dann doch weit mehr zu bieten. Regisseur Sven Bohse setzte fast ausschliesslich auf das Spiel «Einsamer Wolf trifft einsame Wölfin» und konnte sich dabei auf seine beiden Hauptdarsteller Axel Milberg und Christiane Paul verlassen. Der Kriminaler und das Luder – beide chronisch melancholisch, beide mit einer tief sitzenden Sehnsucht nach Nähe.

Was war los?

Borowski (Milberg) ermittelte diesmal ausnahmsweise alleine. Auf der fiktiven Insel Suunholt wurde Oliver Teuber (Beat Marti) tot aufgefunden. Er wurde in seiner Badewanne ertränkt. Da dies mit einer gehörigen Portion Kraft verbunden sein musste, geht Borowski zunächst irrtümlicherweise von einem Mann als Täter aus. Es schien ausgeschlossen, dass die neue Lebensgefährtin des Opfers, Famke Oejen (Christiane Paul), die Mörderin war. Zumal Teuber in einen Kieler Korruptionsskandal verwickelt war. Dann verschwand er spurlos und liess seine Familie in dem Glauben, er sei tot. Es entstand ein etwas undurchsichtiger Kampf um die unterschlagenen 300'000 Euro, der weitere Menschenleben forderte, ehe klar wurde: Famke, eine Femme fatale wie aus dem Lehrbuch, wars ...

Wie realistisch ging es zu?

Es ist ein im Krimi ebenso gern genommenes wie unrealistisches Motiv: Polizisten lassen sich nicht auf amouröse Verstrickungen mit Tatverdächtigen ein. Und doch tun sie es im Fernsehen immer und immer wieder. Auch der Mord selbst dürfte eher der forschen Fantasie der Autoren denn der Realität entsprungen sein. Wohl aber stimmt: Die meisten Morde geschehen aus Liebe oder Gier, und so war es auch hier ...

Wie war der Kommissar in Form?

Mal abgesehen von seiner Bereitschaft, eine Nacht mit der rätselhaften Famke Oejen zu verbringen, tat Borowski der Solo-Ausflug gut. Nachdem seine ehemalige Mitstreiterin Sarah Brandt Kiel verlassen hat, war der Insel-Fall für ihn eine willkommene Flucht vor dem Alltag. Offen bleibt indes die Frage, ob dieser neue Borowski wirklich der originellere ist. Man erinnere sich an seine ersten Jahre nach 2003. Da war der Kieler Kriminaler ein schweigsamer, in sich gekehrter, mürrischer Typ, der sich spröde durch seine Fälle ackerte. Inzwischen hat ihn die NDR-Redaktion weicher gespült und aus ihm einen zugänglichen, manchmal sogar augenzwinkernden Polizisten gemacht. Axel Milberg erfüllte beiden Rollen mit Bravour – einzigartiger war er früher.

Was bedeuteten die Literaturverweise?

Borowski schmökert an einem Abend im Bett in Theodor Storms Novelle «Eine Halligfahrt», in der der Untergang der nordfriesischen Küstenstadt Rungholt beschrieben wird. Eine Legende, die gerade in Schleswig-Holstein bekannt ist. Sie besagt, das sich 1362 die reichen Bürger von Rungholt versündigten, indem sie ein Schwein mit Alkohol abfüllten und einem Priester befahlen, ihr das Abendmahl zu geben. «Da ergrimmte der Herr und liess wie zu Noä Zeiten seine Wasser steigen; und über die Deiche und Mühlen und Türme schwollen sie; und Rungholt mit seinen blonden Frauen und seinen trotzigen Männern.» Um das Erinnern, das Vergessen und um die Liebe geht es darüber hinaus in Bertolt Brechts Gedicht «Erinnerungen an die Marie A.», das von Borowski zitiert wird. Die Spieluhr spielte die Musik dazu, die Brecht selbst erdachte.

Wer hatte den besten Auftritt?

Seit 25 Jahre ist Christiane Paul Schauspielerin, dies war überraschenderweise ihr allererster «Tatort». Als rätselhafte Schöne hinterliess sie einen bleibenden Eindruck. «Diese Frau soll ein grosses sinnliches Versprechen sein», sagt sie selbst über ihre komplizierte Rolle. Warum Frauen wie Famke eine Faszination aufs andere Geschlecht ausüben, erklärt sie sich wie folgt: «Ich habe nicht viel Ahnung von Männern, aber ich glaube, dieses Angebot, im weitesten Sinne zur Verfügung zu stehen, ohne ein kompliziertes 'Irgendetwas', ist überwältigend. Vor allem, wenn es auch noch mit Tiefe und Ernsthaftigkeit verbunden ist, die Famke zu eigen ist.»

Wie geht es weiter in Kiel?

Nachdem die Schauspielerin Sibel Kekilli (bekannt auch aus «Game of Thrones») auf eigenen Wunsch den Kieler «Tatort» verlassen hat, gab der NDR Mitte des vergangenen Jahres ihre Nachfolgerin bekannt. Die 27-jährige Almila Bagriacik ermittelt künftig als Kommissarin Mila Sahin. Die gebürtige Türkin lebt seit ihrem fünften Lebensjahr in Deutschland und hat reichlich Krimierfahrung. Sie war unter anderem in «Unter Verdacht», «Die Kanzlei», «SOKO Leipzig» und «Kommissarin Lucas» zu sehen, ebenso in der preisgekürten Serie «4 Blocks». Der erste NDR-«Tatort» mit Milberg und ihr ist abgedreht, ein Sendetermin steht noch nicht fest.

Wie gut war der «Tatort»?

Obwohl der Krimi im letzten Drittel ein wenig hektisch und wirr daherkam, gelang Regisseur Sven Bohse ein beachtlicher Film. Kamera, Licht und Erzähltempo sorgten für eine interessante Atmosphäre. Darüber hinaus war «Borowski und das Land zwischen den Meeren» nicht so spröde, wie der Titel vermuten lässt. Durchaus angenehm, nachdem es die Filme mit dem Kieler Kommissar dem Zuschauer zuletzt nicht immer so leicht machten. Wir vergeben eine Fünf!

Der neuste «Tatort» lief am Sonntag, 25. Februar, um 20.05 Uhr auf SRF 1. Mit Swisscom TV Replay können Sie die Sendung bis zu sieben Tage nach Ausstrahlung anschauen.

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